Getöteter Polizist in Schwaben:Interne Ermittlungen nach Todesschuss

SEK

Das SEK sichert das Grundstück eines bewaffneten Kollegen in Asbach-Bäumenheim. Nun wird ermittelt, warum der Einsatz eskalierte.

(Foto: dpa)

Elf Stunden verhandelten Psychologen mit dem bewaffneten Polizisten, dann stürmten SEK-Beamte sein Wohnhaus in Schwaben - und erschossen ihn. Nun wird ermittelt, warum der Einsatz eskalierte.

Von Sarah Kanning

War es Notwehr? Befürchteten die Polizisten eine unmittelbare Lebensbedrohung für andere Menschen? Oder handelte es sich beim Tod des von einem SEK-Kommando erschossenen Polizisten am Freitag in Asbach-Bäumenheim möglicherweise um einen provozierten Suizid? Vier Tage nach dem tödlichen Schusswechsel erscheint der Fall aus Nordschwaben zunehmend unklar.

In Onlineforen und Kommentaren fragen besorgte Bürger nach der Notwendigkeit, warum der 46-Jährige erschossen statt angeschossen wurde, und warum die Beamten nicht zugewartet hatten - schließlich hatte sich der Polizist allein in dem Haus auf dem großen Gelände aufgehalten, wie die Polizei schon am Freitagmittag mitgeteilt hatte.

Polizei berichtet von sieben Schüssen, Nachbarn von mehr

"Jetzt beginnen die internen Ermittlungen", sagt Ludwig Waldinger, Sprecher des Landeskriminalamts, das den Fall inzwischen übernommen hat. "Das ist ein ganz normales Prozedere." Die Einsatzleiter würden befragt, der genaue Tatablauf rekonstruiert, Protokolle ausgewertet, die Leiche obduziert. Daran soll auch die Frage geklärt werden, warum Schüsse fielen - und wie viele. Die Polizei berichtete von sieben, Nachbarn wollen mehr gehört haben.

Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, das Ursachen und Folgen von Verbrechen untersucht, zeigt sich verwundert von der Eskalation in Schwaben. "Eigentlich ist das SEK auf glimpfliche Ausgänge geschult - die Ungeduld wird in diesem Fall die kritische Frage sein." Warum hatten die Beamten nicht mit Tränengas, Betäubungsgas oder anderen Überraschungseffekten wie Blendgranaten versucht, den Mann zum Aufgeben zu bewegen? Selbst wenn der Mann eine Tötung durch die Beamten provoziert haben sollte, hätte man versuchen können, ihn kampfunfähig zu machen, sagt Pfeiffer.

Provozierter Suizid durch Polizisten

Einer Studie der University of Southern California zufolge liegt im Verwaltungsbezirk Los Angeles jeder zehnten tödlichen Schießerei mit der Polizei ein Suizid-Motiv zugrunde. "Suicide by Cops" heißt das, zu Deutsch: provozierter Suizid durch Polizisten. In Deutschland gibt es keine zahlenmäßigen Erhebungen, heißt es vom Innenministerium, einhellig ist die Meinung, dass solche Fälle "extrem selten" seien. Christian Pfeiffer weist darauf hin, dass Schusswaffentötungen in Deutschland ohnehin relativ selten sind: Im Jahr 2013 waren es gerade einmal 130, im Jahr 1995 immerhin noch 632 in der Bundesrepublik.

Jedoch gab es erst im vergangenen Jahr einen wahrscheinlichen Fall von "Suicide by Cops" im bayerischen Merching, ebenfalls in Schwaben: Im August hatte ein 34-Jähriger unter einem Vorwand die Polizei gerufen. Er bedrohte die Polizisten zuerst mit einer Softair-Waffe, brachte dann eine Polizeiwaffe an sich und feuerte einen Schuss ab. Der zweite Polizist erschoss daraufhin den Mann in Notwehr. Dieser hatte zuvor mehrere SMS an seine Freundin geschickt, in denen er sagte, dass er sich von der Polizei erschießen lassen werde.

Elf Stunden lang hatten Psychologen mit dem Mann verhandelt

Im Fall von Asbach-Bäumenheim steht bislang fest: Am Freitagmorgen gegen 8.30 Uhr alarmierten Anwohner die Polizei, weil ein Nachbar, ebenfalls von Beruf Polizist in Donauwörth, mit seinen privaten Waffen auf seinem Anwesen herumschoss. Als seine Kollegen eintrafen verschanzte er sich in seinem Haus. Am späten Nachmittag hatte die Polizei noch gemeldet, die Lage "im Griff" zu haben, doch um kurz vor 20 Uhr fielen dann die Schüsse. Elf Stunden lang hatten Polizeipsychologen mit dem Mann verhandelt, doch er sei "zunächst nicht für klärende Gespräche zugänglich" gewesen.

Bei einsetzender Dämmerung entschieden sich die Beamten, das Haus auf einem unübersichtlichen Grundstück zu stürmen. Zunächst schickten sie einen Hund hinein. Der betrunkene und psychisch angeschlagene 46-Jährige schoss mehrmals auf diesen. Als er beim Sturm des Hauses seine Waffe auch auf die Beamten richtete, eröffneten diese das Feuer. Ein Schuss in den Oberkörper war laut Polizei tödlich. Warum sie nicht auf die Beine schossen? "Das ist kein Schuss mehr, um jemanden fluchtunfähig zu machen", sagt LKA-Sprecher Waldinger.

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