Süddeutsche Zeitung

Gutachten über Maßregelvollzug in Bayern:Aus dem Fall Mollath lernen

1170 Menschen waren im vergangenen Jahr nach Paragraf 63 in einer Psychiatrie untergebracht - so wie bis vor Kurzem auch Gustl Mollath. Nun haben die Grünen im Landtag ein Gutachten über den sogenannten Maßregelvollzug erstellen lassen - mit einem klaren Ergebnis.

Von Mike Szymanski

Als Konsequenz aus dem Fall des sechs Jahre lang gegen seinen Willen in der Psychiatrie festgehaltenen Gustl Mollath fordern die Grünen im Landtag rasche Reformen im Maßregelvollzug. Fraktionschef Martin Runge erklärte am Donnerstag im Landtag, durch Mollaths Schicksal sei die Politik "ganz stark auf Missstände" aufmerksam gemacht worden. Sie wisse viel zu wenig darüber, was mit den Menschen geschehe, wenn sie weggesperrt würden.

Mollath hatte Schwarzgeldvorwürfe gegen seine Frau erhoben und die Bank, für die sie arbeitete. Weil er gewalttätig geworden sein soll und ihm Gutachter einen Wahn attestierten, kamen Gerichte zu dem Ergebnis, er sei psychisch krank und von ihm gehe eine Gefahr für die Allgemeinheit aus. Er wurde auf Grundlage des Paragrafen 63 Strafgesetzbuch in die Psychiatrie eingewiesen. Erst nach jahrelangem Kampf erreichte er jetzt, dass er freikam und sein Fall wegen offenkundiger Fehler neu verhandelt werden muss.

Die Grünen haben beim Münchner Fachanwalt für Sozialrecht, Rolf Marschner, ein Gutachten zum Maßregelvollzug in Bayern in Auftrag gebeten. Marschner kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelungen "lückenhaft und defizitär" seien.

Es fehlten konkrete Vorschriften zu den Grundlagen und den Zielen der Unterbringung, zu finanziellen Angelegenheiten wie Taschengeld, Aus- und Weiterbildung und Patientenrechten. Mehr Therapieangebote würden gebraucht, sagte Marschner.

Wie Mollath waren nach dem 63er Paragrafen Ende 2012 in Bayern 1170 Personen untergebracht, knapp doppelt so viele wie vor 15 Jahren. "Es werden mehr Personen eingewiesen und weniger entlassen." Die Krankenhäuser seien teilweise überbelegt. Wer einmal eingewiesen sei, bleibe durchschnittlich für viereinhalb Jahre weggesperrt, berichtete Marschner.

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SZ vom 23.08.2013/infu
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