Häusliche Gewalt:Immer mehr Frauen in Not

Häusliche Gewalt

Die Fälle häuslicher Gewalt in Bayern haben zugenommen.

(Foto: dpa)

Die größte Gefahr für Frauen lauert nicht in dunklen Wäldern, sondern in der eigenen Wohnung: Die Fälle häuslicher Gewalt haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Doch an der Zahl der Frauenhäuser hat sich nichts geändert.

Von Dietrich Mittler

Gerade hat Doris Brodkorb, Verwaltungsfachkraft im Frauenhaus Fürth, wieder einen dieser Momente erlebt, die sie "schrecklich" findet: Sie hat eine Hilfesuchende abweisen müssen, weil im Haus alle Plätze belegt sind - von Frauen, die vor ihren gewalttätigen Partnern geflohen sind. "Die Nürnberger Frauenhäuser sind voll, wir sind voll, die Erlanger Häuser sind auch voll", schildert Brodkorb die prekäre Situation. Sie hätte noch viele weitere Städtenamen aufzählen können. Dabei wären doch immer mehr Frauen auf Schutz angewiesen.

Die bekannten Fälle von häuslicher Gewalt haben in Bayern drastisch zugenommen, wie aus einer aktuellen Landtagsanfrage der Grünen hervorgeht. Wurden 2005 noch 12 760 Fälle registriert, so waren es 2013 bereits 19 438. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Gut 80 Prozent der Opfer sind weiblich, in 34 Prozent der Fälle wurden Kinder Zeugen massiver Misshandlungen. Nur geringfügig stieg hingegen die Zahl der Männer, die zu Opfern häuslicher Gewalt wurden.

Die größte Gefahr lauert in der eigenen Wohnung

Die vom Innenministerium gelieferten Zahlen sind für Verena Osgyan, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, ein Indiz dafür, dass in den zurückliegenden Jahren in Bayern viel zu wenig für die bedrohten Frauen getan wurde. "Seit Jahren stagnieren in Bayern die finanziellen Hilfen für Frauenhäuser und Frauennotrufe, die sich dieser Opfer annehmen", sagte Osgyan. Auch die Staatsregierung müsse "nun endlich kapieren", dass die größte Gefahr für Frauen nicht in dunklen Wäldern oder verlassenen Parkanlagen lauere, sondern in der eigenen Wohnung.

Bayern, das sich bundesweit sonst stets in der Champions League wähnt, ist - wenn es um den Schutz bedrohter Frauen geht - eher abstiegsgefährdet. "Es ist wenig ermutigend, dass der Freistaat mit seinen Frauenunterstützungsangeboten an vorletzter Stelle steht", sagt Monika Meier-Pojda, die Landesgeschäftsführerin des Sozialdienstes Katholischer Frauen, mit Bezug auf den bereits 2012 erschienenen Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser. Dieser Bericht löste bei den Helfern Betroffenheit aus. "Die Lage der Frauenhäuser ist - bis auf wenige Ausnahmen - nach wie vor katastrophal", hieß es etwa aus der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser in Bonn. Und weiter: "Gerade in vielen Regionen Bayerns sind die Wege, die gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder bis zum nächsten Frauenhaus zurücklegen müssen, unzumutbar weit."

Doch offenbar sah die Staatsregierung bislang wenig Anlass zum Handeln. Nur ein einziges Mal innerhalb von 20 Jahren, so kritisiert Margit Berndl, Vorstandsmitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband, seien die Fördermittel für Frauenhäuser und Fachberatungsstellen erhöht worden. Das geschah im Januar 2009, kurz nach dem Amtsantritt von Christine Haderthauer als Sozialministerin. "Auch Gutes muss von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gestellt werden", sagte Haderthauers Nachfolgerin Emilia Müller kürzlich. Noch in diesem Jahr werde in Abstimmung mit den Kommunen der aktuelle Finanzbedarf für Frauenhäuser ermittelt, hieß es am Dienstag aus dem Ministerium. "Schutz gibt es nicht zum Nulltarif", ist sich auch Müller sicher. Doch der Druck auf sie wächst.

Zu wenig Einrichtungen

Im Januar 2008 hatte Melanie Huml - jetzt Gesundheitsministerin - als damalige Staatssekretärin im Sozialministerium den Einsatz Bayerns für die Frauenhäuser gelobt und hinzugefügt: "Jeden Tag leisten in Bayern 38 Frauenhäuser und 33 Notrufe unverzichtbare Arbeit." Vor wenigen Wochen, also gut sechs Jahre später, lobte Sozialministerin Müller erneut die Arbeit der staatlich geförderten Frauenhäuser. Und siehe da: Es sind nach wie vor nur 38.

"Es gibt hier eindeutig zu wenig solcher Einrichtungen", protestiert Julia Liebl, die im Fürther Frauenhaus als Sozialpädagogin tätig ist. Und das ist bei weitem nicht ihre einzige Kritik: "Es gibt nur ganz wenige Frauenhäuser, die auch behindertengerecht ausgebaut sind", sagt sie. Behinderte Frauen aber seien einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Gewalt zu erfahren. "Dem wird nicht ausreichend Recht getragen", sagt Liebl. "Wir brauchen mehr Unterstützungsangebote für Frauen mit Behinderung", heißt es auch beim Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Aber auch für Frauen mit Migrationshintergrund - sie stellten 2013 nach Angaben des Innenministeriums rund 27 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt - fehlt es vielfach an Hilfsangeboten. Derzeit ist es kaum möglich, sie bei Behördenterminen oder bei der Wohnungssuche zu begleiten, um Sprachschwierigkeiten zu überbrücken. "Aber da sind wir wieder beim Thema fehlendes Personal, also letztlich wieder beim Geld", sagt Doris Brodkorb vom Fürther Frauenhaus.

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