Süddeutsche Zeitung

Goldbach in Franken:Bürger verteidigen Claudia Roth gegen Nazi-Attacken

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Vier Männer versuchen, einen Auftritt der Grünen-Politikerin in Goldbach zu stören. Ein Gemeinderat wird durch einen Faustschlag verletzt

Von Dietrich Mittler, München

Mit ausländerfeindlichen Parolen und roher Gewalt haben im unterfränkischen Goldbach vier Männer versucht, eine Informationsveranstaltung mit der Grünen-Politikerin Claudia Roth zu sprengen. Roth war eingeladen worden, um über das Thema Asyl zu sprechen und hatte am Montagabend gerade mit ihrem Beitrag begonnen, als die vier Störer zu pöbeln anfingen und Transparente hochhielten - unter anderem mit der Aufschrift "Schluss mit der Flüchtlingslüge. Goldbach sagt nein". Als die Störer von den anderen Veranstaltungsgästen des Saales verwiesen wurden, schlug einer der vier mit der Faust zu. Er verletzte dabei einen Gemeinderat der Freien Wähler im Gesicht.

Mittlerweile hat das für den Staatsschutz zuständige Kommissariat der Kriminalpolizei Aschaffenburg die Ermittlungen aufgenommen. "Wir werden uns mit Sicherheit nicht von solchen rechtsradikalen Umtrieben vereinnahmen lassen", sagte am Dienstag der Goldbacher Bürgermeister Thomas Krimm (Freie Wähler). Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass die vier Männer im Alter zwischen 30 und 45 Jahren der NPD zuzuordnen sind. Bei der Veranstaltung im katholischen Pfarrheim "Effata" seien Flyer der NPD in den Saal geworfen worden. "Die Identität der vier Beteiligten steht aber noch nicht fest", teilte die Polizei am Dienstagnachmittag mit. Allerdings ist die Veranstaltung von der Reporterin eines Lokalsenders gefilmt worden. Die Aufzeichnungen sollen zur Identifizierung der Täter beitragen.

Bereits im Januar waren in Goldbach - dort wird durchaus leidenschaftlich über die weitere Unterbringung von Asylbewerbern diskutiert - fremdenfeindliche Flyer aufgetaucht. "Das ist aber eigentlich nicht Goldbach", sagt Alexandra Fuchs, die Vorsitzende der dortigen Freien Wählergemeinschaft. Es sei rätselhaft, wer die Flyer in Umlauf gebracht habe. Auch Bürgermeister Thomas Krimm hebt hervor: "Die Integration läuft hier so was von rund." Die 40 Asylbewerber, die aktuell in der Marktgemeinde leben, seien voll integriert. "Die gehören hier zum Ortsbild, sie sind zum Beispiel im Männer-Sängerkranz aktiv. Sie besuchen den sonntäglichen Gottesdienst und sind bei öffentlichen Veranstaltungen als Helfer tätig." In den Vereinen seien sie ebenfalls willkommen. "Wir haben jetzt erst 150 Jahre Gesangsverein Harmonie gefeiert, da waren die Asylbewerber auch beim Zeltauf- und abbau mit dabei", sagt Bürgermeister Krimm.

Im Herbst soll in unmittelbarer Nähe zum Kindergarten eine neue Asylunterkunft eröffnet werden. Anfangs, als dieses Projekt in Goldbach angekündigt wurde, seien bei Anwohnern durchaus Befürchtungen und Ressentiments hochgekocht: "Wenn die alleinstehenden Asylbewerber da sind, können sich die Frauen und die Kinder nicht mehr draußen sehen lassen", solche Sätze bekam Krimm zu hören. Das habe sich geändert: "Einige, die zuvor Vorurteile hatten, unterstützen jetzt sogar die Arbeit unserer 65 ehrenamtlichen Asylhelfer. Oder sie sagen zumindest, sie hätten ihre Meinung total revidieren müssen", sagt Krimm. Was die rechtsradikalen Umtriebe betrifft, so haben manche Goldbacher eine Ahnung. "In unserer Region haben wir so eine Zelle der Rechten, das wissen wir auch", sagt der Bürgermeister.

Am Montag zeigten die im Pfarrheim erschienenen Gäste jedenfalls, dass sie damit nichts zu tun haben wollen. Sie skandierten "Nazis raus". Claudia Roth ist beeindruckt: "Die Situation war schon bedrohlich, aber die Leute haben klar gezeigt dass sie das nicht wollen." Und mehr noch: "Gäste, die mir zuhören wollten, haben denen die Transparente weggenommen. Jemand hat sogar ein Transparent aus dem Fenster geworfen", sagt Roth. Auch Menschen, die ihr politisch nicht nahestünden, hätten sich "als Zivilgesellschaft" für einen freien Meinungsaustausch stark gemacht.

Die Störer hatten Roth zuvor als "Lügnerin, Hetzerin und Betrügerin" beschimpft. "Vielleicht haben die gedacht, sie kriegen Unterstützung im Raum", sagt Roth. Die Goldbacher aber hätten sie "hinauskomplimentiert".

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Quelle:
SZ vom 08.07.2015
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