Gutachten:Zukunftsrat gerät erneut in die Kritik

Schlechtes Zeugnis: Der von der Staatsregierung eingesetzte Zukunftsrat kommt in einem Gutachten gar nicht gut weg. Präsentiert wurde das Papier ausgerechnet von Landtagspräsident Bocklet (CSU) - der eigentlich gar keinen neuen Streit will.

Frank Müller

Soll sich der Freistaat bei seiner künftigen Entwicklung darauf konzentrieren, wenige große Zentren wie München und Nürnberg zulasten der ländlichen Gebiete zu förden? Über Thesen wie diese hatten sich Landespolitiker vor einem halben Jahr die Köpfe heiß geredet, als der von der Staatsregierung eingesetzte "Zukunftsrat" zu entsprechenden Empfehlungen kam.

CSU, Staatskanzlei

Falsch zusammengesetzt: Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) kritisiert den von der Staatsregierung eingesetzten Zukunftsrat.

(Foto: dpa)

Dann wurde es ruhiger um das Thema, jetzt ist es wieder voll da: Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) machte gestern mit einem eigens in Auftrag gegebenen Gutachten gegen zentrale Punkte der Empfehlungen des Zukunftsratsrats mobil. Das Gremium sei falsch besetzt und habe teils handwerklich unkorrekte Schlussfolgerungen gezogen, sagte Bocklet bei der Vorstellung des Gutachtens.

Das Papier dürfte an diesem Dienstag für Zündstoff sorgen: Das Landtagsplenum debattiert heute die Empfehlungen des Zukunftsrats auf Antrag der Grünen. Bocklet sagte zwar, er wolle den Streit nicht neu entfachen -, tat es dann aber doch. Denn die Studie, die Bocklets Parteifreund (und Nachbar in Gröbenzell), Reinhard Paesler, erstellt hat, listet in den Aktivitäten des Zukunftsrats zahlreiche Versäumnisse auf.

Schon die Zusammensetzung sei problematisch, kritisierte Paesler. So sei zwar in dem 22-köpfigen Gremium unter Führung von Herbert Henzler sehr viel ökonomischer Sachverstand vereint, gestand Paesler zu. Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaftler seien dagegen unterrepräsentiert, Experten aus dem Bereich Raumwissenschaften, also etwa Landes- und Stadtplaner, fehlten gar völlig, monierte Paesler, der selbst in diesen Bereichen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München forscht.

Für Paesler ist dies ein entscheidender Mangel: "Ebenso wie es unsinnig wäre, ein medizinisches Gutachten ohne Hinzuziehung eines Mediziners erstellen zu lassen, erscheint es zumindest fragwürdig, wenn eine gutachterliche Stellungnahme zu Fragen der Raumordnung, Raum- und Regionalentwicklung von einem Gremium ausgearbeitet wird, dem keine Raumwissenschaftler als unmittelbare Fachleute angehören."

Dem schloss sich Bocklet voll und ganz an. So sei auch zu erklären, dass in der Zukunftsrats-Studie Begriffe falsch oder missverständlich verwendet worden seien, meinte er. Auf diese Weise hätten sich in die Thesen des Zukunftsrats falsche Vergleiche mit Ballungsräumen wie Singapur oder Tokio eingeschlichen, monierte Paesler.

Generell warf er dem Gremium vor, dass es sich auf einen Gegensatz zwischen Metropolreregionen und dem ländlichen Raum eingelassen habe. Wissenschaftlich sei das aber gar nicht haltbar, weil Metropolen mit ihrem ländlichen Umland zusammengehörten. Paesler kam zu dem Schluss, dass so gesehen die beiden Metropolregionen München und Nürnberg insgesamt 80 Prozent von Bayern umfassen.

Die Unterscheidung ist wichtig, weil der Zukunftsrat der Politik empfohlen hatte, sich auf die Förderung sogenannter "Leistungszentren" zu konzentrieren. Darunter versteht er außer München und der Region Nürnberg/Fürth/Erlangen noch Augsburg, Ingolstadt, Regensburg und Würzburg. Ländliche Gebiete hätten demgegenüber das Nachsehen. Das hatte schon nach Veröffentlichung der Studie des Zukunftsrats scharfe Proteste hervorgerufen, auch bei der CSU-Basis auf dem Land. Mit einer solchen Politik werde man der Struktur Bayerns überhaupt nicht gerecht, monierten gestern Bocklet und Paesler unisono.

Wenn man sich schon auf "Leistungszentren" konzentrieren wolle, dann müsse man hier auch die großen Mittelstädte wie Aschaffenburg, Bamberg, Bayreuth, Kempten, Passau, Rosenheim und Straubing mit hereinnehmen. Schließlich seien auch zahlreiche Weltmarkt-Konzerne an eher kleineren Standorten in Bayern zu finden, sagte Bocklet, etwa BMW, Eurocopter, Adidas oder Schaeffler. Beide verwiesen auch auf den Auftrag der Verfassung, die gleichwertige Lebensverhältnisse im Freistaat verlange. Wenn davon ganze Regionen abgekoppelt würden, müssten die Bewohner dies als "zynisch" empfinden, sagte Paesler.

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