Es ist zunächst einmal nur ein erstes Treffen von Gleichgesinnten, die etwas ändern wollen an ihrer Partei, der CSU. Aber ihr Thema garantiert Aufmerksamkeit: Am Samstagabend, nach dem Ende des Parteitags in München, kommen homosexuelle CSU-Mitglieder und Unterstützer zusammen, um einen Prozess in Gang zu bringen. Ihr Ziel: Die CSU soll sich zur kompletten Gleichstellung homosexueller Beziehungen mit denen von Heterosexuellen bekennen.
Initiator des Treffens ist der 27-jährige Münchner Patrick Slapal, der seit vielen Jahren in der Jungen Union aktiv ist, aktuell ist er stellvertretender Vorsitzender des JU-Kreisverbandes München-Schwabing. Er habe in den vergangenen Jahren auf Parteiveranstaltungen viele Einzelgespräche über das Verhältnis der CSU zur Homosexualität geführt, erzählt Slapal. Nun wolle er sich systematisch mit Gleichgesinnten vernetzen und Argumente sammeln.
Der Initiator beruft sich auf Bundespräsident Gauck
"Der bisherige Umgang der CSU mit dem Thema ist sehr problematisch", findet Slapal. Die Ablehnung der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften sei "die Achillesferse" der Partei, "ein Ballast, den sie abwerfen muss".
Umstrittene Äußerungen zur Homo-Ehe:Die neue CSU, eine alte Bekannte
Eine "schrille Minderheit"? CSU-Generalsekretär Dobrindt attackiert Schwule und Lesben - dabei wollte Parteichef Seehofer die Christsozialen doch eigentlich modernisieren. Ein Vergleich von Seehofers Aussagen zur "neuen CSU" mit der aktuellen Realität.
Der Parteitag am Freitag und Samstag ist überschrieben mit den Schlagworten "Migration, Leitkultur, Integration". Das bezieht sich hauptsächlich auf das Thema Flüchtlinge. Doch Slapal hakt beim Begriff "Leitkultur" ein. Zur Leitkultur einer modernen Partei müsse die "Gleichheit von Homosexuellen gehören", mit dem Recht auf Adoption und Eheschließung. "Ich sehe die Ehe nicht als einen Wert für sich, sondern als ein Instrument, das den Zusammenhalt von Menschen definiert, die den Lebensweg zusammen beschreiten wollen", sagt Slapal. Das sei unabhängig von der sexuellen Ausrichtung.
Unterstützung bekommt seine Initiative vom Bundesverband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), der vor zwei Woche eine "Mainzer Erklärung" zur Öffnung der Ehe verabschiedet hat: "Die CSU hat mit der Gleichstellung mehr zu gewinnen als zu verlieren."
Slapal und die LSU berufen sich auf die Rede des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit in diesem Jahr. Joachim Gauck sagte, in Deutschland würden "Errungenschaften wie die Gleichberechtigung der Frau oder homosexueller Menschen nicht infrage gestellt". Auch der Münchner CSU-Bürgermeister Josef Schmid hat kein Problem mit der Homo-Ehe, und er lässt sich regelmäßig auf dem Christopher Street Day blicken.
Offen auf dem Parteitag zur Sprache bringen wird Slapal das Thema noch nicht. Für sein abendliches Treffen habe er bisher 20 Zusagen. Ein prominenter Unterstützer könnte theoretisch der Münchner CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius sein, der offen homosexuell lebt. Doch auf eine Anfrage, was er von dem Treffen hält, reagiert Fabritius äußerst zurückhaltend. Er habe davon nur aus der Zeitung erfahren, ihm liege auch keine Einladung vor, deshalb könne er sich dazu nicht äußern, lässt er einen Mitarbeiter ausrichten. Auch für weitere Fragen zu dem Thema ist Fabritius nicht zu sprechen.
Der Landtagsabgeordnete Markus Blume beschäftigt sich in seiner Funktion als Chef der CSU-Grundsatzkommission mit dem Thema. Er muss einen Spagat hinbekommen zwischen dem großstädtischen Milieu, das die CSU bedienen will, und dem eher traditionell ausgerichteten ländlichen Milieu, das sie nicht verlieren darf. Aus Schwaben und Niederbayern kommen für den Parteitag Anträge, die betonen, die CSU solle auch künftig die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe von Mann und Frau ablehnen.
Ein hochrangiger CSU-Mann hält das Ganze für eine "Generationenfrage"
Blume kommt aus München. Er weiß, dass sich etwas tun muss. Und er glaubt, dass sich etwas tun wird: Die CSU werde ihre gesellschaftspolitische Position "weiter entwickeln und dabei auch den Lebensrealitäten Rechnung tragen", sagt er. Gesetzt ist dabei für ihn "der Schutz der Ehe von Mann und Frau". Es werde aber "keine Diskriminierung von Lebensgemeinschaften geben, in denen ebenfalls Verantwortung füreinander übernommen wird". Übersetzt könnte das in etwa heißen: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften können rechtlich mit der Ehe gleichgestellt werden, der Begriff "Ehe" aber soll Mann und Frau vorbehalten bleiben.
Ein anderer hochrangiger Parteifunktionär geht im Hintergrundgespräch noch etwas weiter: Er habe keine prinzipiellen Einwände gegen die Ehe für Homosexuelle. Er hält das Ganze für eine "Generationenfrage". Sprich: Früher oder später werde auch die CSU für die Homo-Ehe eintreten.