Der Schwarzenberg ist ein kleiner Buckel mit einer gigantischen Aussicht. Denn unten am Schwarzenberg erstreckt sich eine riesige Steppenlandschaft. Viele Kilometer weit wechseln sich herbstlich braune Grasflächen mit kahlem Brachland und rohem, aufgerissenen Erdreich ab.
Dahinter breitet sich sattgrün der Ginster aus, im Sommer lassen seine Blüten das ganze Gebiet strahlend gelb leuchten. Mitten drin liegen dunkle Weiher. Einige Bäche durchziehen das Gelände. Der Steppenlandschaft ist so einmalig, dass sie auch die bayerische Serengeti genannt wird. Sie liegt in der Oberpfalz, mitten im Truppenübungsplatz Grafenwöhr.
Ulrich Maushake, 59, markante Stimme, silberne Eicheln auf den Schulterklappen des grünen Diensthemds, steht oben auf dem Schwarzenberg. Der Niedersachse, der ein sehr akkurates Hochdeutsch spricht, ist Chef des Bundesforstbetriebs Grafenwöhr und zuständig für die Natur auf dem Truppenübungsplatz.
Er ist einer der wenigen Leute, die in jeden Winkel des Geländes hineindürfen. Es ist militärisches Sperrgebiet. Für Zivilisten herrscht Betretungsverbot. "Hier bei uns streifen gut 7000 Stück Rotwild umher", sagt Maushake. "Wir haben Rudel mit 200 und mehr Tieren." Die US-Soldaten, die hier üben, nennen das Militärgelände deshalb "Deer Heaven", Himmel der Hirsche.
Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist ein Naturjuwel. Schon von der Größe her nimmt er es mit jedem Nationalpark in Deutschland auf. Mit 23 000 Hektar Fläche ist er fast so groß wie der Nationalpark Bayerischer Wald. Auch in punkto Artenvielfalt ist Grafenwöhr einem Nationalpark ebenbürtig. 3000 Tier- und Pflanzenarten sind hier dokumentiert, darunter 800 Rote-Liste-Arten.
Zu den spektakulärsten Tieren zählt gewiss das Wolfspaar, das vor einem Jahr zugewandert ist. Noch weiß keiner, ob es Welpen bekommen hat, sie haben sich bisher nicht gezeigt. Maushake, dessen Förster das Wolfspaar immer mal wieder bei der Jagd auf Hirsche beobachten, ist zuversichtlich. Auch Seeadler leben auf dem Truppenübungsplatz. Bisweilen thronen die mächtigen Greifvögel majestätisch auf den Panzerwracks, die in der Landschaft herumstehen. Drei Seeadlerpaare brüten in Grafenwöhr - so geballt trifft man sie in keiner anderen Region Bayerns an.
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In der Impact Area Alpha herrscht die allermeiste Zeit Jagdruhe. Deshalb äsen dort riesige Rudel.
Bild: Bundesforstbetrieb Grafenwöhr -
Die Tiere sorgen dafür, dass die Graslandschaft für die übenden Soldaten kurz gehalten wird.
Bild: Bundesforstbetrieb Grafenwöhr -
Der Seeadler ist eine der spektakulärsten Tierarten auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Auf dem Militärgelände leben drei Paare.
Bild: Bundesforstbetrieb Grafenwöhr -
3000 Tier- und Pflanzenarten wurden auf dem Militärgelände dokumentiert.
Bild: Bundesforstbetrieb Grafenwöhr -
Vor einem Jahr ist ein Wolfspaar zugewandert.
Bild: Bernd Thissen/dpa -
Die Rohrdommel ist ein unscheinbarer schwarz, gelbbraun und weiß gefiederter Vogel, der es sumpfig braucht.
Bild: imago stock&people -
Selten: Außerhalb des Truppenübungsplatzes gibt es fast nirgends mehr Gelbbauchunken (links).
Bild: privat
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Andere Arten sind weniger spektakulär, aber ebenfalls sehr eindrucksvoll. Die Große Rohrdommel etwa, ein unscheinbarer schwarz, gelbbraun und weiß gefiederter Vogel, der es sumpfig braucht. Auf dem Truppenübungsplatz lebt ungefähr die Hälfte des Bestands in Bayern. Ähnliches gilt für die Heidelerche, die Mopsfledermaus, den Hochmoorlaufkäfer und die Knoblauchkröte. Unter den Pflanzen gibt es sogar welche, die sonst nirgends im Freistaat dokumentiert sind, das kleine Knorpelkraut etwa.
Stellt sich die Frage, Militär und Naturschutz - wie geht das zusammen? Denn in Grafenwöhr üben tagein, tagaus Tausende US-Soldaten, die Bundeswehr und andere Nato-Einheiten. Sie feuern herum, was das Zeug hält. Von Hubschraubern und Kampfbombern aus, mit Panzern, Kanonen und Maschinengewehren. Und zwar nicht nur mit Übungsmunition. Sondern auch scharf. Die bayerische Serengeti ist für die Militärs die "Impact Area Alpha", das zentrale Zielgebiet, das aus allen Himmelsrichtung unter Beschuss genommen wird.