Sepp Daxenberger erliegt Krebsleiden:"Servus, Sepp!"

"Eine Tragödie, die sprachlos macht": Der Krebstod des Politikers Sepp Daxenberger schockiert die bayerische Politik. Jetzt trauern nicht nur die Grünen um ihre Leitfigur. Ganz Bayern nimmt Anteil am Schicksal der Familie.

Katja Auer

Es ist gerade zwei Monate her, da stand Sepp Daxenberger selber an dieser Stelle. Vor dem Fraktionssaal der Grünen im fünften Stock, Landtag, Südbau. Da erklärte er seinen Rücktritt als Fraktionschef. Es war ein trauriger Tag, weil er es wegen seiner Krebserkrankung tun musste.

Sepp Daxenberger gestorben

Sepp Daxenberger ist tot. Der bayerische Grünen-Politiker erlag seinem Krebsleiden. Er hinterlässt drei Kinder.

(Foto: dpa)

Heute stehen Theresa Schopper und Ulrike Gote da. Es ist ein unfassbar trauriger Tag. Sepp Daxenberger hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Die Grünen trauern um ihre markanteste Figur. Aber vor allem trauern sie um einen Freund. "Er hat ein Herz g'habt wia a Bergwerk", sagt Theresa Schopper, die Landesvorsitzende der Grünen. "Servus, Sepp."

Fünf Jahre lang, bis Oktober 2008 standen die zwei zusammen an der Spitze der bayerischen Grünen. "Wir waren ein super Paar", sagt sie. Sepp, der Held der Bierzelte, und sie, die den Laden gemanagt hat. Durch nichts habe sich Sepp Daxenberger verbiegen lassen. "Er war einfach so, wie er ist, und aus."

Theresa Schopper stehen die Tränen in den Augen. Gleich muss sie nach Waging. Da wird an diesem Tag Daxenbergers Ehefrau Gertraud beerdigt. Sie ist vor drei Tagen gestorben, ebenfalls an Krebs. Zurück bleiben die drei Söhne. Was soll man sagen, angesichts dieses Schicksals? Ulrike Gote, die parlamentarische Geschäftsführerin, hofft, dass die Kinder Kraft finden werden. "Die Erinnerung an ihre Eltern, die vielen ein Vorbild waren, wird ihnen eine Hilfe sein."

Die Bundesvorsitzende Claudia Roth ist einfach "unendlich traurig", die Berliner Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin rühmen den "wertkonservativen Rebellen", der die Grünen in Bayern erst erfolgreich gemacht habe.

Dieter Janecek hat es im Urlaub erfahren, im Bayerischen Wald. Er folgte Daxenberger als Landeschef nach, vorher war er jahrelang sein engster Mitarbeiter. Janecek hat erlebt, wie der Krebs kam, 2003. Wie Daxenberger ihn erst ignorierte und dann kämpfte. "Diese unglaubliche Zuversicht, die er immer ausgestrahlt hat." Ein Vorbild sei Daxenberger für ihn gewesen, nicht nur politisch.

Die beiden kannten sich gut, zuletzt trafen sie sich Anfang Juli im Zug. Janecek war auf dem Heimweg von der Bundespräsidentenwahl, da stieg Daxenberger zu, irgendwo in Bayern. Es ging ihm schon nicht besonders gut. "Er hat sich immer an der Politik hochgezogen", sagt Janecek.

"Er hat sich an der Politik hochgezogen"

Im Landtag haben sie ihn geschimpft dafür, dass er nicht kürzertrat, seine Kräfte für die Politik verschwendete. Aber Daxenberger wollte das so. Politik als Therapie, so hat er es gesehen. "Ich zeige meinem Körper, dass ich keine Zeit habe für so was", hat er mal gesagt.

Daxenbergers Beliebtheit ging weit über seine Partei hinaus. Als er am Tag nach seinem Rücktritt im Plenum ans Rednerpult trat, da klatschten die Abgeordneten fraktionsübergreifend Beifall. Als am Mittwoch die Nachricht von seinem Tod bekannt wird, da bekunden Politiker aller Parteien ihr Beileid. Die Anteilnahme geht weit über die politische Korrektness hinaus. Bayerns Politiker sind zutiefst erschüttert.

"Was ihn von vielen unterschieden hat, war, dass ihm die Politik nichts anhaben konnte", sagt Landtagsvizepräsident Franz Maget von der SPD. "Er ist einfach so geblieben, wie er war." So kam Daxenberger gerne mit seinem gestrickten Janker ins Parlament, im Anzug mit Krawatte sah man in nur zu ganz besonderen Anlässen. "Er hat sich nicht glatt rasiert und auch seine politischen Einstellungen nicht glatt gebürstelt", sagt Maget.

Und seine Sprache. Daxenberger pflegte seine oberbayerische Mundart, "zum Leidwesen des stenographischen Dienstes". An eine Episode kann sich Maget noch gut erinnern. Es muss vor beinahe 20 Jahren gewesen sein, als Daxenberger zum ersten Mal in den Landtag gewählt wurde. Damals habe er noch deutlich wilder ausgesehen, erzählt Maget, und auch seine Aussprache sei noch rustikaler gewesen. Da habe Daxenberger ein besonders derbes Sprichwort in Richtung CSU-Fraktion gebraucht und die forderte eine Rüge vom Präsidenten Wilhelm Vorndran, ebenfalls CSU. "Liebe Kollegen, ich kann ihn nicht rügen, weil ich ihn gar nicht verstehe", habe dieser geantwortet.

Eine Ausrede, glaubt Maget, weil auch Vorndran Daxenbergers Direktheit gut gefallen habe. Die Nachricht von Daxenbergers Tod nennt Maget "verheerend und niederschmetternd - obwohl man schon lange weiß, dass die Krankheit so schwer war".

"Eine Tragödie, die sprachlos macht"

Betroffen zeigt sich Ministerpräsident Horst Seehofer: "Eine Tragödie, die sprachlos macht. " Daxenberger sei eine Persönlichkeit gewesen, "wie sie typischer für unser Land nicht sein könnte. Selbstbewusst, kantig, willensstark und dabei erfüllt von einer tiefen Liebe zu seiner oberbayerischen Heimat." - "Ein auch für Außenstehende kaum zu ertragendes Drama", nennt es FDP-Landeschefin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, dass Gertraud und Sepp Daxenberger innerhalb von drei Tagen dem Krebs erlagen.

Besonders verbunden fühlte sich Landtagspräsidentin Barbara Stamm ihrem Kollegen von den Grünen. Sie wusste, wie schwer sich Politik und Krankheit vereinen lassen, und hatte Daxenberger immer wieder im Landtag zur Seite genommen. "Er war ein bodenständiger, charismatischer, wertorientierter Mensch, der für seine Familie und Politik gelebt hat. Daraus hat er viel Kraft für seinen Kampf gegen seine schwere Krankheit geschöpft", sagt sie. Er habe sich die Wertschätzung des gesamten Parlaments erworben. "Sepp Daxenberger war ein Mensch, den man nur mögen konnte", sagt Hubert Aiwanger von den Freien Wählern.

Im Maximilianeum, Südbau, fünfter Stock, beginnt das Abschiednehmen. Im Besprechungszimmer S525 liegt ein Kondolenzbuch auf. Ebenso wie in der Grünen-Geschäftsstelle in der Sendlinger Straße in München. Der Besprechungstisch im Landtag steht jetzt am Fenster, eine grüne Tischdecke darauf, eine Kerze brennt, weiße Gladiolen, ein Foto aus besseren Tagen.

Ein paar Zimmer weiter, S511, ist Daxenbergers Büro. Da steht immer noch "Fraktionschef" auf dem Türschild. Ein Wahlplakat hängt an der Tür, Sepp Daxenberger lacht einen an: "Weiß-blaue Seele. Grünes Gewissen."

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