Glaube und Tradition:Maria Muttergottes - Bayerns Frau für alle Fälle

Sonnenschein in München

Bayern ist Marienland. Ein vergoldetes Standbild ziert den Marienplatz.

(Foto: dpa)
  • Am 14. Mai 1916 wurde die Gottesmutter Maria offiziell vom Papst zur Hauptpatronin Bayerns ("Patrona Bavariae") ernannt, ein Jahr später wurde ihr zu Ehren erstmals gefeiert.
  • Der Marienkult hat den Freistaat schon immer geprägt, nicht erst seit 1916. Erkennbar ist das zum Beispiel an der Säule auf dem Münchner Marienplatz.
  • Nicht zuletzt darum galt Bayern (zumindest der Süden) immer als Bastion des Katholizismus. Doch auch hier geht die Zahl der Gottesdienstbesucher zurück.

Von Hans Kratzer

Lorenz Wastlhuber ist in seinem langen Leben viel marschiert und dabei hat er weitaus mehr Schuhsohlen durchgewetzt als die coolen Werbetypen der 70er Jahre, die dem Publikum mit Blick auf ihre löchrigen Schuhe weismachten, sie gingen meilenweit für eine Filterzigarette. Wastlhuber dagegen marschierte lieber dorthin, wo die Luft gesünder war und der Sinn tiefer. "Jedes Jahr bin ich zu Fuß nach Altötting gepilgert, sagt er, oft mehrmals, außerdem unternahm er regelmäßig mehrtägige Fußwallfahrten nach Tuntenhausen und nach Birkenstein, quasi zu den Hotspots der Marienverehrung in Bayern.

Mittlerweile ist Wastlhuber 85 Jahre alt, sein schlechtes Gehwerk zwingt ihn nun, zu Hause zu bleiben, was er sehr bedauert. "Ich habe ein großes Vertrauen zur Muttergottes", sagt der überzeugte Katholik, der aus Neumarkt-St. Veit stammt. Und deshalb wird er in den Medien auch genau verfolgen, wie in den kommenden Tagen Gläubige aus ganz Bayern das Fest "100 Jahre Patrona Bavariae" feiern werden. Im Jahr 1916 hatte Papst Benedikt XV. auf Bitten des bayerischen Königs Ludwig III. in höchster Kriegsnot "die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria" zur Hauptpatronin Bayerns ernannt und ihr zu Ehren ein eigenes Fest im Königreich Bayern gewährt. Am 14. Mai 1916 wurde dieses Hochfest Patrona Bavariae erstmals in München, am 14. Mai 1917 dann erstmals bayernweit gefeiert. Seit 1970 wird es auf Beschluss der Freisinger Bischofskonferenz jeweils am 1. Mai begangen.

Wastlhuber wäre zu gerne dabei. Er verkörpert eine Sorte Mensch, die mit ihrer Glaubensfestigkeit selbst in den konservativ-katholischen Regionen Bayerns langsam im Aussterben begriffen ist. Überdies ist er seit 70 Jahren Mitglied der Marianischen Männerkongregation, einer Institution, die nicht nur vom Namen her exotisch wirkt. "Die Alten sterben weg, Junge kommen kaum noch nach", sagt Wastlhuber, der die katholische Tradition noch mit der Muttermilch aufgesogen hat.

Der Vater hatte den Buben früh gedrängt, in die seit dem 16. Jahrhundert bestehende Gemeinschaft einzutreten. Heute gibt es in Bayern noch ungefähr 45 000 Sodalen, wie die Mitglieder der Marianischen Männerkongregation offiziell genannt werden. Im Volksmund heißen sie auch Steckermänner, wegen ihrer Gehstöcke, mit denen sie sich früher auf den Weg zu den marianischen Gnadenorten gemacht hatten.

Die Wochenzeitung Die Zeit schreibt in dieser Woche: "Das Konservative hat nur noch eine geistige Heimat: Bayern." Was die Tradition der Marienverehrung betrifft, ist dem nicht zu widersprechen. Nach wie vor sind Bayern und die Gottesmutter Maria enger miteinander verbandelt, als man es in der säkularen Bundesrepublik vielerorts für möglich hält.

Wie sehr der Marienkult das Land geprägt hat, zeigt sich schon an den Silhouetten der Landschaft: Kirchen, Kapellen, Lourdesgrotten und Wallfahrten sind zuhauf der Gottesmutter gewidmet, selbst jetzt noch, da ein Kulturbruch eingesetzt hat, wie ihn Bayern seit der Säkularisation von 1803 nicht mehr erlebt hat. Plötzlich leeren sich auch hier die Kirchen, sogar im Gnadenort Altötting. "Das tut schon weh", sagt Wastlhuber, der lebenserfahrene Mann, der nicht zuletzt als 2. Bürgermeister dem Gemeinwohl gedient hat, wobei Glaube und Politik für ihn nie ein Widerspruch waren.

Glaube und Tradition: Als Schwarze Madonna wird die Muttergottes auch mal in Schneekugeln gesperrt.

Als Schwarze Madonna wird die Muttergottes auch mal in Schneekugeln gesperrt.

(Foto: oh)

Letztlich war es ja auch eine politische Entscheidung, die Maria und das Land Bayern fest miteinander verbandelt hat. Sinnfällig wird das auf dem Münchner Marienplatz, wo die elf Meter hohe Mariensäule eines der Wahrzeichen der Marienverehrung in Bayern markiert. Die dortige Patrona Bavariae verweist auf den bayerischen Kurfürsten Maximilian I., der die Mariensäule 1638 aus Dankbarkeit für die Rettung der Städte München und Landshut vor den schwedischen Truppen im Dreißigjährigen Krieg errichten ließ.

Es war die erste ihrer Art in Deutschland, und sie wurde zu einer Art Zentralpunkt in Bayern. Alle Entfernungen im Land wurden von ihr aus gemessen. In diesem Jahr ist sie der Zielpunkt der bayerischen Wallfahrten zum 100-jährigen Bestehen des Festes Patrona Bavariae am 13. Mai.

Sogar die Musikbranche stürzte sich auf die Patronin

Unter Maximilian I. wurde Maria zur Volksheiligen und Schutzfrau Bayerns schlechthin. Schon 1616 hatte er dem Weilheimer Bildhauer Hans Krumper den Auftrag für eine bronzene Marienstatue erteilt, die er an der Westfassade seiner Residenz in München aufstellen ließ. Im Sockel ist zu lesen: "Patrona Boiariae" - "Patronin Bayerns". Als die katholische Liga im Jahr 1620 unter der Führung Maximilians in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag siegte, schrieb der bayerische Kurfürst dies der Fürbitte der Patrona zu. Dadurch erlangte der Titel enorme Bedeutung. Viele bayerische Häuser werden seitdem von einer Hausmadonna geziert.

Am 9. September 2006 stand Papst Benedikt XVI. bei seinem Bayernbesuch vor der Mariensäule, um die Menschen dem Schutz der Gottesmutter anzuvertrauen. Der bayerische Katholizismus zeigte sich in diesem Moment noch einmal mit einer Kraft, die man ihm nicht mehr zugetraut hatte, mag sie auch schnell wieder verpufft sein. Trotzdem: Hier wie auch in der Gnadenkapelle in Altötting verdichten sich die Geschichte und die Identität dieses Landes so sehr wie nirgendwo sonst, nicht einmal in den Bergen und in den Königsschlössern. Auch das Hauptfest der Gebirgsschützen-Kompanien findet stets am ersten Sonntag im Mai zu Ehren der Patrona Bavariae statt, heuer am 7. Mai in Gaißach.

Kein Wunder, dass sich sogar die Musikbranche auf die Patrona Bavariae stürzte. 30 Jahre ist es her, dass das Original Naabtal-Duo mit dem vom Schlagertexter Günther Behrle geschaffenen Lied "Patrona Bavariae" die ganze Welt bewegt hat. Es wurde zum erfolgreichsten Lied der Volksmusikgeschichte überhaupt, kletterte auf Platz eins der Hitparade und verkaufte sich bislang stolze 25 Millionen Mal.

Eine Besonderheit der Marienverehrung ist auch bei der Wahl von Vornamen festzustellen. In Landstrichen mit überwiegend katholischer Bevölkerung trifft man immer wieder auf Männer, die den Mittelnamen Maria führen. Tatsächlich dürfen Eltern als Ausdruck ihrer Religiosität ihren Söhnen den Beinamen Maria geben. Maria ist als einziger Mädchenname bei Männern rechtlich aber nur dann zulässig, wenn dazu ein eindeutig männlicher Vorname gewählt wird. Prominente Beispiele für diese Besonderheit lassen sich leicht finden: die Dichter Oskar Maria Graf und Rainer Maria Rilke, die Schauspieler Günther Maria Halmer und Klaus Maria Brandauer, der Pfarrer Rainer Maria Schießler sowie Bischof Gregor Maria Hanke aus Eichstätt und Altbischof Elmar Maria Kredel aus Bamberg.

Natürlich hatte auch Kurfürst Maximilian I. seinem Sohn den Beinamen Maria gegeben. Dieser Ferdinand Maria ehelichte später die aus Savoyen stammende Henriette Adelaide, die den italienischen Barock nach München brachte, die Theatinerkirche errichten ließ und somit dem barocken Marienkult einen kräftigen Schub verlieh. Ihr Schwiegervater Maximilian hatte die Zuneigung zu Maria bei seinen Untertanen noch mit drastischen Mitteln erzwungen.

So musste jeder Bewohner Bayerns stets einen Rosenkranz bei sich tragen, was manche heute noch beherzigen. Der listige CSU-Abgeordnete Franz Xaver Unertl zückte einst in Gesprächen mit Pfarrern und Bischöfen gerne sein Schneuztuch, wobei er stets den Rosenkranz aus der Tasche fallen ließ, um seine gute katholische Gesinnung zu belegen.

Glaube und Tradition: Die Patrona Bavariae musste sich auch vom Naabtal-Duo besingen lassen. Das Duo verkaufte den Hit 25 Millionen mal.

Die Patrona Bavariae musste sich auch vom Naabtal-Duo besingen lassen. Das Duo verkaufte den Hit 25 Millionen mal.

(Foto: oh)

Wirkt dieser Trick heute eher befremdlich, so lebt der Marienkult im Brauch der Maiandacht wesentlich anmutiger weiter. Die Maiandacht zu Ehren der Muttergottes hat sich schon im Mittelalter entwickelt. Heute beziehen diese Andachten ihren Reiz vor allem aus dem Umstand, dass sie oft im Freien gefeiert, mit den klassischen Marienliedern ("Meerstern ich dich grüße") untermalt und nicht selten mit einer Wanderung und einer Einkehr verknüpft werden.

Doch bei allem Festhalten an alten Glaubens- und Andachtsformen ächzt der Marienkult immer mehr unter der Last der säkularen Gesellschaft. "Es ist ewig schad", sagt Lorenz Wastlhuber, "aber wenn der Glaube nicht mehr gelebt wird, werden wir bald zur Diaspora."

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