Gymnasialreform in Bayern:Die CSU bleibt sitzen

CSU-Fraktion - Herbstklausur

Zwar hat Horst Seehofers CSU für ihre Gymnasiums-Pläne von außen viel Zustimmung erhalten - aber in der Fraktion grummelt's.

(Foto: dpa)

Eigentlich sollten sie die Gymnasialreform auf der Fraktionsklausur der CSU nur noch abnicken. Doch es kommt anders: Einige Abgeordnete verlängern die Tagesordnung - und diskutieren sich die Köpfe heiß.

Von Frank Müller, Bad Staffelstein

Fußball hatten sie am Dienstagabend eigentlich sehen wollen oder sich sonstwie vom Klausurbetrieb entspannen. Doch dann legen die CSU-Abgeordneten nach Ende der regulären Tagesordnung bei ihrer traditionellen Herbstklausur im oberfränkischen Kloster Banz noch einmal richtig los und schieben eine Nachtsitzung ein. Es ist die Gymnasialreform, die die Parlamentarier umtreibt, jene von Kultusminister Ludwig Spaenle geplante Teil-Abkehr vom achtstufigen Gymnasium.

Spaenle will Schülern die Möglichkeit geben, drei Klassen in der Mittelstufe auch in vier Jahren zu durchlaufen. Doch ein Kreis von Abgeordneten um Ex-Bildungsminister Thomas Goppel und den früheren Staatssekretär Karl Freller hat Bedenken. Ihnen stehen zu viele detaillierte Festlegungen in dem Konzept. Andere Abgeordnete sind angesäuert, weil sie seit Tagen alle Reformbestrebungen in der Zeitung lesen. Und selbst aus erster Hand während der Sommerpause wenig erfahren haben. Aus alledem speist sich in Banz eine sehr lange Nacht. Es sind gut 30 der 101 CSU-Abgeordneten, die sich bis nach Mitternacht noch einmal sehr grundsätzlich mit dem G 8 befassen.

Der Redebedarf ist unerwartet und enorm. Vier Stunden lang dauert die Klausur in der Klausur. Am nächsten Morgen klebt Nebel an den Hügeln rund um Bad Staffelstein. Das Kloster Banz oben liegt schon in der Morgensonne und das Gymnasialkonzept hat sich noch einmal verändert. Statt einer Verlängerung auf neun Jahre können Schulen auch Ganztagslösungen anbieten, um den Stoff zu entzerren. Vor allem aber wird noch einmal klargemacht, dass acht Klassen die klare Regel sind und ein Jahr mehr die Ausnahme. Als "pädagogisches Zusatzangebot" wird das neunte Jahr nun in dem veränderten Beschluss klein geredet.

Das findet vor allem auch CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer gut, der viel lieber über die ebenfalls beschlossenen moderneren pädagogischen Elemente redet als über neun Jahre Gymnasialzeit. Eine "epochale Entscheidung" habe die CSU getroffen, sie setze sich damit von allen Ländern ab, die den "Wahnsinn" begangen hätten, komplett zu G 9 zurück zu kehren. "Das ist reiner Zeitdiebstahl", poltert Kreuzer. Spaenle ist ähnlich selbstbewusst. Bayern hebe als erstes Bundesland den Gegensatz zwischen G 8 und G 9 auf, findet er. Am Mittwoch Nachmittag beschließen die Abgeordneten das neue Konzept dann völlig einmütig ohne Gegenstimme. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer rackert sich an diesem Tag noch einmal mit der Bildung ab. Er weiß, dass es nicht ganz rund läuft in der Fraktion. Die Klausurplaner schicken ihn auf einen Rundlauf durch verschiedene Säle, in jedem sind Infostände aufgebaut, die zeigen sollen, wie weit vorne Bayern in der Bildung ist.

"Hier in Bayern ist's schööööööön"

Seehofer ist in seinem Element. Er zwängt sich mit Kreuzer zwischen Grundschüler aus Aschaffenburg. Ein Foto soll gemacht werden, Seehofer und Kreuzer sitzen auf Schulstühlen. Alle lächeln, sagt die Organisatorin. Seehofer macht den Kindern vor, wie das geht: "Hier in Bayern ist's schööööööön", gibt er vor. Alles lächelt.

Draußen im Gang macht er eine kurze Pause. "Eine Minute", sagt er. Er will sich erklären und sich vor Spaenle und die Kritik an seinen öffentlichen Aussagen stellen. "Normal" sei es, "unvermeidbar", dass es bei solchen Reformen auch Begleitmusik gibt. Solche Reformen gingen nur, "wenn der Minister seine Ideen auch öffentlich vermittelt", habe er der Fraktion gesagt. "Ich brauche einen Kultusminister, der öffentlich erkennbar ist."

Es geht weiter, ins nächste Bildungslabor. Junge Leute aus dem Münchner Heinrich-Heine-Gymnasium präsentieren einen kleinen weiß-blauen Roboter, der Seehofer begrüßen kann. Der Roboter folgt brav. Wie die Landtagsfraktion, scherzt einer aus deren Reihen. Der Roboter geht auf die Knie. Das tut die Fraktion nicht.

Aus dem Urlaub herbeigetrommelt

Spaenle selbst wirkt gelassen. Für ihn ist die insgesamt eher positive Resonanz auf die Pläne schon ein Erfolg. Der Kultusminister kann sich noch genau an die überstürzte Einführung des G 8 unter Edmund Stoiber erinnern. "Die Lage ist niemals zur Ruhe gekommen", sagt er. Nun muss sie das, weil sich die CSU noch einen Gymnasiums-Fehlschlag nicht leisten darf. Das weiß niemand besser als Seehofer. "Ruhe an der Schulfront", hatte er noch im vergangenen Jahr versprochen. Es werde keine neuen Reformen geben.

Nun steckt die CSU mittendrin, schon gehen die Debatten weiter: Wie viel Geld wird das neue Gymnasium eigentlich zusätzlich verschlingen? Finanzminister Markus Söder sagt demonstrativ, jeder neue Plan stehe unter dem Diktat eines soliden Haushalts. Wenn das Kultusministerium neue Lehrerstellen brauche, müsse es sie aus dem Bestand finanzieren. Insgesamt 600 Lehrer könnten für das reformierte G 8 nötig sein, sagt Kreuzer.

Spekulationen um Seehofers Nachfolge

Das Thema ist so wichtig, dass es alle sonstige Klausur-Folklore überlagert. Das Kronprinzenpaar Markus Söder und Ilse Aigner trägt der Fraktion hintereinander neue Pläne vor - ein klassisches Schaulaufen, aus dem sich viele Spekulationen um Seehofers Nachfolge zusammenrühren ließen.

So richtig juckt das aber keinen. Wie immer sei es gewesen, konstatiert ein Abgeordneter: Mehr Show bei Söder, mehr Inhalt bei Aigner. Fraktionschef Kreuzer drückt vor dem Hauptportal eine seiner vielen Zigaretten aus und brummelt: "Es wird keiner von denen."

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