Gesundheitspolitik:Durchbruch für überlastete Angehörige

Altenpflegeheim

Gut 75 Prozent der Pflegebedürftigen werden daheim von Angehörigen betreut, den Pflegenden selbst bleiben Pausen aber oft verwehrt.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Bayerns Pflegebeauftragter Hermann Imhof fordert die Staatsregierung auf, Kurzzeitpflegeplätze finanziell zu fördern. Die CSU-Fraktion sowie Grüne und Freie Wähler unterstützen seinen Vorschlag

Von Dietrich Mittler

Schon lange hat sich Alberta Reister genau davor gefürchtet: von einem auf den anderen Tag auszufallen und dann nicht mehr für ihren an Parkinson erkrankten Mann da sein zu können. Die Aschaffenburgerin muss sich selbst überraschend einer kleinen Operation unterziehen. Inständig hat sie ihren Sohn gebeten, sich um einen Kurzzeitpflegeplatz zu kümmern. Dieser rief nicht nur bei den in Frage kommenden Einrichtungen in der Stadt Aschaffenburg an, sondern gleich auch bei jenen im Landkreis. Das Ergebnis ist ernüchternd: "Alle Einrichtungen haben ihm versichert, dass sie vollbelegt seien und sie, wenn sie denn freie Betten hätten, diese nur ab einer Mindestbelegungsdauer von sieben bis 14 Tagen vergeben", sagt Alberta Reister - ihr Name wurde geändert.

Die Aschaffenburgerin ist kein Einzelfall. Gemein ist allen Betroffenen, dass es sich bei ihnen um Menschen handelt, die durch die Pflegebedürftigkeit ihrer Eltern, ihrer Partner oder behinderten Kinder äußerst belastet sind - oft so stark, dass sie selbst gesundheitlich angeschlagen sind. "Rund 75 Prozent aller Pflegebedürftigen in Bayern werden zu Hause gepflegt", sagt Hermann Imhof, der Pflegebeauftragte der Staatsregierung. Imhof hat viele Briefe von Verzweifelten bekommen, die gern eine Kurzzeitpflege für ihre Angehörigen in Anspruch nehmen würden, damit sie selbst auch einmal zur Ruhe kommen.

Imhof liest aus einem der Briefe vor: "Mein Mann und ich fühlen uns alleine gelassen. Durch die häusliche Pflege meiner Mutter ersparen wir dem Staat Tausende Euro, um dann nicht einmal in einen wohlverdienten Urlaub fahren zu können." Diese Enttäuschung, sagt der CSU-Sozialpolitiker, könne er gut nachvollziehen. Nicht minder aber auch die Argumente der Träger von Pflege-Einrichtungen, die "ihre vor allem wirtschaftlichen Zwänge dargelegt haben, welche zum Abbau von Kurzzeit-Pflegeplätzen führten". Kurzzeitpflege - und das wisse jeder Einrichtungsbetreiber - gehe nun mal mit erhöhtem Personalaufwand in Verwaltung, Pflege, Versorgung und Betreuung einher. Vergleichbar vielleicht mit einem Hotelbetrieb, in dem die Zimmer jedes Mal neu für Tages- und Kurzzeitgäste hergerichtet werden müssen. Aber bei der Pflege kommen viele Faktoren hinzu: Oft leiden pflegebedürftige Menschen auch an Krankheiten, sind womöglich dement und daher betreuungs- und kostenintensiv. "Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Kurzzeitpflege sind augenblicklich nicht auskömmlich. Aus diesem Grund ist das Angebot derzeit sehr bescheiden, obwohl die Nachfrage groß ist", sagt deshalb auch Leonhard Stärk, der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes.

"Wir haben bei den Kurzzeitpflegeplätzen eine andere Situation als bei den Plätzen in Kindertagesstätten, denn auf letztere hat der Einzelne einen Rechtsanspruch", betont indes Imhof. Bei Kurzzeitpflegeplätzen gebe es diesen Rechtsanspruch des Pflegebedürftigen aber nicht. "Der Bundesgesetzgeber hat den Betroffenen einzig einen Anspruch auf Erstattung der Kosten bis zu einem bestimmten Betrag ermöglicht", sagt Imhof. Und das mache ihnen bayernweit zu schaffen - insbesondere während der Ferien- und Urlaubszeiten ist ein Kurzzeitpflegeplatz kaum zu bekommen, und erst recht nicht spontan.

Imhof hat deshalb die Träger von Pflege-Einrichtungen, aber auch den Bayerischen Landkreistag sowie den Städtetag angeschrieben, um sie für dieses Problem zu sensibilisieren. Gesetzlich seien Landkreise und kreisfreie Städte sogar verpflichtet, "regionale Gesamtkonzepte zu entwickeln, die auch die pflegerische Versorgung sowie den Bedarf an pflegerischen Versorgungsstrukturen zum Inhalt haben". Das heißt: Sie müssen "auch dafür sorgen, dass Einrichtungen der Kurzzeitpflege rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen", sagt Imhof.

Aber Anreize, und das ist Imhof durch lange Erfahrung bewusst, bewirken mehr als Appelle oder gar Druck. So geht der Pflegebeauftragte nun einen anderen Weg: "Der Freistaat Bayern kann die besonderen Belastungen der Heim-Träger finanziell abfedern." Die CSU-Fraktion im Landtag hat diesen Weg nun freigemacht. Auch die Grünen und die Freien Wähler haben jetzt für Imhofs Dringlichkeitsantrag gestimmt. "Das ist ein Riesenerfolg", sagt er, "denn eine menschenwürdige Pflege geht uns alle an".

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