Gymnasium:Begabte Schüler sollen leichter eine Klasse überspringen können

Abitur Niedersachsen

Acht Jahre oder neun bis zum Abitur? Schüler sollen in Bayern künftig mehr Wahlmöglichkeiten haben.

(Foto: dpa)
  • Ein Dialogprozess mit Kultusminister Spaenle soll die Wogen glätten, die eine Ankündigung aus dem Ministerium verursacht hatte.
  • Demnach sollen die Gymnasien in Bayern wählen können, ob sie ein G8 oder ein G9 anbieten.
  • Im Fokus sind derzeit besonders begabte Schüler.

Von Anna Günther und Melanie Staudinger

Es ist die Frage, die bayerische Gymnasialdirektoren derzeit am meisten umtreibt: Sollen sie beim Abitur nach zwölf Jahren bleiben oder doch lieber zur neunjährigen gymnasialen Schulzeit zurückkehren? Nachdem Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) zu Beginn der Sommerferien angekündigt hatte, den Gymnasien vom Schuljahr 2018/19 an die Wahl zu lassen, sind große Diskussionen entbrannt.

Sofort regte sich Kritik, von einem "faulen Kompromiss" und der "feigsten aller Möglichkeiten" war die Rede. Nun aber beginnt die eigentliche Arbeit. Bis Ende des Jahres will Spaenle mit allen Beteiligten Gespräche führen, dann will Ministerpräsident Horst Seehofer das endgültige Konzept haben. Dieser Dialogprozess soll festlegen, wie das künftige G 9 aussieht - und dem Kultusminister gelingt es gleich zu Anfang, die Wogen etwas zu glätten.

Begabtenförderung ist das Stichwort, mit dem Spaenle die aufgebrachten Verbände offenbar besänftigen will. Im neuen Gymnasium, so kündigt der Kultusminister nach einem Gespräch mit dem Philologenverband und den Direktoren in dieser Woche an, soll das Überspringen einer Klasse leichter werden. Konkret hat der Minister dabei Schüler mit sehr guten Noten im Blick, die ein neunjähriges Gymnasium besuchen, ihr Abitur aber nach der zwölften Jahrgangsstufe ablegen wollen. "Wir arbeiten im Ministerium gerade daran, wie diese Begabtenförderung funktionieren kann", sagt Spaenle. Momentan überspringen nur einzelne Schüler eine Klasse, im neuen G 9 könnte das zur Regel werden.

Spaenle zufolge bietet sich das Vorgehen vor allem für Landgymnasien an. Im Gegensatz zu großen Städten und Ballungsräumen wie München oder Nürnberg hätten Schüler dort oft nicht die Wahl zwischen vielen verschiedenen Gymnasien, weil diese schlicht zu weit entfernt seien. Stellen alle nächstgelegenen Gymnasien bald auf G 9 um, könnten Schüler dort trotzdem noch ihr Abitur nach der zwölften Klasse ablegen. Genau in solchen Fällen soll ein Überspringen leichter möglich sein. "Keiner muss fahren, jeder kann in seinem Zweig bleiben", sagt Spaenle.

Die Philologen fordern seit Langem, dass ein G 9 wieder Grundlage für das bayerische Gymnasium wird - mit Überholspur für besonders gute Schüler. Entsprechend zufrieden wirkt der Verbandsvorsitzende Max Schmidt nach dem Treffen im Ministerium. Seinen Vorschlag mit der Begabtenförderung, einem Lieblingsthema Spaenles, zu verknüpfen, ist geschickt. Geht es nach Schmidt, werden Überspringer anders als bisher schon zum Halbjahr in die höhere Jahrgangsstufe wechseln und vorher sowie danach gezielt gefördert, um den Stoff in der neuen Stufe aufzuholen. Dafür könnten Intensivierungsstunden genutzt werden, eine der vielen Flickereien des G 8, von der sich auch die G-9-Verfechter unter den Schulleitern ungern trennen wollen. Ob sich dieser Wunsch erfüllt, dürfte Finanzminister Markus Söder entscheiden.

Es gibt inhaltliche Baustellen

Auch die Schulleiter wirken beschwichtigt. Vor der Sommerpause hatten sie ihre Sorgen noch in einem Brandbrief formuliert und eine klares Votum von der Politik gefordert. "Der Minister hat genau zugehört, aber was er umsetzen kann, ist dann eine andere Sache", sagt Karl-Heinz Bruckner, der Vorsitzende der Direktorenvereinigung. Um Grabenkämpfe in den Schulgremien und zwischen einzelnen Gymnasien zu verhindern, haben sich die Direktoren Pragmatismus verordnet. "Wir stehen in der Verantwortung und wir müssen weiterkommen", sagt Bruckner. Es gebe genug inhaltliche Baustellen wie das Übertrittsverfahren. Die Hauptsache sei, dass die Mittelstufe Plus keine G-9-Variante wird.

Seit dem vergangenen Herbst testen 47 Pilotgymnasien einen neunjährigen Weg zum Abitur, bei dem nur in der Mittelstufe mehr Zeit gewährt wird. Das Parallelmodell von acht und neun Jahren stellt die Schulen aber vor große organisatorische und finanzielle Probleme. Trotzdem hatten sich im Schnitt 70 Prozent der Schüler dafür angemeldet. Künftig dürfen nur sehr große Schulen acht und neun Jahre parallel anbieten. Alle anderen müssen entscheiden und sollen wie die früheren Hauptschulen sukzessive den neuen Weg einschlagen. Das Verbundmodell, in dem viele Mittelschulen zusammengeschlossen sind, ist auch für Gymnasien angedacht.

Ein "einheitliches pädagogisches Gebäude"

Auch wenn die CSU-Fraktion und damit der Landtag diesen Ideen noch zustimmen müssen, steht für Kultusminister Spaenle eine Sache fest: Zwei verschiedene Arten von Gymnasien werden in Bayern nicht nebeneinander existieren. "Es wird ein einheitliches pädagogisches Gebäude geben mit einem auf acht Jahre angelegten Lehrplan", sagt Spaenle, auch für das G 9. Alle Schüler sollen nach dem neuen Lehrplan plus, der im September 2017 startet, unterrichtet werden und haben die gleichen Bücher.

Geplant ist demnach eine gemeinsame fünfte Klasse und dieselbe Oberstufe für G-8- und G-9-Schüler. Ausschließlich die Jahrgangsstufen sechs bis zehn würden sich in G 8 und G 9 unterscheiden. Den mittleren Schulabschluss erwerben alle nach der zehnten Klasse. Danach wird für die G-9-Schüler das zusätzliche Jahr eingeschoben. Zeit, die besonders gute Schüler wie früher im alten G 9 nutzen können, um ein Jahr in der Ferne zur Schule zu gehen.

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