Gesundheitsministerin Huml:Biene Maja war gestern

Melanie Huml, 38 Jahre jung, hat eine Blitzkarriere hingelegt. Als Gesundheits- und Pflegeministerin warten nun aber politische Minenfelder auf sie.

Melanie Huml, 38 Jahre, hat eine Blitzkarriere hingelegt. Als Gesundheits- und Pflegeministerin warten nun aber politische Minenfelder auf sie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Welpenschutz ist vorbei: Melanie Huml muss als bayerische Gesundheits- und Pflegeministerin jetzt mehr sein als eine fleißige Aufsteigerin. Gerade die Wohlfahrtsverbände haben hohe Erwartungen - und sie fordern endlich Taten.

Von Dietrich Mittler, Würzburg

Es gibt Termine, die sind einfach anders. Im Matthias-Claudius-Heim der Diakonie sitzt Melanie Huml, Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin, neben einer weißhaarigen Frau. Der Blick der alten Dame ist starr, seltsam leer und zugleich ängstlich. Sie ist dement wie alle Bewohner dieser Würzburger Einrichtung. Der Pressesprecherin der Ministerin, die auch bei diesem Heimbesuch den Zeitplan im Blick behält, mag es so vorkommen, als laufe vor ihren Augen gerade eine Zeitlupeneinstellung ab. Ihre Chefin hält der alten Dame eine Erdbeere hin. Die fistelt an ihrer Jacke, reckt sich so, als wolle sie aufstehen, doch ein Gurt hält sie am Rollstuhl fest. Zehn Minuten später hat sie die Erdbeere endlich im Mund. Ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie den Geschmack irgendwoher kennt. Huml lächelt ihr zu. Ein weiches Lächeln, wie man es bei jungen Müttern sieht, die ihr Kind im Arm halten.

Diese herzliche Art, auf Menschen zuzugehen, gehört mit zu den Markenzeichen der 38-jährigen CSU-Politikerin. Anteilnahme, geduldiges Zuhören, das alles hat der Sozialbereich in den zurückliegenden Jahren nicht von jeder Ministerin erfahren. "Die kommt eventmäßig gut rüber", staunte der als Kritiker gefürchtete Pflegeexperte Claus Fussek, als er Huml das erste Mal bei einer öffentlichen Veranstaltung erlebte. Noch am selben Abend gab er seine Eindrücke per E-Mail weiter: "Engagiert, selbstkritisch, aufgeschlossen, interessiert. Ausbaufähig - schaun ma mal!"

Superlative auf dem Karriereweg

Humls politischer Weg ist gepflastert von Superlativen: "Bayerns jüngste Ministerin", hieß es bei ihrer Ernennung im Oktober 2013 - und für neidische Parteifreunde klang das wie ein Fortsetzungsroman nach Überschriften wie "Bayerns jüngste Landtagsabgeordnete" (2003) und "Bayerns jüngste Staatssekretärin" (2007). Schon als CSU-Hinterbänklerin hatte die junge Oberfränkin für Schlagzeilen gesorgt - im Stil von "Stoiber hört auf Huml". Später dann reihte sich selbst die abgeklärte Ärztezeitung in diesen Reigen ein: Huml sei "das erste weibliche Kabinettsmitglied in Bayern, das im Amt ein Baby bekam".

Es soll CSU-Politiker geben, die bei derartiger Berichterstattung vor Selbstbewusstsein platzen würden. Huml gehört nicht zu dieser Sorte. Kürzlich, beim Bayerischen Hausärztetag in der Nürnberger Meistersingerhalle, schwang in ihrer Stimme anfangs sogar eine leichte Unsicherheit mit. Das wäre sogar nachvollziehbar, da hier sieben Jahre zuvor noch CSU-Politiker gnadenlos ausgebuht wurden. Bei Melanie Huml hingegen klatschten Bayerns Hausärzte brav - und das lag nicht nur daran, dass sie selbst approbierte Ärztin ist.

Vehemenz und Kompetenz

"Ich bin begeistert von Frau Huml", sagt Dieter Geis, der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes. Sie setze sich "mit Vehemenz, Kompetenz und Hartnäckigkeit" dafür ein, junge Mediziner als zukünftige Landärzte zu gewinnen. Seit einem Besuch im Maximilianeum glaubt Geis sogar, "dass sie echt geschätzt wird, auch von der Opposition". Ganz falsch liegt er damit nicht. Bald nach Humls Amtsantritt sagte Kathrin Sonnenholzner, die gesundheitspolitische Sprecherin der Landtags-SPD: "Ich bin positiv überrascht." Die Ministerin habe im Ausschuss "überwiegend die richtigen Themen gesetzt". Inzwischen aber wird der Ton im Landtag rauer. Die Zeit der politischen Flitterwochen neigt sich offensichtlich dem Ende zu.

Das zeigt sich auch im Würzburger Matthias-Claudius-Heim. Nach der anrührenden Begegnung mit der alten Dame findet eine Pressekonferenz statt. Huml kündigt an, ihr Haus werde bis zum Sommer prüfen, ob jene Heimträger künftig finanziell herangezogen werden können, die selbst keine Pflegekräfte ausbilden. Das fordern die Wohlfahrtsverbände, die viel Geld in die Ausbildung von Fachkräften investieren, seit Langem. Bei der Staatsregierung stießen sie damit aber bisher auf Vorbehalte. Huml hatte sich gewiss Applaus für ihre Worte erwartet, die nun eine mögliche Wende ankündigen. Stattdessen sagt Diakoniepräsident Michael Bammessel: "Frau Ministerin, Sie verstehen, dass wir gebrannte Kinder sind. Wir wollen Sie beim Wort nehmen. Bitte!"

Andere werden noch deutlicher: "Das neue Pflegeministerium hat meiner Meinung nach bislang keinen neuen Schub gebracht, und die Probleme in der Altenpflege sind zu krass, um länger warten zu können", sagt Leonhard Stärk, der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes. Es müsse sich dringend etwas tun, damit die Missstände in der Pflege ein Ende haben. "Die Wohlfahrtsverbände wünschen sich von der neuen Pflegeministerin endlich Taten", sagt Stärk.

Das Ministerium ist ein Minenfeld

Huml weiß, dass sie einem Ministerium vorsteht, das unter Berufspolitikern als Minenfeld gilt: Bayerns Ärzte gelten bei der Durchsetzung ihrer Ziele nicht gerade als konfliktscheu, viele Kliniken kämpfen um ihre Existenz, und Krankenkassen demonstrieren auch Politikern gern ihre Macht. Als Pflegeministerin ist Huml nun zudem für einen Bereich zuständig, der immer wieder für Schreckensmeldungen sorgt - sei es durch Heimskandale, sei es, dass neue Studien zu überlasteten Pflegekräften erscheinen oder dass es allerorten an qualifiziertem Personal mangelt.

Als politische Aufsteigerin hatte sich Huml, wie der Münchner Merkur anmerkt, den Spitznamen "Biene Maja" eingefangen, weil sie "so lieb mit den Augen" klimpere. Inzwischen ist der Respekt vor ihr gewachsen, kaum einer wird sie noch als "Biene Maja" oder als "Küken" bezeichnen. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen Oppositionspolitiker wie der Grüne Sepp Dürr über Huml lästerten, sie sei die "Kinderüberraschung", mit der "Stoibers Verfügungsmasse" aufgehübscht werde. Um Zweifel an ihrer Tatkraft auszuräumen, verweist sie mehr denn je auf erzielte Erfolge - etwa bei den Hausärzten. "Wir wollen mehr junge Mediziner für die Arbeit als Landarzt gewinnen. Auch deshalb habe ich mich bei den Berliner Koalitionsverhandlungen für einen Verzicht auf die Honorarobergrenze stark gemacht", sagt sie. Und dann folgt ein Satz, den Huml wie ein Mantra wiederholt: "Entscheidend sind die Ergebnisse." Ihr ist voll bewusst, dass ihre Zukunft davon abhängt, was sie jetzt auf die Beine stellt.

Proporz oder Kompetenz?

"Horst Seehofer hat mich fünf Jahre lang im Kabinett erlebt. Er kann meine Arbeit einschätzen", sagt sie. Insider, die diese Sichtweise nicht teilen, glauben eher, Seehofer habe sich vom Proporzdenken leiten lassen - nach dem Motto: jung, eine Frau und noch dazu Oberfränkin. Wie auch immer, er wird Huml nicht schonen. In seiner Regierungserklärung gab er einen Takt vor, der nach Siebenmeilenstiefeln schreit: Neben einem Paradigmenwechsel in der Gesundheitsfürsorge gehe es darum, "die Interessen der bayerischen Patienten und Beitragszahler im Bund noch besser durchzusetzen".

Das klingt nicht nur nach viel Arbeit, sondern auch nach reichlich Ärger mit Berlin. "Ich brauche nicht so viel Schlaf", sagt Huml angesichts der Arbeitsfülle. Aktenberge seien für sie auch kein Anlass zur Flucht. "Ich bin nicht der Typ eines ängstlichen Menschen", sagt sie und pocht unbewusst auf den Besprechungstisch in ihrem Büro. Dorthin kehrt sie oft nach Terminen zurück und sammelt Akten ein, bevor sie mit dem Auto heim nach Bamberg fährt und im Wohnzimmer Seite für Seite durchackert. Ein hoher Preis, um mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn noch ein Familienleben zu haben und sich zugleich als starke Ministerin zu profilieren.

Günther Beckstein, der sie als 32-Jährige ins Kabinett holte, war sich schon damals sicher: "Die kann des." Am meisten habe ihm imponiert, dass Huml neben ihrem Abgeordnetenjob die medizinische Ausbildung abschloss. Die Ochsentour innerhalb der Partei hatte sie da längst angetreten: Die fing 1993 mit dem Eintritt in die Junge Union an und fand mit dem Einzug ins CSU-Präsidium ihren vorläufigen Höhepunkt. Die Ministerin ist damit auf allen Ebenen der Partei präsent. Nicht immer jedoch hatte sie im parteiinternen Machtkampf eine glückliche Hand: so etwa im Herbst 2013, als sie für die CSU Oberfranken Martin Schöffel gegen den früheren CSU-Parteivorsitzenden Erwin Huber ins Rennen schickte. Dieser letztlich erfolglose Kampf um den Vorsitz im Wirtschaftsausschuss ging in die Geschichte der oberfränkischen CSU als "schwarzer Dienstag" ein. Sie selbst sagt: "Das ging damals knapp aus, es hätte genauso knapp gelingen können."

Früher war sie "die Tochter von Michael Beck"

Melanie Huml, ehemals Melanie Beck, stammt aus einem politischen Elternhaus. Ihr Vater, CSU-Stadtrat im oberfränkischen Hallstadt, war ihr stets ein Vorbild. Eines aber hat sich durch Humls Karriere geändert: "Früher sagte ich immer, ich bin die Tochter von Michael Beck." Inzwischen stelle sich der mit den Worten vor: "Ich bin der Vater von Melanie Huml." Die Politik stellte schließlich auch die Weichen für ihr persönliches Glück. 2005 heiratete sie den Rechtsanwalt Markus Huml, den sie in der Jungen Union kennengelernt hatte. Er war Vorsitzender der Jungen Union Bamberg-Stadt, sie Vorsitzende der Jungen Union Bamberg-Land. "Stadt und Land, Hand in Hand", hieß es, wenn die beiden gemeinsam auftauchten. Im März 2012 wurde ihr Sohn Emanuel geboren.

Wenn Huml unterwegs ist, kümmern sich ihr Mann und die Großeltern um den Kleinen. Doch manchmal will sie dem Kind einfach nahe sein. Bei der Klausur in Wildbad Kreuth war Emanuel schon mit dabei.

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