Eine Sorge muss die Lichtenberger nicht mehr umtreiben: Irgendein Pseudosuperlativ (" Längste Fußgängerhängebrücke der Welt")? Das interessiert im medialen Super-super-super-Zeitalter doch kein altes Borstentier mehr - und schon gar nicht, wenn Medienmenschen dafür in einen nicht als Hotspot berüchtigten Weltzipfel inmitten dichten Waldes aufbrechen müssten!
Doch, so ein Maximalbau interessiert schon - und das selbst dann, wenn er augenscheinlich keinen sich unmittelbar aufzwängenden Sinn aufweist (außer eben, möglichst superlativisch zu sein). Sollte es daran noch Zweifler gegeben haben im oberfränkischen Lichtenberg, so dürften die seit ein paar Monaten besänftigt sein: Da wurde die "Sky Bridge 721" in einer Region eröffnet, der man nicht zu nahe tritt, würde man sie - vergleichbar mit Nordostoberfranken - nicht zwingend zu den internationalen Topdestinationen rechnen: in Nordosttschechien.
Im Dorf Dolní Morava standen zur Eröffnung des 721 Meter langen Bauwerks mehr als vier Dutzend Reporter aus halb Europa - und seither ahnen sie in Lichtenberg, auf was sie sich in etwa werden einstellen müssen. 450 Kilometer westlich von Dolní Morava ist mitunter von der "fast kleinsten Stadt Bayerns" die Rede, darauf könnten sie in Lichtenberg aber gut verzichten. Besagte "längste Fußgängerbrücke der Welt" dagegen, die soll in Zukunft bitte im Frankenwald überm Höllental hängen: 1030 Meter lang!
Nun müssen sich örtliche Würdenträger dort momentan die Frage gefallen lassen, warum das in Tschechien viel schneller und auch noch viel billiger ging mit dem Brückenbau. Womöglich aber treibt die Angesprochenen ein anderes Thema viel dräuender um. Aus dem nordosttschechischen "Land der Stille" berichtete dieser Tage der MDR, es sei dort gerade mit der himmlischen Ruhe aber mal so richtig Schluss: An Restaurants, Kneipen und anderer Infrastruktur fehle es, Zäune müssten aufgebaut werden, damit einfallende Touristen ein Landschaftsschutzgebiet nicht zertrampeln und das Dorf sei plötzlich komplett verstopft.
Ein begnadetes Land der Stille vorsätzlich zum Rummelplatz machen? Überm Lichtenberger Höllental kennen sie diese Albtraumvision gut. Als dort im Jahr 2018 beim Bürgerentscheid getrommelt wurde, führten Gegner der Superlativbrücke exakt das ins Feld: Warum nur das fränkische Land, seine Kargheit, seine Luft, seine Wälder zur drohenden Festwiese des Eintagestourismus werden lassen? Eingängige Argumente waren das - verfangen freilich haben sie nicht.