Bayern:Wenn sich der Gemeinderat zur Superspreader-Sitzung trifft

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Nicht alle Räte sind für hybride Sitzungen, bei denen die Teilnehmer nur in den Sitzungssaal zugeschaltet werden.

(Foto: dpa)

Weil das in Gmund am Tegernsee ziemlich genau so abgelaufen ist und nun die Hälfte der Mitglieder in Quarantäne steckt, könnte man sich womöglich auch dort bald mit Online-Sitzungen anfreunden.

Glosse von Matthias Köpf

Wäre die Gemeinderatssitzung von Gmund am Tegernsee eine antike Tragödie, wofür einiges spricht, dann hätten die Götter nach den Gesetzen des Genres die Gmunder Gemeinderäte für deren Hybris bestraft. Doch trotz aller Indizien: Ratssitzungen sind keine antiken Tragödien. Dafür sind sie meist viel zu langweilig, und allein deswegen sind sie übrigens auch keine Komödien. Die Ratssitzung in Gmund Ende April sowieso nicht. Denn in deren Folge befindet sich inzwischen schon eine absolute Mehrheit von zwölf Gemeinderäten samt ebenso vielen Angehörigen mit Corona-Infektionen in Quarantäne.

Offenbar saß da nämlich auch das Virus mit im Saal, und zwar ebenfalls ohne Maske und auch nicht bloß als Zuschauer wegen des neuen Bike-Parks. Den Rest haben dann weder die Räte selbst noch gar die Götter beschlossen. Das Landratsamt Miesbach lässt nun außerdem prüfen, ob da "gegen geltende Regelungen verstoßen wurde und welche Konsequenzen dies nach sich zieht".

Um Hybris, also um Überheblichkeit und Anmaßung, wird es dabei wohl nicht vorrangig gehen. Obwohl viele Stadt- und Gemeinderäte der durchaus anmaßenden Mehrheitsmeinung sind, dass man zu den eigenen Sitzungen trotz Pandemie schon persönlich zusammenkommen müsse, während die meisten anderen daheimbleiben und sich mit Bildschirmen begnügen sollen.

Dabei gäbe es für die Kommunen seit März eine Lösung, die mit der Hybris sogar den Wortstamm teilt: Bei den sogenannten Hybridsitzungen muss mindestens der oder die Vorsitzende im Saal sein, alle anderen können sich online zuschalten. Nur nutzen die Kommunen diese Möglichkeit nach Angaben des Bayerischen Gemeindetags bisher nur sehr vereinzelt. Die meisten wollen sich die nötige Technik sparen oder rechtliche Bedenken haben, ob online jeder allem folgen, sicher abstimmen oder sich womöglich der Abstimmung entziehen kann.

Dass nicht alle Räte immer auf der Höhe der Debatte sind oder eine Abstimmung durch taktische Toilettengänge vermeiden, lässt sich aber auch direkt im Saal oft genug beobachten. Und selbst wenn die Pandemie doch mal erledigt sein sollte: Das Beharren auf dem Beieinanderhocken wird irgendwann vielleicht nicht unbedingt tragisch anmuten. Aber antik.

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