Häusliche Gewalt:Zu wenig Frauenhäuser in Bayern

Häusliche Gewalt: Caroline Beekmann ist stellvertretende Leiterin der Frauenhilfe München. Vor allem die Wohnungssuche wird für betroffene Frauen schwieriger.

Caroline Beekmann ist stellvertretende Leiterin der Frauenhilfe München. Vor allem die Wohnungssuche wird für betroffene Frauen schwieriger.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In Bayern muss jede zweite Frau, die Zuflucht in einem Frauenhaus sucht, abgewiesen werden. Das zeigt eine Befragung des Sozialministeriums.
  • Vor allem in den Städten fehlen Plätze, wohl auch, weil auch Frauen vom Land eher dort Hilfe suchen.
  • Ein anderes Problem: Im Durchschnitt sollen Frauen nur sechs Wochen im Frauenhaus bleiben. Doch in dieser Zeit eine neue Wohnung zu finden, ist fast unmöglich. Im Schnitt bleiben sie darum fast vier Monate.

Von Sven Loerzer

Oft ertragen Frauen jahrelang die Kränkungen zu Hause, die gezielten Demütigungen und Herabsetzungen, nehmen Schläge hin, schämen sich gar für erlittene körperliche Verletzungen und verstecken die Zeichen der Gewalt. Jährlich sind etwa rund 140 000 Frauen in Bayern von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen. Wenn etwa drei Prozent dieser Frauen nach schweren Vorfällen dann in ihrer Not Zuflucht und Schutz vor dem prügelnden Partner in einem Frauenhaus suchen, dann ist nicht selten erst mal kein Platz frei: Jede zweite Frau in einer Notlage, so ergab eine bayernweite Studie, muss von den Einrichtungen abgewiesen werden. Mehr als 1500 Frauen konnten zwar innerhalb eines Jahres in den 40 bayerischen Frauenhäusern Aufnahme finden, doch mindestens genau so viele bekamen keinen Platz.

Ein Ergebnis, das auch die Frauenbeauftragte der Staatsregierung, Sozialministerin Emilia Müller, als "alarmierend" bezeichnete. Sie hat deshalb vor einem Jahr eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein Gesamtkonzept zum Hilfesystem entwickeln soll. Bis Ende dieses Jahres sollen Ergebnisse vorliegen, erklärte jetzt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage.

Nach der vor einem Jahr von dem Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegten Studie zur Bedarfsermittlung gibt es in ganz Bayern 426 Schutzplätze für Frauen und 504 Plätze für deren Kinder. Nach Auswertung der Befragung gehen die Wissenschaftler davon aus, dass etwa 1500 bis 2000 Frauen trotz akuter Gewaltsituationen und mehrerer Anfragen keine Unterkunft und keinen Schutz in einem Frauenhaus erhalten haben. Demnach ist der Bedarf an Plätzen etwa doppelt so hoch wie das Angebot.

Allerdings ergibt sich aus der Studie, dass vor allem in größeren Städten die Frauen aus Platzmangel abgewiesen werden müssen. Das scheint auch damit zu tun zu haben, dass es in manchen ländlichen Gebieten kaum entsprechende Angebote gibt. Zudem suchen wohl auch viele Frauen aus ländlichen Regionen eher in städtischen Häusern Zuflucht - aus Gründen der Anonymität.

Die Studien-Autoren betonen, dass deshalb gezielt in den städtischen Regionen die Kapazitäten erhöht werden sollten. Dort gibt es allerdings noch ein anderes Problem, auf das die Träger von Frauenhäusern schon seit Jahren hinweisen: So sollte die durchschnittliche Verweildauer der Frauen nach der bayerischen Förderrichtlinie nur sechs Wochen betragen. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) München, der ein Frauenhaus in Erding und, seit vergangenem Jahr, auch eines im Landkreis München betreibt, betont, "gerade im Großraum München" sei es in diesem Zeitraum "nicht möglich, eine Wohnung zu finden".

Mit fatalen Folgen: Viele Frauen müssen abgewiesen werden. Bei der Frauenhilfe München meldeten sich im Jahr 2016 insgesamt 238 Frauen, aber gerade einmal 5 Prozent bekamen noch am gleichen Tag eine Zimmerzusage, 37 Prozent wurden auf die Warteliste aufgenommen. Die Vermittlung in eigenständiges Wohnen nach dem Aufenthalt sei durch das städtische Onlineportal Sowon noch schwieriger geworden, sagt Caroline Beekmann, stellvertretende Leiterin der Frauenhilfe München. "Hier besteht dringender Nachbesserungsbedarf."

In Bayern fehlen Kapazitäten und Personal

Die Studie ermittelte eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 3,6 Monaten. Deshalb mahnt sie Maßnahmen zur Entlastung an: Neben der schnelleren Wohnraumbeschaffung könnten Wohnkontingente bereitgestellt werden für Frauen, die sich aus einer gewaltbelasteten Beziehung lösen wollen, bei denen aber die Gefährdungslage nicht derart ist, dass sie unbedingt in ein Frauenhaus ziehen müssen. Im Fazit der Studie wird aber nicht nur festgehalten, dass der Bedarf an Frauenhausplätzen in Bayern nicht ausreichend gedeckt ist.

Auch die Stellenkapazitäten in den Frauenhäusern sind für die fachgerechte Arbeit nicht ausreichend, überdies fehlen zeitnahe Therapiemöglichkeiten. Vor einem Jahr kündigte deshalb Emilia Müller an, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden das Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen zu überprüfen und ein Gesamtkonzept zu entwickeln.

Der Opposition im Landtag geht das viel zu langsam. Im Vorgriff hatte die SPD Ende des vergangenen Jahres beantragt, die jährliche Förderung der Frauenhäuser in Höhe von bisher 2,5 Millionen Euro zu verdoppeln. Doch der Antrag wurde von der CSU abgelehnt. Auch die Grünen hatten schon im vergangenen Jahr ein Sofortprogramm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Bayern gefordert. Das Gesamtkonzept sei "in der Mache", verlautete nun aus dem Ministerium, es soll bis Ende des Jahres vorliegen. Eine Sprecherin verwies aber auch darauf, dass es in allererster Linie Sache der Kommunen sei, im Rahmen der Daseinsvorsorge Frauenhäuser zu planen und bereitzustellen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: