Glücksspiel:Verlierer dringend gesucht

Roulette im Spielcasino, 2005

Die Spielbank von Bad Wiessee ist eine von drei Spielbanken in Bayern, die schwarze Zahlen schreibt.

(Foto: Gerhard Blank)
  • Sechs von neun Spielbanken in Bayern machen Verluste, das Defizit wird mittels Steuereinnahmen beglichen.
  • Seit Jahren sinkt die Nachfrage. Das liegt unter anderem an der Konkurrenz durch Online-Glücksspiele und der niedrigeren Altersgrenze im Ausland.
  • Mit "Ladys-Nights", Freibier und anderen Aktionen versuchen die Casinos nun, wieder mehr Besucher anzulocken.

Von Johann Osel, Bad Füssing

Heute gibt es Freibier in der Spielbank Bad Füssing, ein Gläschen malziges Starkbier pro Gast, passend zur Fastenzeit. Dazu Brote mit Obazdn. Wohlfühlen sollen sich die Besucher hier, nicht nur schnöde zocken, das ist die Devise der neun staatlichen Spielbanken in Bayern. Gleich neben dem Roulettetisch wird im Casino-Restaurant gespeist, die Kulturbühne im Haus bietet Konzerte und Lesungen an. Von der "Perle im Bad Füssinger Nachtleben" hat das Gemeindemagazin mal gesprochen, von einem Unterhaltungszentrum "mit beinahe großstädtischem Nightlife".

Die Gäste, die an jenem Donnerstagabend kommen, wollen aber vor allem eines: die Kugel rollen sehen. "War früher mehr los", sagt ein Stammgast mit Blick auf die gut zwei Dutzend Leute. "Viel mehr." Ein Sakko trägt er, wie es im "Großen Spiel" mit Roulette und Kartentischen und anders als im Automatenbereich Pflicht ist, darunter aber ein verwaschenes T-Shirt. Und wie läuft's beim Roulette, wo er ausgetüftelte Zahlensysteme setzt? "Lief schon besser."

Der Satz würde auch gut zu dem niederbayerischen Casino passen. Bei 5,9 Millionen Euro lag der Bruttospielertrag 2016, also die Summe der Einsätze minus Spielgewinne - die Kosten sind höher, so fuhr das Casino 800 000 Euro Verlust ein. Die Bilanz hier, wo es täglich um Rot und Schwarz geht, ist: rot, seit Jahren. Sechs der neun Spielbanken machen Verluste. Neulich konnte Finanzstaatssekretär Albert Füracker (CSU) zwar melden: Der jahrelange Pleite-Trend ist gestoppt, die Häuser verbuchten zusammen erstmals wieder ein Plus - 138 000 Euro.

Im Detail aber ziehen drei rentable Häuser, Bad Wiessee, Feuchtwangen, Garmisch-Partenkirchen, den Rest mit. Neun Millionen Euro Verlust hat das halbe Dutzend angehäuft. Füssing steht noch passabel da im Vergleich zu Bad Kötzting, Bad Steben und Bad Reichenhall, mit je gut zwei Millionen Euro Miese. Es spreche viel dafür, so Füracker, "dass sich die Spielbanken künftig wieder selbst tragen". Heilfroh ist man offenbar, dass in diesem Jahr nichts mit Steuergeldern ausgeglichen werden muss. Die heiklen Details stehen nur in einem internen Bericht des Ministeriums.

Dabei ist der Ertrag auch in der Summe gesunken: die Gäste verloren 64,6 Millionen Euro, vor zehn Jahren waren es fast 130 Millionen. Auch die Besucherzahlen sind rückläufig. Die "Trendwende" 2016 ist daher auf Personalabbau zurückzuführen. Fast jede fünfte Stelle fiel weg, Proteste dagegen verfingen kaum. "Unsere Leute gehen eh auf dem Zahnfleisch", sagte ein Personalvertreter und verwies auf die Nachtarbeit. Klassisches Roulette brauche zudem viel Personal. Schrumpfe die Belegschaft, schrumpften Angebot und Erträge weiter.

Für Croupiers sehr relevant: Zum niedrigen Basisgehalt kommen Trinkgelder, die bei Gewinnen auf voller Zahl üblicherweise gegeben werden. Die Lage seit dem Stellenabbau sei "angespannt", hört man bei der Gewerkschaft Verdi. Zwei Angestellte sitzen in Bad Füssing an jedem Roulettetisch, einer dreht die Kugel im Kessel, kehrt die Verlierer-Jetons ab, zahlt Gewinne aus - Blitzrechnen. Der andere überwacht das Treiben. Denn es kann leicht Streit entstehen: Wem gehört welcher Einsatz?

Im Schnitt fünf Prozent aller Casino-Gäste wohnen am Ort. In Füssing kommen Besucher noch aus Passau, die Mehrheit an diesem Tag sind Kur- und Reha-Patienten oder Badeurlauber auf der Suche nach Zeitvertreib. Ein Mann, Ende 40 und zur Kur hier, sagt: "Man kann auch nicht immer in den Haslinger Hof gehen." Im Tanzstadel dort - Attraktion des Landstrichs - treffen sich bei Disco-Schlager und vielen Getränken Hiesige und Fremde, mancher geht dann nicht allein heim. Pech im Spiel, Glück bei anderweitigem Vergnügen. Im Casino-Saal blickt der Dealer am leeren Black-Jack-Tisch traurig, doch eine Gruppe junger Frauen kommt. Sie haben Prosecco getankt, glucksen, lachen und spielen heiter ein Spiel, dessen Regeln sie nicht kennen. Die weiteren Kartentische werden verwaist bleiben. Am Freitag, dem Tag darauf, wird etwas mehr los sein. Aber auch viele von gestern bekannte Gesichter.

Jenseits der Grenze wird ab 18 Jahren gespielt

Wieso sinkt die Nachfrage? Die Gründe laut Oberstem Rechnungshof, der öfters die Verluste rügte und Schließungen empfahl: Konkurrenz in Tschechien und Österreich. Jenseits der Grenze darf man mit 18 Jahren spielen, nicht erst mit 21, wie in Bayern. Man darf in Teilbereichen und an der Bar rauchen. Ferner ist da die Konkurrenz durch Online-Glücksspiel sowie Automatenhallen. Deren Zahl in Bayern hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt. Spielernaturen in den Städten müssen nicht mehr hinausfahren zu den Casinos - am ehesten tun das noch die Münchner nach Bad Wiessee, was auch die guten Umsätze dort erklärt.

Mit den Häusern will der Freistaat den Spieltrieb der Bürger "in überwachte Bahnen lenken", so das Gesetz. Private Automatenhallen erhielten zwar Auflagen, etwa Zwangspausen für Slot-Maschinen. Es wird in den Spielotheken aber nicht am Einlass kontrolliert, Alter der Gäste, Häufigkeit der Besuche. In den Staatshäusern werden Pässe registriert, Suchtauffällige identifiziert und angesprochen.

Bleiben also die Touristen als Zielgruppe. Füssing steht hier eigentlich gut da, rangiert in der bayerischen Statistik mit jährlich 2,4 Millionen Übernachtungen recht weit oben. Das Wasser, dessen Schwefel den Gelenken gut tut, lockt Patienten, die schmucken Thermen auch jüngere Leute, Paare, Familien. Der Ort erhielt 1999 mit der Spielbank einen Starkarchitekten-Bau, ein touristisches Pfund; dass ein kleiner Anteil des Bruttospielertrags in die Gemeindekasse wandert, ist da fast zweitrangig. Nur mehr Leute wünscht man sich. "Wir wollen die Schwellenangst nehmen", sagte 2016 der damalige Füssinger Direktor beim Tag der offenen Tür. Ein Schnuppern, um falsche Bilder zu korrigieren: Das Bild, wonach Spielbanken übertrieben mondän sind, nur etwas für Betuchte. Das stimmt nicht, trotz Noblesse - "Pardon, Monsieur". Oder das Bild, wonach jedes Casino ein Sündenpfuhl ist, mit zwielichtigen Gestalten. Überwiegend falsch.

Alle Spielbanken werben. Es gibt "Ladys-Nights" mit Gratis-Sekt, für Herren mit Pils. Stark setzt man auf den Poker-Trend. Beim Filmball in München postierte man ein Demo-Roulette, in der Hoffnung, dass das Bild einer zockenden Schauspielerin in die Klatschpresse gelangt; in Kooperation mit dem Fußballverband konnten Vereine Casino-Abende gewinnen, Slogan: "Rund ist rund, ob Fußball oder Roulette-Kugel". Albert Füracker reist zu runden Tischen in die Gemeinden. Wie lässt sich das Alleinstellungsmerkmal vermarkten? Soll man verstärkt asiatische Touristen bezirzen? Wie kommen doch mehr Ortsansässige?

Die Schließung einzelner, auch stark defizitärer Häuser sei "kein Thema", sagt der Staatssekretär. "Unsere neun Spielbanken sind eine Einheit: die Starken stützen die Schwächeren." Das klang mal anders: Sein Vorgänger wollte vor sechs Jahren keine Bestandsgarantie für alle geben. Die FDP, damals im Landtag, schlug die Privatisierung vor - dem Investor könnten dann auch Lizenzen in München oder Nürnberg winken. Gesetzlich möglich sind Casinos ja nur in Staatsbädern, in anerkannten Heilbädern und Kurorten.

Die Grünen kümmern sich derzeit um "die grassierende Ansiedlung von Spielhallen und die in Bayern relativ großzügigen Regelungen für deren Betrieb", wie der finanzpolitische Sprecher Thomas Mütze sagt. In ihrer Kritik an den Spielbanken ist die Fraktion milder geworden: "Es gibt sie ja nur scheinbar, um den Spieltrieb staatlich zu kanalisieren; denn in der Peripherie sind nicht die meisten Spieler. In Wahrheit sind Casinos Regionalförderung". In der Funktion könnte man Defizite akzeptieren, aber irgendwann stelle sich doch die Frage: "Um jeden Preis?"

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