Süddeutsche Zeitung

Ein Jahr Grenzkontrollen:Ein zurückgewiesener Migrant alle 24 Tage

  • Seit einem Jahr gibt es die bayerische Grenzpolizei, die illegale Einreisen verhindern soll.
  • Sie hat in dieser Zeit 26 000 Straftaten, Verkehrsdelikte und Fahndungstreffer festgestellt - Flüchtlinge sind kaum dabei.
  • Bei den Kontrollen direkt an der Grenze wurden 34 Menschen aufgegriffen, die unerlaubt einreisen wollten. 15 von ihnen wurden nach Österreich zurückgewiesen.

Von Matthias Köpf

Erst am Donnerstag hatten die Polizisten am Autobahngrenzübergang bei Kiefersfelden wieder das richtige Gespür: Sie zogen einen Transporter mit ungarischem Kennzeichen zur Kontrolle heraus, und prompt fand sich im Handschuhfach eine Griechische Landschildkröte, die international geschützt ist und nicht einfach ohne Papiere einreisen darf. Neben vielerlei Fahndungstreffern und gelegentlichen Aufgriffen von Schleusern oder illegalen Migranten kommuniziert die Bundespolizei auch kleinere Erfolge wie diesen. Bei den Kontrollen an der A 93 sowie der A 8 bei Bad Reichenhall und an der A 3 bei Pocking steht ihr die bayerische Grenzpolizei zur Seite, und auch die zog am Freitag nicht ihre erste "Erfolgsbilanz". Zum einjährigen Bestehen der Einheit gab es aber besonderes Lob von der Staatsregierung.

Während die Grünen Anfang Mai eine Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen den Aufbau der Grenzpolizei eingereicht haben, weil der Grenzschutz ausschließlich Aufgabe des Bundes sei, nannte Innenminister Joachim Herrmann die Grenzpolizei am Freitag "wichtig und unverzichtbar". Dies belegten mehr als 26 000 im ersten Jahr von ihr festgestellte Straftaten, Verkehrsdelikte und Fahndungstreffer. Ministerpräsident Markus Söder nannte die Grenzpolizei und ihre Schleierfahndung "bayerische Vorbilder für ganz Europa". Die Staatsregierung werde "diesen Kampf gegen Schlepper, Schleuser und grenzübergreifende Kriminalität" fortsetzen und verstärken. Zu den anfangs 500 und derzeit 600 Grenzpolizisten sollen jedes Jahr 100 weitere hinzukommen, bis 2023 eine Stärke von 1000 Beamten erreicht ist. Zumindest die ersten Grenzpolizisten waren keine zusätzlichen Beamten, sondern wurden von anderen Dienststellen ins Grenzgebiet zu der neuen Einheit versetzt.

"Unser Ziel ist, Kriminelle schon in Grenznähe abzufischen und sie nicht unkontrolliert ins Landesinnere zu lassen", betonte Söder. Im ersten Jahr stieß die Grenzpolizei bei der Schleierfahndung im Hinterland auf mehr als 13 000 gesuchte Gegenstände und Personen, darunter 750 Menschen, gegen die ein offener Haftbefehl vorlag. Mehr als 3000 Mal hatte sie es mit Rauschgift zu tun, gut 900 Mal mit Waffen und rund 2000 Mal mit gefälschten Dokumenten. In gut 4800 Fällen ging es um Verkehrsdelikte. Die illegale Zuwanderung, die Anlass und Begründung für den Aufbau der Grenzpolizei gegeben hatte, spielt in deren Alltag nur eine untergeordnete Rolle. So ertappten die Fahnder binnen eines Jahres 66 mutmaßliche Schleuser und knapp 1400 Menschen, die unerlaubt eingereist waren. Zusammen liegen all diese Zahlen laut Innenministerium um 13 Prozent über der Bilanz der Schleierfahnder in den zwölf Monaten zuvor - damals noch nicht als Grenzpolizei.

Eigenständige, aber mit der Bundespolizei abgesprochene Kontrollen direkt an der Grenze gab es im ersten Jahr 362. Dabei wurden 34 Menschen aufgegriffen und der Bundespolizei übergeben, die 15 von ihnen nach Österreich zurückwies. "Alle 24 Tage ein Treffer" errechnet daraus die grüne Fraktionschefin im Landtag, Katharina Schulze. "Dafür braucht es keine Bayern-Grenzer." Mit Ergebnissen der schon immer durchgeführten Schleierfahndung verschleiere die Staatsregierung diese "magere Ausbeute". Der Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft begrüßte die angekündigte bessere Ausstattung mit Beamten und Technik. Kritik übte der Landesvorsitzende Rainer Nachtigall aber an den festen Kontrollen an wenigen Übergängen. Deutlich sinnvoller sei die Schleierfahndung, wie sie sich seit Jahrzehnten bewährt habe.

Die Kontrollen an den Autobahnen führen oft zu langen Staus auf österreichischer Seite und zu verkehrspolitischen Grenzscharmützeln. So will Tirol nun auch bei Kufstein Ausfahrten zeitweise für den Durchgangsverkehr sperren wie zuvor schon anderenorts an der Brennerroute. Auch die Salzburger Landesregierung hatte angekündigt, Stauvermeider komplett über den engen Berchtesgadener Talkessel nach Deutschland zu leiten. Der Landkreis Berchtesgadener Land hatte seinerseits Vorkehrungen getroffen, die Autos gleich wieder Richtung Salzburg zurückzuschicken. Beide Pläne bleiben vorerst in der Schublade, weil an der A 8 bis Ende Juli nun eine dritte Spur für flüssigeren Verkehr gebaut werden soll.

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SZ vom 29.06.2019/axi
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