Süddeutsche Zeitung

Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme":Zwei Mädchen der Sekte bleiben verschwunden

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Ein knappes Jahr nach ihrer Flucht bleiben zwei Mädchen der fundamental-christlichen Sekte "Zwölf Stämme" spurlos verschwunden. Das Landratsamt Donau-Ries führt derzeit wegen eines Bußgeldverfahrens eine "Anhörung" der Eltern durch, wie das Kultusministerium dem Landtag mitteilte. "Die zwei verschwundenen Mädchen sind weiter unbekannten Aufenthalts", heißt es in dem Bericht, der am Donnerstag im Landtag diskutiert wurde.

Die Mädchen waren geflohen, weil das Jugendamt sie in Heimen untergebracht hatte. Im September 2013 hatten die Behörden sämtliche 40 Kinder auf den zwei Anwesen der "Zwölf Stämme" in Klosterzimmern (Kreis Donau-Ries) und Wörnitz (Kreis Ansbach) in Obhut genommen. Zuvor hatten die zuständigen Familiengerichte in Ansbach und Nördlingen den Eltern in "einstweiligen Anordnungsverfahren" das Sorgerecht entzogen. Grund waren Misshandlungs- und Prügelvorwürfe. Die Gerichte erachteten die Kinder durch die Erziehungsmethoden der Eltern gefährdet.

Kinder wurden mit Ruten geschlagen

Im Januar hatte das Amtsgericht Nördlingen zwei Mütter der Glaubensgemeinschaft wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafen von sechs und neun Monaten verurteilt, weil sie ihre Kinder mit Ruten auf das Gesäß geschlagen hatten. Zum Nachweis der Tat wurde vor Gericht unter anderem das Video des RTL-Reporters Wolfram Kuhnigk gezeigt. Kuhnigk hatte die Aufnahmen heimlich am Stammsitz der Sekte in Klosterzimmern gedreht. Die Anwälte der Mütter protestierten in der Verhandlung gegen die Vorführung des Videos.

Eine dritte Mutter erhielt eine dreimonatige Bewährungsstrafe. Sie ist inzwischen aus der Sekte ausgetreten. Zudem räumte sie die Vorwürfe ein und bestätigte, dass ausnahmslos alle Kinder mit Ruten geschlagen werden. Schon vor der Inobhutnahme hatte es mehrjährige Auseinandersetzungen zwischen den Zwölf Stämmen und den Behörden um die Schulpflicht der Kinder gegeben. Die Eltern wollten ihre Kinder nicht dem staatlichen Schulsystem anvertrauen. Eineinhalb Jahre nach der Razzia sind einige Kinder und Jugendliche wieder bei ihren Eltern, einige Familien sind nach Österreich gezogen. Die Mehrzahl der Kinder ist nach wie vor in staatlicher Obhut.

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SZ vom 13.02.2015 / dpa/epd/sz
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