Grenzregion:Österreichs Pläne lösen Besorgnis aus

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SPÖ-Kanzler Christian Kern will die Beschäftigung von Einheimischen staatlich subventionieren. Der Berchtesgadener CSU-Landrat Georg Grabner reagiert erbost: Das Vorhaben sei entlarvend und hinterfotzig.

Von Matthias Köpf, Tobias Ott und Lisa Schnell, München

Nach der Ankündigung von Österreichs Bundeskanzler Christian Kern, neue Arbeitsplätze für Menschen mit österreichischem Wohnsitz künftig mit einem "Beschäftigungsbonus" zu subventionieren, wächst im Grenzgebiet die Sorge vor einem neuen Gegeneinander. So kritisiert der Landrat des Berchtesgadener Landes, Georg Grabner (CSU), Kerns Vorhaben als "entlarvend" und "hinterfotzig". Der Bonus benachteilige Arbeitnehmer auf der deutschen Seite und entspreche nicht dem europäischen Recht. Die Staatsregierung reagiert bisher abwartend bis distanziert.

"Für die Leute in unserer Region ist das ohne Zweifel eine Hürde, was den Zugang zum gemeinsamen Arbeitsmarkt in der EU betrifft", schimpft Grabner. Kern will österreichischen Betrieben bei entsprechenden Neueinstellungen befristet 50 Prozent der Lohnnebenkosten erstatten. Zugleich veranstalte Österreich "ein riesiges internationales Gezeter" wegen der geplanten deutschen Autobahnmaut, sagt Grabner. Er sieht Kerns Plan trotz möglicher internationaler Verwicklungen als rein innenpolitisches Manöver, mit dem der SPÖ-Kanzler sich halb von der rechtslastigen FPÖ absetzen und sich ihr halb andienen wolle. Aus Grabners Sicht ist es Sache der deutschen Bundesregierung, Kerns Pläne zu durchkreuzen.

Für die bayerische Staatsregierung äußert sich Ministerpräsident Horst Seehofer zurückhaltend, weil er von Kerns Plänen noch nicht viel wisse. Es brauche aber ein Begrenzungs- und Steuerungsgesetz für die Zuwanderung nach Deutschland, in dem Kriterien für eine legale Einwanderung definiert werden müssten. "Mal schauen, ob die österreichischen Überlegungen so was wie vernünftige Kriterien sind", sagt Seehofer. Finanzminister Markus Söder legt sich auf eine vergleichsweise kühle Formulierung fest: "Arbeitnehmer, die in Bayern wohnen und in Österreich arbeiten, dürfen dadurch nicht benachteiligt werden."

Speziell aus dem Berchtesgadener Land oder dem Landkreis Traunstein pendeln sehr viele Menschen zur Arbeit ins nahe Salzburg. In der kleinen Grenzstadt Laufen etwa hat inzwischen etwa ein Fünftel der erwachsenen Einwohner einen österreichischen Pass, die meisten von ihnen arbeiten aber weiterhin jenseits der Grenze. Dass sie und ihre vielen Kollegen mit deutscher Staatsbürgerschaft nun wirklich alle um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen, weil österreichische Firmen wegen der neuen Förderung künftig lieber Arbeitnehmer mit dortigem Wohnsitz einstellen, glaubt der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch (CSU) jedoch nicht. In der Region gebe es kaum Arbeitslosigkeit, vielmehr mangele es auf beiden Seiten der Grenze eher an Fachkräften, sagt Walch, der Vizepräsident der EU-geförderten "Europaregion Salzburg-Berchtesgadener Land-Traunstein" ist.

Zu dieser haben sich kurz nach Österreichs EU- und Schengen-Beitritten im Jahr 1995 mehr als 100 Kommunen zusammengeschlossen. Die letzten Grenzkontrollen fielen dann 1998. Salzburg ist längst auch im bayerischen Landesentwicklungsplan als Oberzentrum für die gesamte Region definiert. Als Metropole mit ihren Betrieben und Verwaltungen zieht die Stadt deutlich mehr Pendler an, als von dort in die beiden vergleichsweise ländlich strukturierten bayerischen Landkreise kommen. Exakte Zahle gibt es aber weder für die Region noch für ganz Bayern.

Der gesamte Wirtschaftsraum sei mittlerweile jedenfalls sehr eng verflochten, niemand habe mehr in Grenzen gedacht, sagt EU-Regio-Vizepräsident Walch, der die neue Entwicklung erklärtermaßen gelassen sieht. Die bayerische Seite müsse nur verhindern, dass Österreich neue Unternehmensansiedlungen im größeren Stil auf seine Seite ziehe, wie es mit der Liberalisierung und Deregulierung der schwarz-blauen Regierung seit dem Jahr 2000 geschehen sei. "Das darf uns nicht mehr passieren", warnt Walch.

Etwas weiter westlich bewegen sich zwischen dem Allgäu und dem österreichischen Tirol nicht nur Touristen ungehindert hin und her. Auch Grenzgänger sind in großer Zahl unterwegs. Steuern, Sozialversicherung und die Anzahl der Heimfahrten spielen beim Grenzpendeln in die Alpenrepublik eine wesentliche Rolle. Nach EU-Definition kommt ein Grenzgänger täglich, mindestens aber einmal die Woche nach Hause in den sogenannten Wohnsitzstaat. Das grenznahe Krankenhaus Reutte in Tirol beschäftigt etwa 20 Mitarbeiter mit deutschem Wohnsitz. Ärzte und Pflegepersonal arbeiten oft seit Jahren für das österreichische Gesundheitssystem und pendeln etwa aus der Ostallgäuer Stadt Füssen zur Arbeit in die Tiroler Klinik. Als öffentlicher Betrieb sei es für das Krankenhaus vorrangig, eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten - auch mit Personal aus Bayern, heißt es aus Reutte.

Im Allgäu und in Tirol kämpfen viele Betriebe mit einem Mangel an gut ausgebildeten Mitarbeitern. Um deutsche Fachkräfte zu werben, veranstaltet die Arbeiterkammer Reutte regelmäßig Informationsabende für potenzielle Grenzgänger. 45 Interessierte nahmen zuletzt daran teil. Den grenzüberschreitenden Beschäftigungen komme gerade im Bezirk Reutte ein hoher Stellenwert zu, hieß das Resümee der Veranstalter. Zum politischen Vorstoß von SPÖ-Kanzler Kern will sich die Arbeiterkammer aktuell nicht äußern.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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