Süddeutsche Zeitung

Grenzübergreifende Zusammenarbeit:Bayerns Offensive für die Bergwelt

Der Freistaat hat zu Jahresbeginn bei der EU-Alpenstrategie den Vorsitz übernommen. "Eine historische Chance", sagt Umweltministerin Ulrike Scharf. Die SPD forderte mehr Mitsprache für Naturschützer - vergeblich

Von Matthias Köpf, Rottach-Egern

Acht Alpenstaaten und die Europäische Union haben sich in den 1990er Jahren nacheinander auf die Alpenkonvention und damit auf Ziele wie Naturschutz, zukunftsweisende Verkehrskonzepte und nachhaltige Entwicklung verpflichtet. Seither wechselt im zweijährigen Rhythmus die Präsidentschaft. Erst im Oktober ist sie von Deutschland auf Österreich übergegangen. Dafür hat zu Jahresbeginn das Bundesland Bayern von Slowenien den Vorsitz der neuen EU-Alpenstrategie übernommen. Zu dieser haben sich Ende 2015 sieben Alpenländer und 48 Regionen bekannt. Im Gegensatz zur Alpenkonvention fehlt dort nur Monaco. Die Ziele der "EUSALP" abgekürzten Alpenstrategie ähneln denen der Konvention, sind aber bisher alles andere als konkret.

Unter dem bayerischen Vorsitz soll sich das nun ändern. Die Staatsregierung hält sich zugute, einen wesentlichen Anstoß für die Alpenstrategie als Parallele zur schon länger etablierten Donaustrategie der EU gegeben zu haben. Europaministerin Beate Merk und Umweltministerin Ulrike Scharf haben zur Auftaktveranstaltung in Rottach-Egern am Tegernsee vorgestellt, welche politischen Schwerpunkte die Agenda bestimmen sollen. Demnach soll ein virtuelles 3-D-Landschaftsmodell des Alpenraums die Planungsprozesse verbessern. Forscher und Verkehrsbetriebe sollen über Landesgrenzen hinweg besser zusammenarbeiten, es soll gemeinsame Anstrengungen für eine duale Berufsausbildung in Schulen und Betrieben und "ein erhöhtes Engagement im ökologischen Wirtschaften" geben. Die schnellsten und konkretesten Ergebnisse dürften angesichts dieses Programms vom neuen Fotowettbewerb "Us and the Alps" zu erwarten sein. Unter dem Motto "Zeig mir Dein bestes Motiv!" können Teilnehmer über alle sozialen Netzwerke ihre Fotos einsenden.

Mit der EU-Alpenstrategie sende man "ein starkes Signal: Wir reden nicht nur, wir handeln", lässt sich Europaministerin Beate Merk zitieren. Dafür brauche man alle Akteure im Alpenraum einschließlich der einzelnen Bürger. "Wir in Bayern wissen: Ein starkes Europa wächst von unten nach oben", heißt es von Merk. Einen Vorstoß aus der SPD-Landtagsfraktion, der Freistaat solle auf ein formelles Beteiligungsverfahren für Verbände und Nichtregierungsorganisationen dringen, hatte die Mehrheit aus CSU und Freien Wählern aber 2016 im Europaausschuss des Landtags abgelehnt.

Umweltministerin Ulrike Scharf nannten den bayerischen Vorsitz der Alpenstrategie "eine historische Chance". Der Alpenraum solle "eine Musterregion für ein intelligentes Miteinander von Ökonomie und Ökologie werden". Es solle sich erweisen, dass es eine Zukunft für die Menschen in der Region sowie auch eine Zukunft für die Naturschönheiten der Alpen gebe. Und dass beides miteinander vereinbar sei.

Die EU-Alpenstrategie fasst ihr Zielgebiet um einiges weiter als die Alpenkonvention. Während sich diese auf die Gebirgsregion im engeren Sinn mit ihren gut 13 Millionen Einwohnern beschränkt, schließt der EU-Alpenraum zum Beispiel das viel dichter besiedelte Vorland nördlich und südlich des Gebirges und in Bayern beispielsweise auch den Großraum München und ganz Franken mit ein und kommt so auf insgesamt 48 Regionen mit zusammen 80 Millionen Menschen.

Die auf der Konferenz in Rottach-Egern vereinbarten EUSALP- Schwerpunkte sollen nun von neun "Aktionsgruppen" in konkrete Projekte umgesetzt werden. Dazu zählen nach Angaben der Staatsregierung etwa ein Forschungsprojekt namens "AlpSense". Hier sollen unter anderem Satelliten zur Überwachung von klimabedingten Naturgefahren wie Murenabgängen oder Hochwassern dienen. Anfang Oktober werden Umweltminister der beteiligten Staaten in München zusammenkommen. Für Ende November ist ebenfalls in München ein "Jahresforum" geplant, bei dem die Projekte öffentlich vorgestellt und diskutiert werden sollen.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2017
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