Süddeutsche Zeitung

Handel in Bayern:Weit entfernt von Nahversorgung

  • In vielen Dörfern in Bayern gibt es keine Möglichkeit mehr, Lebensmittel einzukaufen.
  • Die großen Discounter stehen in den Gewerbegebieten.
  • Nun sucht man nach Strategien, mit denen sich kleine Läden in den Orten halten können.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Ein Wirtshaus gibt es schon lang nicht mehr, der Seelsorger vom Pfarrverband schaut einmal die Woche vorbei, und der letzte Laden hat auch zugemacht. Solche Dörfer gibt es in Bayern inzwischen viele, und auch in den Städten müssen immer mehr Menschen hinaus in die Peripherie, wenn sie Lebensmittel einkaufen wollen.

Die Kommunen haben die entsprechenden Gewerbegebiete alle irgendwann selber ausgewiesen, doch inzwischen suchen sie nach Strategien, wie sie eine Nahversorgung sichern können, die sich zu Recht auf der ersten Silbe betonten lässt. Um Erfolgsrezepte haben sich Bürgermeister, Verwaltungsleute und Berater am Nahversorgungstag des bayerischen Wirtschaftsministeriums am Mittwoch in Rosenheim bemüht. Die Beispiele kamen aus ganz Bayern, der Bedarf an Ideen auch.

Selbst der Tagungsort Rosenheim, der mit seinen 60 000 Einwohnern und einem großen Einzugsgebiet dem Einzelhandel gute Bedingungen bietet, muss sich um die Nahversorgung in seinen Stadtvierteln Sorgen machen. Wenn im Stadtteil Happing zwei Jahre nach Schließung eines kleinen Supermarkts die schon über 80 Jahre alten Hauseigentümer noch einmal eine höhere sechsstellige Summe in ihre leer stehende Immobilie gesteckt und auf eigenes Risiko einen neuen Supermarkt für das Quartier eröffnet haben, dann ist das auch für die Stadt Rosenheim "ein wirklich seltener Glücksfall", wie Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl sagt.

Rosenheim hat genügend Masse, um außerhalb des Stadtkerns mit drei größeren Nahversorgungszentren zu planen. In Orten wie dem kleinen Ramsau im Landkreis Mühldorf gäbe es hingegen ohne den inzwischen 13 Jahre alten Dorfladen gar kein Geschäft mehr, wie es Martha Huber aus dem Vorstand der Laden-Genossenschaft beschreibt. Der Dorfladen ist der Hoffnungsträger schlechthin für viele der Bürgermeister und Wirtschaftsförderer im Saal, und an manchen Orten wie in Farchant bei Garmisch-Partenkirchen hätte es den Laden gar nicht wegen der Lebensmittel gebraucht.

Denn dort, so beschreibt es Geschäftsführer Peter Böhmer, gibt es im Umkreis von fünf Kilometern 15 Discounter und Supermärkte, den nächsten im Gewebegebiet, wohin ihn die Gemeinde durch schlechte Planung hinausgetrieben habe. Und trotzdem: "Wir haben einfach gemerkt, der Ort blutet aus", sagt Böhmer.

In vielen Orten gibt es gar kein Geschäft mehr

Die Dorfläden haben sich längst vom Konzept Mini-Supermarkt hin zu den Schwerpunkten Bio und Regionalität entwickelt, sagt Dorfladen-Berater Wolfgang Gröll, der in den vergangenen Jahren an der Gründung zahlreicher solcher Geschäfte beteiligt war. Trotz mancher Zweifel halten sich weitaus die meisten davon, auch wenn Gröll von einigen "Zombie-Läden" spricht, die sich kaum tragen und nur durch großes ehrenamtliches Engagement am Leben erhalten werden.

Der Präsident des Bayerischen Handelsverbands, Ernst Läuger, wirbt dagegen um bessere Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen und erinnert an den demografischen Wandel. "In spätestens zehn Jahre wird der Druck auf die Kommunen steigen."

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SZ vom 06.10.2016/infu
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