Zuerst fragten sich alle nur, warum in Manching bei Ingolstadt Internet und Telefon ausgefallen waren. Dann öffneten sie im Kelten-Römer-Museum die Türen und entdeckten das Unglaubliche: Ihr Keltenschatz, 483 historische Goldmünzen, war weg, gestohlen. Und so langsam wurde klar: Das war kein Störfall der Telekom, das war ein akribisch geplanter Einbruch.
Wie lief der Einbruch ab?
Am 22. November 2022, um 00.31 Uhr kappten die Diebe in einem Verteilerhäuschen der Telekom Glasfaser- und Kupferkabel. So steht es in der Anklageschrift, die der SZ vorliegt. Rund 13 000 Haushalte in der Region waren nun ohne Internet und Telefon, die Alarmanlage des Manchinger Kelten-Römer-Museums wurde lahmgelegt. Um sicherzugehen, dass der Mobilfunk völlig unterbrochen ist, platzierten die Diebe am Museum noch einen Störsender. Um 1.26 Uhr brachen laut Anklage zwei der vier Männer eine Fluchttür des Museums mit zwei Brecheisen auf. Zwei weitere sollen draußen Wache gehalten haben.

Die Eindringlinge gingen in den ersten Stock, brachen eine weitere Tür auf und machten sich an die in den Boden eingelassene Vitrine, hinter der der Goldschatz lag. Sie konnten das Glas offenbar nicht zerbrechen, aber es aushebeln. Danach entwendeten sie aus einer anderen Vitrine drei weitere Goldmünzen. Um 1.34 Uhr trugen sie ihre Beute nach draußen. Sie brauchten höchstens neun Minuten.
Warum dauerte der Einbruch nicht mal neun Minuten?
Für das Aufstemmen von zwei Türen brauchten die Diebe laut einem Protokoll der Polizei weniger als fünf Minuten. Schon kurz nach dem Einbruch kritisierten Sicherheitsexperten, dass die Türen nicht dick genug gewesen seien im Kelten-Römer-Museum. Recherchen der SZ zeigten zudem, dass der vom Museum beauftragte Sicherheitsdienst sehr wahrscheinlich auch dann Alarm hätte schlagen müssen, wenn die Alarmanlage lahmgelegt ist. Alarmanlagen senden üblicherweise in kurzen Abständen ein Signal, bleibt dieses aus, geht beim Sicherheitsdienst eine Störmeldung ein. Und so eine Störmeldung ist laut Experten ein guter Grund, um mal nachzusehen, ob im Museum alles in Ordnung ist. All das aber passierte nicht.

Die Diebe konnten unbemerkt fliehen, erst Stunden später, als das Museum regulär öffnete, wurde der Diebstahl entdeckt. Wie die Diebe aussahen, war trotz der 15 Kameras im Museum nicht zu ermitteln. Keine von ihnen nahm auf, die Technik war zu alt.
Wie konnten die mutmaßlichen Diebe am Ende doch verhaftet werden?
Die DNA-Spuren, die von der Polizei am Tatort genommen wurden, erzielten einen sogenannten „Spur-Spur-Treffer.“ Das bedeutet, dass die DNA zwar keiner Person zugeordnet werden kann, aber sie wurde schon bei anderen Einbrüchen gefunden. Die Ermittler durchforsteten nun alle Akten der Einbrüche, bei denen die DNA schon mal aufgetaucht war, so konnte es die SZ anhand von Gesprächen rekonstruieren. Sie fanden heraus, dass die Diebe offenbar immer ähnlich vorgingen: Sie trugen schwarze Ganzkörperanzüge, Sturmhauben und kappten vor dem Einbruch die Telefon- und Internetverbindungen.
Schnell war klar, dass es keine Verbindung zu dem sogenannten Remmo-Clan gibt, der für den Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden und den Einbruch im Bode-Museum in Berlin verantwortlich gemacht wird. Die Vorgehensweisen sind zu unterschiedlich.
Ein Treffer gelingt woanders: Bei einem Einbruch in Nordrhein-Westfalen, der genau dem Muster der Diebesbande entsprach, wurde ein Mann genannt, 42 Jahre alt, aus Schwerin. Am Ende konnten die Ermittler vier Männern aus Schwerin und Berlin dadurch insgesamt 30 Einbrüche zuordnen, die von 2014 bis 2022 in ganz Deutschland und teilweise in Österreich verübt wurden. Der letzte von ihnen ist der in Manching.

Was wird den Angeschuldigten vorgeworfen?
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat die vier Männer zwischen 43 und 52 Jahren wegen schweren Bandendiebstahls und versuchten schweren Bandendiebstahls angeklagt. Bei einem von ihnen wurde laut Anklageschrift außerdem eine halbautomatische Waffe gefunden, für die er keine Erlaubnis hatte. Zudem wird ihnen Sachbeschädigung und gemeinschädliche Sachbeschädigung vorgeworfen. Mit letzterem wird geahndet, dass sie mit dem Goldschatz von Manching nicht nur Gold gestohlen haben sollen, sondern einen Gegenstand der Kunst und Wissenschaft, wie es im Gesetz heißt. Fast acht Millionen Euro will die Staatsanwaltschaft von den Angeklagten einziehen. So hoch dürfte also der Schaden sein, der durch ihre Einbrüche entstanden ist.
Wo ist der Goldschatz?
Einer der Männer soll laut Anklage 72 Goldmünzen zu 18 Goldklumpen eingeschmolzen haben. Ein Teil des Keltenschatzes ist also für immer verloren. Wo die restlichen historischen Münzen stecken, ist unbekannt.
Wie wertvoll ist der Goldschatz?
Der Goldschatz von Manching stammt aus der Zeit 100 Jahre vor Christus und ist der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts. Er umfasst 483 Goldmünzen, einen Goldgusskuchen und wiegt 3,7 Kilogramm. Der Handelswert wird auf etwas mehr als 1,5 Millionen Euro geschätzt, der Wert für die Wissenschaft ist unermesslich. Dass es Goldgusskuchen dieser Art gab, sei zuvor nicht bekannt gewesen, heißt es etwa in der Anklageschrift. Zudem hätten anhand der Münzprägungen Vergleiche gezogen werden können zu anderen Prägungen dieser Zeit.