Handwerk:Diese Frau näht die besten Dirndl in Deutschland

Handwerk: Dirndlschneiderin Katharina Hofner aus Münsing hat den Bundeswettbewerb des Zentralverbands des Deutschen Handwerks gewonnen.

Dirndlschneiderin Katharina Hofner aus Münsing hat den Bundeswettbewerb des Zentralverbands des Deutschen Handwerks gewonnen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Zumindest hat Katharina Hofner aus Münsing beim Bundeswettbewerb der Damentrachtenschneiderei den ersten Platz gemacht. Die 20-Jährige ist noch in der Ausbildung.

Von Benjamin Engel, Münsing

Für ihr Gesellenstück hat Katharina Hofner mit den Materialien gespielt: Der weinrote Stoff des Oberteils aus einem Wolle-Polyester-Gemisch ist ganz schlicht, unifarben und ohne Muster. In der Herzerl-Borte rund um den Halsausschnitt blitzen kleine Strassperlen auf. An beiden Ärmelabschlüssen entdeckt, wer genauer hinsieht, die dreieckigen Einsätze aus Halbseide. Beide sind aus demselben Stoff wie die Schürze des Dirndls gemacht. Der kreative Blick selbst für kleine Details hat auch die Juroren beim Bundeswettbewerb des Zentralverbands des Deutschen Handwerks "Die Gute Form im Handwerk - Handwerker gestalten" überzeugt. In der Kategorie der Damentrachtenschneiderinnen wurde Hofner erste Preisträgerin.

Damit hatte die 20-jährige Frau aus Münsing vor fünf Monaten kaum gerechnet. Anfang Juli saß sie in einem abgeschlossenen Raum der Handwerkskammer für München und Oberbayern in der Landeshauptstadt. Nur 32 Stunden - jeweils acht Stunden an vier Tagen - hatte sie genauso wie die weiteren jungen Leute an den elf Arbeitsplätzen neben ihr Zeit, ihr Gesellenstück anzufertigen und die Abschlussprüfung zu bestehen. Das machte sie nervös.

"Am ersten Prüfungstag wusste ich nicht mehr, wie man in die Nähmaschine einfädelt", erzählt sie. "So aufgeregt war ich." Danach trieb sie nur noch der Gedanke an, das Dirndl mit dem weinroten Oberteil, dem grauen Rock und der Schürze aus weinrot-beiger Halbseide mit Paisleymuster fertigzustellen. Dass sie im Kreativwettbewerb "Die gute Form" dort schon Beste wurde und das auf Landes- und Bundesebene wiederholte, überraschte sie.

An ihrem Handwerk reizen die junge Frau die vielen Möglichkeiten, kreativ zu sein. "Mich fasziniert, dass es so viele Stoffe und Kombinationsmöglichkeiten gibt", sagt sie. "Jedes Dirndl, das ich maßanfertige, ist einzigartig." Die Auswahl an Mustern und Stoffen von Wolle, Leinen, Mischgeweben bis hin zu Seidenstoffen erscheint fast grenzenlos. Vieles entsteht in Handarbeit - von den Knopflöchern bis zu Säumen und Kragenabschlüssen. Um handwerklich hochwertig arbeiten zu können, ist Geduld gefragt. Die rutschigeren und empfindlicheren Seidenstoffe erfordern Fingerspitzengefühl.

"Da sieht man jeden Nadeleinstich", erklärt sie. An der falschen Stelle sollte man also nicht die Nadel setzen. Bis vor fünf Jahren hatte die junge Frau allerdings noch nie genäht. "Früher wollte ich immer Goldschmiedin oder Instrumentenbauerin werden", sagt sie. Diesen Wunsch hatte wohl auch ihre musikbegeisterte Familie - ihr Vater Franz Hofner war jahrelang Vorsitzender der Musikkapelle Münsing - geprägt.

Zum einschneidenden Erlebnis für ihren jetzigen Beruf wurde ein Schülerpraktikum bei Trachtenschneidermeisterin Uschi Disl in Dietramszell. Eine Woche lang durfte die damalige Realschülerin Borten nähen oder die Stäbe für ein Mieder einarbeiten. "Ich wusste sofort, das ist es", sagt Hofner. Mit ihrem handwerklichen Geschick überzeugte die damals 15-Jährige. Disl gab ihr prompt die Zusage für einen Ausbildungsplatz.

In ihrer Freizeit trägt sie fast nur Dirndl

Mit ihrer Wahl ist Hofner glücklich. In dem seltenen, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg verbreiteten Gewerk, sei es generell schwierig, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Und die Atmosphäre im Betrieb von Uschi Disl sei einfach harmonisch. "Mir gefällt, dass dort so viele junge Leute sind." Insgesamt gibt es 13 Beschäftigte, davon vier Lehrlinge.

Schon seit der Kindheit trägt Hofner gerne Dirndl. Das war einer der Gründe, warum sie sich auf das Schneidern von Trachten spezialisiert hat. "Das ist einfach unser Gewand", sagt sie. Mittlerweile braucht sie schon einen zweiten Kleiderschrank, um all ihre Dirndl-Stücke unterzubringen. Bestimmt zehn Oberteile und 15 Röcke besitze sie. Hinzu kämen noch ganz viele Schürzen. Vor allem im Sommer trage sie in der Freizeit am Wochenende fast nur Dirndl, auch beim Besuch eines der vielen bayerischen Feste in der Region. Zusätzlich zum Beruf spielt Hofner Flügelhorn in der Musikkapelle Münsing und ist im örtlichen Verein der Burschen und Mädchen aktiv.

Als Trachtenschneiderin freut sie sich, neue Erfahrungen sammeln zu dürfen. Sie findet, dass sie erst nach ihrer Ausbildung das Handwerk richtig zu lernen beginne, etwa beim Zuschneiden und Abstecken. Daher ist sie froh, dass sie schon für ihre ganze Verwandtschaft Dirndl anfertigen durfte. "Da konnte ich mich ausprobieren", sagt Hofner. Sie habe auch schon viele Bestellungen. Dass nach ihrer Auszeichnung bei der "Guten Form" in Berlin jemand ein Schild mit der Aufschrift "Wir gratulieren zum Bundessieg" an der Münsinger Ortseingang aufgestellt hat, sieht sie zwiespältig. "Ich bin nicht eine, die gerne im Vordergrund steht", gesteht sie.

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