Haderthauer über Pflegeheime:"Wer Geld will, muss die Hosen runterlassen"

Christine Haderthauer greift die Betreiber von Pflegeheimen an: Die Sozialministerin verlangt mehr Transparenz.

Annette Ramelsberger und Dietrich Mittler

Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) greift die Betreiber von Pflegeheimen an: Sie riefen nur ständig nach Geld, ohne zu erklären, wofür sie es brauchten.

Haderthauer will mehr jugendliche Testkaeufer von Schnaps einsetzen

"Hände weg von meiner Oma", sage keiner, so Ministerin Haderthauer.

(Foto: ddp)

SZ: Horst Seehofer und Markus Söder machen im Moment ziemlich allein die bayerische Politik. Spielen Sie überhaupt noch mit, Frau Haderthauer?

Haderthauer: Die Energiepolitik ist momentan ein beherrschendes Thema. Aber auch meine Themen wie Integrationspolitik und HartzIV sind immer wieder extrem wichtig. Das hält die Politik doch interessant.

SZ: Wurde Theodor zu Guttenbergs Erbe nicht ungerecht verteilt? Markus Söder darf sich darüber freuen, dass er jetzt keinen direkten Konkurrenten mehr hat. Sie aber müssen die Ausläufer der Bundeswehrreform in den Griff bekommen - den Mangel an Zivildienstleistenden.

Haderthauer: Die Bedeutung der Zivildienstplätze wird überschätzt. Die Zeiten, in denen junge Männer massenweise Pflegedienste gemacht haben, sind längst vorbei. Viele Zivildienstplätze wurden gar nicht mehr besetzt, weil die Sozialverbände sagten: Sechs Monate sind für einen sinnvollen Einsatz zu kurz.

SZ: So gelassen sehen das nicht alle sozialen Organisationen, viele rufen um Hilfe.

Haderthauer: Wir haben nicht die moralische Berechtigung, jungen Menschen in der Rushhour ihres Lebens ein ganzes Jahr wegzunehmen, damit sie dort aushelfen, wo man auf dem Arbeitsmarkt zu wenig Leute herbekommt.

SZ: Aber dort würden sie dringend gebraucht. Bayerns Pflegekräfte sind häufiger krank als andere Arbeitnehmer im Freistaat. Was läuft hier falsch?

Haderthauer: Kein Berufsstand steht so sehr unter Druck wie die Pflegekräfte - Pflege im Minutentakt, überbordende Bürokratie. Unser Hauptproblem ist: Viele gehen in den Beruf, wenige bleiben. Durch die Abschaffung des Zivildienstes kapieren jetzt hoffentlich alle Beteiligten im Pflegebereich, dass sie handeln müssen.

SZ: Die Zahl alter Menschen steigt rasant, der Pflegenachwuchs fehlt. Müssen wir uns in Zukunft selbst pflegen?

Haderthauer: Nein. Das erste Argument, das dann immer kommt, lautet: Holen wir uns doch Fachkräfte aus dem Ausland. Das allein ist zu kurz gesprungen. Wir müssen unsere Hausaufgaben schon selbst erledigen. Zudem werden ausländische Fachkräfte auch in ihren Heimatländern gebraucht und dort gar nicht mehr so schlecht bezahlt. Die, die noch zu uns kommen, erfüllen oft nicht unsere Standards - oder sie haben sprachliche Defizite.

SZ: Sie sperren sich auch gegen den Vorschlag einiger CDU-regierter Länder, Hartz-IV-Empfänger in der Pflege einzusetzen. Können Sie das durchhalten?

Haderthauer: Hätte man vorgeschlagen, Arbeitslose ans Fließband zu stellen, um Autos zusammenzuschrauben, dann hätte Deutschland geschrien: "Hände weg von meinem Auto." Aber "Hände weg von meiner Oma", das sagt leider niemand. Es ist eine Herabwürdigung des Pflegeberufs, als könnte das jeder machen. Und eine Herabwürdigung der Pflegebedürftigen, als wenn es egal wäre, wer sich um sie kümmert.

SZ: Sie haben Bedenken bei Pflegekräften aus dem Ausland, sind gegen Pflegekräfte aus Hartz IV. Was machen denn die Menschen so lange, bis es endlich genug gut ausgebildete Fachkräfte gibt?

Haderthauer: Immer mehr Heimträger erkennen, dass sie ihre Pflegekräfte gut bezahlen und zudem gut behandeln müssen. Dies ist Voraussetzung, dass genug Kräfte den Beruf ergreifen und auch in ihm bleiben. Der Wettbewerb am Markt wird die guten Heime belohnen und dafür sorgen, dass wir ordentlich bezahlte Pflegekräfte bekommen.

SZ: Haben wir Sie gerade richtig verstanden - nicht Sie als Sozialministerin, sondern der Markt soll alles regulieren?

Haderthauer: Politik kann das nicht alleine. Gerade in der Pflege gilt das Prinzip der Selbstverwaltung. Die Politik kann zwar Mindeststandards vorschreiben - zum Beispiel wie viele Fachkräfte sie einstellen müssen pro Heimbewohner. Sie kann auch sagen: Ab morgen wird die Pflegeversicherung teurer - nur viele Mittel kommen gar nicht bei der Pflegekraft am Bett an. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass große Träger ihre unterschiedlichen Geschäftsfelder über Pflegeeinnahmen quer subventionieren.

SZ: Haben Sie darauf Hinweise?

Haderthauer: Hinter vorgehaltener Hand hört man das immer wieder. Es gibt Heimträger, die Rahmen ihrer Pflegesatzforderungen nicht bereit sind, ihre Einnahmen transparent zumachen. Da kommt immer nur die Beschwerde, sie bekämen nicht genug Geld. Wer das Geld der Beitragszahler will, muss eben die Hosen runterlassen.

"Geht mal rein und schaut, wie's da riecht"

SZ: Was tun Sie, damit mehr Geld am Pflegebett ankommt?

Haderthauer: Auf keinen Fall darf der erste Reflex sein, die Beiträge zu erhöhen. Ich möchte auch die Heimträger und Kassen in die Pflicht nehmen. Da scheue ich auch keine schwierigen Diskussionen mit Lobbyisten.

SZ: Was monieren Sie?

Haderthauer: Pflegeheime scheinen immer noch ein lohnendes Geschäft zu sein, aber nicht für die Menschen, die pflegen, sondern für diejenigen, die ein Heim betreiben.

SZ: Wie steht es denn um die Verantwortung der Angehörigen von Heimbewohnern?

Haderthauer: Der bekannte Pflegeexperte Claus Fussek sagt beispielsweise, geht mal rein und schaut, wie's da riecht.

SZ: Immer noch werden viele Altenheime gebaut, aber es gibt zu wenig ambulante Pflegedienste. Warum?

Haderthauer: Gerade alte Menschen, die ihre Pflege nicht selbst bezahlen können, kommen schnell in Pflegeheime - weil die Kosten für ihre Pflege im Altenheim der Bezirk übernimmt, ambulante Hilfen aber die Gemeinde zahlen müsste. So entsteht ein Verschiebebahnhof. Städte und Landkreise geben selber zu, dass es für sie günstiger ist, wenn ein alter Mensch gleich in ein Heim kommt. Aber das widerspricht dem Willen der Pflegebedürftigen: Die meisten wollen weiterhin in der gewohnten Umgebung bleiben.

SZ: Die Probleme mit der Pflege werden sich verschärfen. Fahren wir mit offenen Augen auf eine Wand zu?

Haderthauer: Die Generation der Babyboomer wird im Alter nicht so gut situiert sein wie die heutige alte Generation. Deswegen werbe ich für ein Umlagesystem, in dem ein Teil des Pflegeversicherungsbeitrags für die Zukunft angespart wird. Heute sind die Babyboomer in Lohn und Brot. Das kommt der Pflegeversicherung zugute, da man von den Beiträgen kleine Beträge abzwacken kann, die dann zu einem Fonds anwachsen. Ich wäre aber strikt dagegen, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren.

SZ: Sie sind selbst eine berufstätige Frau, was machen Sie, wenn Ihre Eltern plötzlich pflegebedürftig werden?

Haderthauer: Wir hatten den Fall bereits zweimal in der Familie. Meine Schwiegereltern wollten beide zu Hause bleiben und wurden ambulant versorgt. Mein Vater ist schon lange tot, meine Mutter wünscht sich, so lange wie möglich zu Hause in ihrer Wohnung zu bleiben.

SZ: Graut es Ihnen davor, ihre Mutter ins Altenheim zu geben?

Haderthauer: Nein, es gibt gute Heime.

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