Grußformeln in Bayern:Habe die Ehre!

Ob "Grüß Gott", "Griaß Eahna", "Servus", "Pfüagod" oder "Hawedehre": Eigentümliche Grußformeln gehören zu Bayern wie Leberkäs und Wieskirche. Doch sie werden im Kern nicht mehr verstanden. Denn der Bayer will sich damit nicht abgrenzen oder einen religiösen Akt vollziehen, sondern nur eines: höflich sein.

Hermann Unterstöger

Wer ins Internet schaut, hat manchmal nicht weniger Spaß als einer, der in Hörweite eines Stammtisches sitzt, nicht mitreden und nichts verzehren muss und trotzdem einen guten Einblick ins Leben erhält. Auf gutefrage.net stellte ein gewisser Nibelheim im April 2008 die gute Frage, ob er in Bayern mit "Grüß Gott" zu grüßen habe, obwohl er "mit christlichem Glauben nichts am Hut" habe, und ob er sich auf sein "Guten Tag" hin mit einem "Bei uns hoast des aba Grrrrüß Gott" maßregeln lassen müsse.

Münchner Oktoberfest, 2007

Unwahrscheinlich, dass er Tach oder Tschüss sagt: Karl-Heinz Bauer lupft zur Abrundung des mündlichen Grußes seinen Tegernseer Filzhut.

(Foto: Robert Haas)

Da kam Stimmung in den digitalen Stammtisch. Hier einige der Statements, gerafft, mit User-Namen. ImGampi: Hat nichts mit Religion zu tun, und maßregeln geht anders. Nibelheim: Trotzdem will ich mir den Gruß nicht vorschreiben lassen. Baiana: Dann lass es und leb mit den Konsequenzen. Nibelheim: Es gibt aber keinen Gott, wieso sollte ich ihn also grüßen? Shira: Ich sage auf "Grüß Gott" immer: Mach ich, wenn ich ihn sehe. dock69: Bin auch ungläubig, habe mit "Grüß Gott" aber doppelt so gute Geschäfte gemacht wie ohne.

Wie in vielem anderen haben die Bayern auch in Fragen der Etikette den Bonus (oder Malus, wie man's nimmt), dass man sie für ein seltsames Bergvolk hält, dessen Sitten man zwar belächelt, aber schon der Urlaubsstimmung halber so rein wie möglich erhalten wissen will.

Das "Grüß Gott" spielt bei dieser Sicht auf Bayern eine wichtige Rolle, es steht durchaus auf gleicher Höhe wie der Zwiefache, der Leberkäs oder die Wieskirche. Wie wenig es im Kern verstanden wird, beweist der alte Kalauer, den sich auch Shira auf gutefrage.net nicht verkneifen konnte. Es ist ja keineswegs so, dass dabei ein Bayer dem anderen einen schönen Gruß an den lieben Gott mitgibt. Wie albern und müßig so ein Umweg wäre, sagt ihm sein seit der Gegenreformation gut trainierter metaphysischer Sinn.

Man sollte aber auch nicht unterstellen, dass der Bayer sein Gegenüber ständig von Gott grüßen - gemeint ist wohl: segnen - lässt. Dafür ist er, so gern das die Kirche vielleicht sähe, nun doch wieder nicht geistlich genug. Der religiöse Hintergrund ist zwar, sanft schimmernd, immer da, aber es findet bei diesem Gruß kein explizit religiöser Akt statt.

So sehr man das bedauern mag, so dicht ist dies Vakuum mit anderen, nicht weniger erfreulichen Inhalten gefüllt. Es menschelt dabei ganz deutlich, deutlicher jedenfalls als bei einem hingeworfenen "Hallo" oder einem von den Sommergästen ausgeborgten "Moin, moin".

"Konnst net griaßn, Saubua?"

Ein im alpenländischen Raum weit verbreitetes und beliebtes Volkslied schildert vergleichsweise gut, was es damit auf sich hat und welche Gefühlsbrünnlein dabei zu fließen beginnen: "Das Grüaß di Gott, das Grüaß di Gott, das hör i so gern, / aber beim Pfiat di Gott, aber beim Pfiat di Gott, da muass i glei rearn."

Sicherheitshalber sei angemerkt, dass rearn in diesem Kontext nicht etwa röhren heißt, sondern weinen, und zwar mit Inbrunst weinen, nicht nur schlecht gelaunt vor sich hintrenzn.

In der auf Stammeseigenheiten spezialisierten Witzfolklore wird den Bayern gern nachgesagt, dass sie grob und unhöflich seien. Als Klassiker dieses heiter verleumderischen Genres kennt man die Anekdote, in der ein Preuße einen Bayern auf schnoddrige Art fragt, ob er den Weg zum Hofbräuhaus wisse, woraufhin dieser "I scho!" sagt und weitergeht. Die Reaktion ist aber untypisch, jedenfalls für das Gros der Hiesigen. Allenfalls ist sie ein Beweis dafür, dass es auch bei den Seppln aus dem Wald nicht anders heraushallt, als man hineinruft.

Im allgemeinen bemüht sich der Bayer um Höflichkeit, tut vielleicht sogar, aus einem alten Unterlegenheitsgefühl heraus, des Guten zu viel. Dass man grüßt, und zwar unabhängig davon, ob man den anderen kennt oder nicht, gehörte seit jeher zu den Erziehungszielen, gegen die sich kein vernünftiger Grund namhaft machen ließ. Wo immer man als Kind grußlos eintrat, man konnte darauf bauen, dass einem ein "Konnst net griaßn?" entgegenschallte, das oft mit einem "Saubua" verbunden war und an Wucht den aus dem Beichtspiegel bekannten Sündenstrafen wenig nachgab.

Unabhängig davon, ob man in Bayern noch "Grüß Gott", "Griaß Eahna", "Servus", "Pfüagod" und "Hawedehre" sagt oder ob man schon auf "Tach", "Hallo" und "Tschüss" umgeschwenkt ist, muss man das Grüßen als solches zu den Kernelementen der Herzensbildung rechnen, zu den Soft Skills in Gottes Namen, wenn denn der Begriff der Herzensbildung schon zu weit weg sein sollte.

Das hat man oder nicht. Da gibt es zwischen Bayern und der übrigen Welt keinen Unterschied. Insofern sind auch Freundlichkeitsinitiativen wie die des Taufkirchener Bürgermeisters zwar gut gemeint, aber wohl vergebliche Liebesmüh.

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