Grenzübergänge:Weniger Flüchtlinge in Bayern - das hat Folgen

Flüchtlinge

Im vergangenen November ein fast schon alltägliches Bild: Flüchtlinge gehen an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid während eines Schneeschauers nach Deutschland.

(Foto: dpa)
  • In Bayern kommen nur noch um die hundert Migranten am Tag an - das hat Konsequenzen:
  • Schulen bekommen ihre Turnhallen zurück. Oberbayern hat seine Notunterkünfte von 20 auf vier reduziert.
  • Für manche Kommunen hat das aber auch finanzielle Folgen, sie haben extra Unterkünfte angemietet, die jetzt unbesetzt bleiben.

Von Lisa Schnell

Christian Bernreiter kann sich erinnern, wie verzweifelt er im vergangenen Herbst war, als zu Spitzenzeiten 10 000 Flüchtlinge pro Tag über die bayerischen Grenzen kamen. Wie er sich als Landrat von Deggendorf und Präsident des Bayerischen Landkreistages Sorgen machte, dass sie frieren müssen im Winter, kein Dach über dem Kopf haben. Die Gemeinden beschlagnahmten Turnhallen, orderten Container aus Dubai, weil sie woanders keine mehr bekamen, überall schossen Traglufthallen und Zeltstädte aus dem Boden. Und jetzt, fünf Monate später, fragt sich so manche Kommune, was sie noch anfangen soll mit ihrer Traglufthalle.

Seit Mitte Februar überqueren pro Tag nicht mehr zwischen 5000 und 7000 Flüchtlinge die Grenzen zu Bayern, sondern zwischen 50 und 140. Die Kommunen können kurz durchatmen. "Der Druck ist ein bisschen aus dem Kessel", sagt der CSU-Politiker Bernreiter. Schulen bekommen ihre Turnhallen zurück. Die Bezirksregierungen fahren ihre Notfallpläne herunter. Oberbayern hat seine Notunterkünfte von 20 auf vier reduziert. Laut einem Sprecher des Sozialministeriums werden die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen dazu genutzt, Asylbewerber länger dort zu behalten. So sollen die Asylverfahren beschleunigt werden, da sie direkt in diesen Einrichtungen behandelt werden können.

Doch der Rückgang bringt auch neue Herausforderungen mit sich. Landrat Bernreiter etwa hat gerade erst eine Unterkunft angemietet für 350 Personen, die jetzt nicht gebraucht wird. Insgesamt 1430 Plätze gibt es in seinem Landkreis Deggendorf, nur 300 von ihnen sind derzeit belegt. Doch Unterkünfte wurden angemietet, Verträge unterschrieben. "Das System muss jetzt neu geordnet werden", sagt Bernreiter. Derzeit verschaffe sich das Sozialministerium einen Überblick. Ziel sei es, Unterkünfte, die längerfristig angemietet wurden, voll zu kriegen, Provisorien wie Turnhallen dagegen leer zu bekommen. Die vom Bund betriebenen Warteräume in Erding und Straubing, von wo aus die Flüchtlinge weiterverteilt werden sollten, werden aber weiterbetrieben, wenn auch mit weniger Personal. Ebenso ein ehemaliges Möbelhaus in der Grenzstadt Freilassing.

Im vergangenen Jahr drängten sich dort an manchen Tagen mehr als tausend Flüchtlinge, jetzt kommen von Salzburg manchmal nur zehn am Tag. Das sorgt bei manchen Einwohnern von Freilassing für Verwirrung. Sehen sie doch all die Sicherheitskräfte, die ein praktisch leeres Gebäude bewachen. Wer sich da als Steuerzahler nach dem Sinn fragt, für den hat Thomas Borowik von der Bundespolizei eine klare Antwort. "Es kann keiner garantieren, dass nicht bald wieder ein paar Hundert mehr kommen", sagt er. Die Bundespolizei zieht kaum Leute von der Grenze ab.

Die Beamten werden jetzt verstärkt für Grenzkontrollen eingesetzt. Denn seit die Balkanroute geschlossen ist, sind wieder mehr Flüchtlinge auf die Dienste von Schleusern angewiesen. Auch für die Kommunen gehe die Belastung trotz des Rückgangs der Flüchtlingszahlen weiter, sagt Landkreistagspräsident Bernreiter. Er rechnet mit etwa 300 Millionen Euro an Unterhaltskosten, die auf die Kommunen zukommen, wenn anerkannte Asylbewerber Hartz IV beantragen. Kommende Woche will er daher Kanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen davon überzeugen, die Kommunen zu entlasten.

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