ArtenschutzWarum der Waldrapp am  Golfplatz gefährlich lebt

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Zwei Waldrappe auf eine Wiese bei Burghausen in Oberbayern.
Zwei Waldrappe auf eine Wiese bei Burghausen in Oberbayern. (Foto: Sebastian Beck)

In ihrem Trainingslager Oberbayern wird das seltene Federvieh zum Zugvogel ausgebildet, eine Eigenschaft, die ihm im Zoo abhandengekommen ist. Bald soll es wieder losgehen in Richtung Süden. Doch die Reise ist nicht ohne Risiken.

Glosse von Matthias Köpf

Das Risiko, von einem Hai gefressen zu werden, wird oft mit der Chance verglichen, im Lotto sechs Richtige zu tippen. Eins von beiden wird wohl viel wahrscheinlicher sein, vermutlich das mit dem Lotto. Und die Gefahr, beim Abstauben von der Trittleiter zu fallen, ist natürlich noch viel größer. Einem Waldrapp kann das aber alles egal sein.

Für ihn ist die Wahrscheinlichkeit in diesen drei und in vielen anderen Fällen praktisch null – so lange nicht auch noch Menschen im Spiel sind. Wenn doch, dann wird es schon gefährlicher. Neulich ist zum Beispiel einer von den ebenso seltenen wie seltsamen Vögeln einfach abgeschossen worden. Nicht mit einem Gewehr, was etwa in Italien immer wieder vorkommt. Sondern mit einem Golfball.

Diesen außerordentlichen Pechvogel hat es auf einem Golfplatz bei Hallein gleich hinter in der bayerisch-österreichischen Grenze getroffen. Dem Golfer hat der Waldrapp womöglich ein Birdie oder gar einen Eagle versaut, aber der wird schon damit leben können. Doch der Vogel ist tot. Wenigstens war er Mitglied einer sesshaften Kolonie in Oberösterreich und keiner von den 31 Waldrappen, die gerade in ihrem Trainingslager am Tachinger See in Oberbayern mit großem Aufwand auf den Abflug nach Süden vorbereitet werden.

Bei dieser fast buchstäblichen Fortbildungsmaßnahme werden Waldrappe zu jenen Zugvögeln erzogen, die ihre Vorfahren mal gewesen sind. Mangels entsprechend erfahrener Vorfahren wird den Vögeln jetzt eben vorgeflogen, mit menschlichen Bezugspersonen unter einem motorisierten Gleitschirm, denen sie in den Süden folgen. Mitte August soll es wieder losgehen Richtung Andalusien.

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Dabei hätten es die Waldrappe recht bequem im bayerischen Burghausen. Dort wohnen sie mit bestem Burgblick in Brutnischen am Pulverturm. Seit dem Frühjahr gibt es dort sogar Waldrapp-Attrappen, die scheinbar selber brüten und so die echten Vögel dazu animieren sollen. Die waren zur Landesgartenschau 2004 hier angesiedelt worden und lassen sich seither als Exoten bestaunen. Dabei waren Waldrappe mal weit verbreitet in Süd- und Mitteleuropa, bis Anfang des 17. Jahrhunderts der letzte davon aufgegessen war.

Noch etwa 2000 Waldrappe leben derzeit in Zoos. Solche teils freiwillig sesshaften Zootiere sind auch die Ahnen der an sechs Orten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien wieder angesiedelten Exemplare. Zusammen genommen gibt es dort derzeit rund 250 Tiere, was die Wahrscheinlichkeit noch einmal deutlich verringern sollte, dass eins davon einem Golfball zum Opfer fällt.

Ein solcher Tod lauert für die Waldrappe nämlich sonst erst am Ziel. Dort in Andalusien ist es oft so heiß und trocken, dass es auf den ausgedorrten Agrarflächen nichts zu picken gibt. Dann doch lieber auf den bestens gewässerten Golfplatz. Und dort, so heißt es vom menschlichen „Waldrappteam“, gehörten Golfbälle für die Vögel zu den am häufigsten dokumentierten Todesursachen.

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