Politischer Frühschoppen:Wer es beim Gillamoos krachen lassen will

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Am Gillamoos-Montag sind die Festzelte in Abensberg fest in politischer Hand. (Foto: Johann Medvey/Imago)

Einen Tag nach den Landtagswahlen im Thüringen und Sachsen findet der traditionelle Schlagabtausch in Niederbayern statt. Reden werden Markus Söder und Hubert Aiwanger – und Gäste aus der ganzen Republik.

Von Andreas Glas, Johann Osel

Jenseits des Bayernlandes sollen ja immer noch Menschen leben, die nicht wissen, was der Gillamoos ist. Dank Friedrich Merz ist die Zahl dieser Menschen allerdings kleiner geworden. „Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland“, rief der CDU-Parteichef im September 2023 ins Festzelt der CSU. Was Beifall am Gillamoos auslöste und Irritationen in Berlin-Kreuzberg, das unter anderem für seinen hohen Migrantenanteil bekannt ist. Im Gegensatz zu Abensberg (Landkreis Kelheim), wo der Gillamoos-Jahrmarkt stattfindet – und immer am ersten Septembermontag der politische Frühschoppen.

Die Abensberger konnten verkraften, dass Merz den Gillamoos offenbar für eine Stadt hielt. Hat ja Publicity gebracht, noch mehr als sonst. Auch an diesem Montag dürfte das Polit-Spektakel breite Beachtung finden, einen Tag nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen. Das Gillamoos-Fest reicht sieben Jahrhunderte zurück, der Frühschoppen immerhin ein halbes Jahrhundert. Er ist wie eine Bierzeltrauferei, bei der nicht gerauft wird, aber gepöbelt. Wie Politischer Aschermittwoch, nur im Spätsommer. Ein Streifzug durch die diesjährigen Kampfzonen.

CSU

Im vergangenen Jahr war CDU-Chef Friedrich Merz zu Besuch im Festzelt bei der CSU, heuer kommt Boris Rhein aus Hessen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Erste Station, Hofbräuzelt. Sollten die Götter des Timings den Termin mit irgendwem abgestimmt haben, dann mit Markus Söder. Der Gillamoos bietet dem CSU-Parteichef eine hübsche Bühne, seine Erleichterung oder Erschütterung nach den beiden Ostwahlen in die Welt zu senden. Und ein bisschen steht Söder ja selbst im Fokus der Wahlnachlese. Dresden und Erfurt mögen ein paar Autostunden weit weg sein von Abensberg, aber die Ergebnisse könnten Söders Karriere beeinflussen.

Welchen Söder wird man also präsentiert bekommen im CSU-Zelt? Den forschen Söder, der nach miesen CDU-Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen noch forscher für sich als Kanzlerkandidat der Union trommelt? Oder einen gezähmten Söder, der die Kandidatur nach einem CDU-Triumph endgültig an Friedrich Merz verloren haben könnte?

Einen Söder wird das Publikum in jedem Fall zu sehen kriegen: den Grünenfresser. Mit den Grünen rauft der CSU-Chef aktuell am allerliebsten. Und der Mann, den die CSU als Gastredner geladen hat, könnte da inzwischen der richtige Sidekick sein. Seit Jahresbeginn regiert CDU-Ministerpräsident Boris Rhein ja mit der SPD in Hessen, die Grünen hat er abserviert. Die Chancen stehen also gut, dass sich Söder und Rhein auf einen gemeinsamen Punchball einigen können.

Freie Wähler

Hubert Aiwanger wurde im vergangenen Jahr wie ein Popstar gefeiert am Gillamoos. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Im Weißbierstadl wird sich sehr wahrscheinlich wieder alles um einen Mann drehen: Hubert Aiwanger. Wenn auch nicht so wild wie im September 2023, als der Gillamoos ebenfalls an einem „Tag danach“ stattfand. Am Tag nämlich, nachdem Ministerpräsident Söder seinen Vize Aiwanger in der Flugblatt-Affäre begnadigt hatte. Der Gillamoos 2023 erwies sich als Seismograf für die Landtagswahl, bei der die Freien Wählern kurz danach jubilieren durften.

Drinnen im Stadl gelang Aiwanger das Kunststück, die Affäre nicht ein einziges Mal in seiner Rede zu erwähnen. Draußen waren die Menschenschlangen schon frühmorgens so lang, als gäbe es Freibier bei den Freien Wählern. Sogar den Biergarten besetzte das Aiwanger-Solidaritätskomitee und lauschte der Rede des FW-Chefs über die Außenlautsprecher. Frecherweise drehten die Freien Wähler die Anlage derart laut, dass nebenan die FDP den zeternden Aiwanger mithören musste.

Heuer dürfte Aiwanger seine Rede nutzen, um sich warmzulaufen für den Bundestagswahlkampf. Er will ja unbedingt mitregieren in einer bürgerlichen Koalition, die im Herbst 2025 die Ampel ablösen soll. Spannend wird sein, ob seine Gillamoos-Rauflust neben der Ampel auch den eigenen Koalitionspartner trifft. Nach dem Terror in Solingen hat Aiwanger die CSU via Bayerische Staatszeitung beschuldigt, „den Wahnsinn von Frau Merkel über Jahre mit verantwortet“ zu haben.

AfD

Gerald Grosz kennt sich aus mit Auftritten bei der bayerischen AfD, er war schon beim Politischen Aschermittwoch als Redner geladen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die AfD braucht für Bierzeltreden kein Bierzelt. Traditionell hält die Rechtsaußen-Partei ihren Frühschoppen ohne Blaskapelle ab, ohne Masskrüge, ohne üppige Speisekarte. Die Kulisse ist der Schlossgarten Abensberg, ein paar Hundert Meter entfernt vom Festplatz. Ausgrenzung? Nein. Auf dem Festplatz war schlicht kein Zelt mehr frei, als die AfD die Gillamoos-Bühne 2017 erstmals betreten hat.

Einen echten AfD-Promi kann die Landespartei diesmal nicht aufbieten. Die Prominenz wird am Montag in Berlin, Sachsen und Thüringen gebraucht, um die erwartbar hohen Wahlergebnisse zu feiern. In Abensberg heißt der Hauptredner: Gerald Grosz, Rechtspublizist aus Österreich, früher Politiker von FPÖ und BZÖ und einmal unabhängiger Kandidat für die österreichische Bundespräsidentschaft. Aus reiner AfD-Sympathie wird Grosz eher nicht auftreten, dem Vernehmen nach hat er schon bei seinen zahlreichen Auftritten im Landtagswahlkampf 2023 ein nicht näher bekanntes Honorar bekommen.

Gut für Grosz, auf den bald eine höhere Forderung aus Bayern zukommen könnte. Erst im Frühjahr entschied das Deggendorfer Amtsgericht, dass er knapp 15 000 Euro Strafe zahlen muss, weil er Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch als „Landesverräter“ und „Södolf“ bezeichnet hatte, in Anlehnung an Adolf Hitler. Weil Grosz den Ministerpräsidenten überdies auch im Fernsehen beschimpft hat („Trottel“), hat die Staatskanzlei nun erneut einen Strafantrag gestellt. Außerdem sprechen bei der AfD Landeschef Stephan Protschka und Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner.

Grüne

Toni Hofreiter, Europaausschussvorsitzender im Bundestag, kommt mit ausreichend Bierzelt-Erfahrung zum Gillamoos. (Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

Bei den Grünen dürfte sich die Gillamoos-Euphorie schwer in Grenzen halten. Wie bei allen Ampelparteien zeichnet sich ja ab, dass sie schon vor dem Frühschoppen einiges zu verdauen haben werden. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Grünen in Sachsen und Thüringen abschmieren. Ausgerechnet in dieser Lage fehlt den Grünen in Bayern ihre Frontfrau, die selbst in aussichtslosen Lebenslagen verlässlich ein Lächeln anknipsen kann: Katharina Schulze. Sie hat Babypause. Die Scherben muss also Landtagsfraktionsvize Johannes Becher aufkehren, der Schulze in der Pause nicht nur im Parlament vertreten soll, sondern auch als Redner beim Gillamoos. Der Frühschoppen gilt als offizieller Auftakt für Bechers Vertretungsjob.

Prominentester Redner wird Toni Hofreiter sein, Europaausschussvorsitzender im Bundestag, der bereits Gillamoos-Erfahrung mitbringt. In der Vergangenheit löste Hofreiter, den Grünenfresser Söder besonders gern verspeist, allein mit seiner Anwesenheit den Spott der CSU aus. Der sei ja gar kein richtiger Stargast aus Berlin, hieß es da, eher billiger Ersatz für die erste Garde der Bundespartei. Logisch, die Grünen sehen Hofreiter, Bayer durch und durch, ganz anders. Dort heißt es, er habe „oft genug bewiesen, dass er Bierzelt gut kann“. Wobei, Bierzelt, das ist nicht ganz präzise. Die Grünen werden auch diesmal im Weinzelt auftreten.

SPD

Der neue rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Alexander Schweitzer gibt sein Debüt am Gillamoos. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Wenn man so will, ist bei der Bayern-SPD ganzjährig politischer Frühschoppen. Die Sozis brauchen da nicht mal politische Gegner, sie raufen untereinander. Das jüngste Raufopfer heißt Florian von Brunn, der als SPD-Landeschef hingeworfen hat, nachdem ihm die Landtagsabgeordneten das Vertrauen als Fraktionsvorsitzender entzogen hatten, der Brunn ebenfalls gewesen ist. Das sozialdemokratische Zeltpublikum muss sich nun an neue Gesichter gewöhnen.

Im Härteiszelt heißt der Headliner: Alexander Schweitzer. Nie gehört? Schweitzer ist Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, Nachfolger von Malu Dreyer. Noch kein Publikumsmagnet, er kann aber fabelhafte Dinge erzählen. Geschichten, die im bayerischen Sozi-Kosmos wie Science Fiction klingen: vom Regieren, von Umfragewerten über 20 Prozent, solche Fantastereien.

Die Eröffnungsrede wird Ronja Endres halten. Auch nie gehört? Vielleicht ändert sich das bald. Nach dem Rückzug ihres raumgreifenden Co-Vorsitzenden Brunn kann die SPD-Landeschefin die Bühne nun in ganzer Breite als Solistin bespielen. Der neue Fraktionschef Holger Grießhammer steht nicht auf der Rednerliste. Mit internen Raufereien soll das ausnahmsweise nichts zu tun haben. Die Liste stand, bevor Grießhammer zum Fraktionschef aufstieg, heißt es in der SPD.

FDP

Christian Dürr, Vorsitzender der Bundestagsfraktion, tritt bei der FDP auf. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Im Landtag sind die Liberalen bekanntlich nicht mehr vertreten, auf dem Gillamoos dagegen schon. Die Partei hat als Hauptredner Christian Dürr geladen, den Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Unter anderem spricht in Abensberg auch Landeschef Martin Hagen. Schauplatz des FDP-Frühschoppens ist das Piccolo Festzelt – was aber angeblich keine Anspielung auf Umfragewerte und Wahlergebnisse sein soll.

ÖDP und Bayernpartei

Agnes Becker hält die Rede bei der ÖDP. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Im Gegensatz zur FDP, die im Bundestag der Regierung angehört, haben ÖDP und Bayernpartei weder in Berlin noch in München einen Platz im Parlament. Trotzdem treffen sich beide Parteien traditionell in Abensberg – als außerparlamentarische Opposition jedoch außerhalb des Festgeländes. Die ÖDP samt Hauptrednerin und Landeschefin Agnes Becker tritt in den Aumühl Stub’n auf, für die Bayernpartei spricht Parteichef Florian Weber im Gasthof Jungbräu.

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