Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme":Peinliches Versagen

Lesezeit: 1 min

Ein Holzschild begrüßt Besucher der Glaubensgemeinschaft in Klosterzimmern. (Foto: dpa)

Kinder sollen wegen Nichtigkeiten in der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" geschlagen worden sein. Die Behörden wussten davon - und reagierten erst, als Journalisten über die erbärmlichen Lebensumstände berichteten. Peinlicher geht es nicht mehr.

Ein Kommentar von Stefan Mayr

Zuerst der Guru von Lonnerstadt, jetzt die "Zwölf Stämme" von Klosterzimmern. Zum zweiten Mal innerhalb von nur wenigen Monaten wird einem bayerischen Jugendamt durch Medien Beine gemacht, endlich etwas für hochgradig gefährdete Kinder zu unternehmen. In beiden Fällen betonte das Jugendamt stets, dass es regelmäßig kontrolliere und dass es nichts zu beanstanden gebe.

Erst als Journalisten mit Kameras die erbärmlichen Lebensumstände der betroffenen Kinder dokumentierten, schritten die Behörden ein. Peinlicher geht es nicht mehr. Gegen Asylbewerber und linke Demonstranten üben sich die Behörden im kräftigen Durchgreifen. Doch wenn die Kinder, also die Schutzbedürftigsten der Gesellschaft, in Gefahr sind, dann herrscht in Bayerns Amtsstuben grenzenloser Langmut.

Im jüngsten Fall der 40 Prügelopfer von Klosterzimmern räumen die Behörden sogar offen ein, schon seit längerem von den Züchtigungen der Kinder gewusst zu haben. Im gleichen Atemzug betonen sie jedoch, ihnen seien die Hände gebunden gewesen. Damit darf sich der Staat allerdings auf keinen Fall abfinden. Hier liegt entweder ein Versagen der Beamten vor oder eine Gesetzeslücke, die schnellstens geschlossen werden muss.

Wer die TV-Reportage über die Prügel im Keller der Sekten-Gebäude in Klosterzimmern gesehen hat, möchte kaum glauben, dass sich dieser fehlgeleitete Fundamentalismus mitten in Deutschland jahrelang ungehindert auf die Kinder entladen konnte.

Natürlich gilt auch für die "Zwölf Stämme" die Unschuldsvermutung, und das Hauptverfahren vor dem Familiengericht Nördlingen beginnt erst Ende dieser Woche mit den Anhörungen der Eltern. Doch wenn die Fernsehbilder nicht komplett gefälscht sind, dann dokumentieren sie systematisch Kindsmisshandlungen, die im Namen Gottes stattfinden. Die Religionsfreiheit mag ein schützenswertes Rechtsgut sein, darf aber nicht über die Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen gestellt werden.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: