Süddeutsche Zeitung

Gesundheit - München:Söder will bundesweiten Lockdown

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München (dpa) - Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will im Kampf gegen bedrohlich steigende Corona-Infektionszahlen einen kompletten Lockdown in ganz Deutschland. "Es braucht bundesweit Ausgangsbeschränkungen, nächtliche Ausgangssperren in Hotspots, Geschäftsschließungen, Betriebsferien und überall verlängerte Schulferien", sagte Söder am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in München. Zum Zeitraum sagte er: "Das muss bis 10. Januar gelten - aber so lange wie nötig."

Schon am 5. Januar will Bayern in mindestens 93 Impfzentren mit Corona-Schutzimpfungen beginnen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Regierungskreisen. Zuerst hatte darüber der Bayerische Rundfunk unter Berufung auf interne Informationen des Gesundheitsministeriums berichtet. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums bestätigte das Datum offiziell zunächst nicht. Es könnten derzeit keine genauen Termine genannt werden.

Söder hält ungeachtet einer möglichen nahenden Entlastung durch Impfungen ein hartes Durchgreifen für unausweichlich. "Wir brauchen einen konsequenten Lockdown. Wir müssen das öffentliche Leben runterfahren", sagte er. "Das heißt, auch alle Geschäfte zu, abgesehen von denen des alltäglichen Bedarfs wie Lebensmittel. Es ist notwendig, dass wir dann auch überall in Deutschland Ausgangsbeschränkungen und in Hotspots Ausgangssperren in den Nachtstunden haben. Es sollen für diese Zeit einfach alle zu Hause bleiben."

Man müsse zudem den dringenden Appell an die Unternehmen richten, in dieser Zeit - soweit möglich - Betriebsferien zu machen. "Wir müssen Kontakte reduzieren", mahnte der CSU-Vorsitzende. Die Zeit zwischen Weihnachten und dem 10. Januar sei dafür gut geeignet, sagte Söder. An Weihnachten selbst seien mehr Kontakte im Rahmen der geltenden Beschlüsse möglich. Er appellierte allerdings an die Menschen, sich auf den engsten Familienkreis zu konzentrieren.

In Bayern gelten seit Mittwoch landesweit Ausgangsbeschränkungen, wobei - neben einer Reihe weiterer Ausnahmen - auch Treffen mit einem weiteren Hausstand nach wie vor erlaubt sind. In Landkreisen und kreisfreien Städten mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen gilt zudem von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr eine Ausgangssperre. Die Wohnung darf dann nur noch aus einigen wenigen sehr triftigen Gründen verlassen werden - etwa zur Arbeit.

Derzeit wird zwischen Bund und Ländern gerungen, ob und wann die Ministerpräsidenten vor Weihnachten noch einmal mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über schärfere Anti-Corona-Maßnahmen beraten. Sollte es dann tatsächlich zu einem Lockdown mit Geschäftsschließungen kommen, müsste nach Worten Söders Anfang Januar beraten und entschieden werden, wie es weitergeht - und ob der Lockdown-Zeitraum ausreicht.

Auch in Bayern steigen die Corona-Zahlen unaufhörlich weiter. Binnen eines Tages wurden nach Angaben von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) fast 5000 Neuinfektionen gezählt, nämlich genau 4983. Zudem habe es 105 Todesfälle gegeben, sagte Herrmann in einer Regierungsbefragung im Landtag. Er warnte vor einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems. "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir an die Grenzen der Belastbarkeit kommen, steigt", sagte er und rief deshalb zur weiteren Reduzierung von Kontakten auf.

"Dieses Virus folgt weder dem Kirchenjahr noch unseren persönlichen Plänen." Im Landkreis Regen stieg die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen - die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz - laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf eine Wert jenseits der Marke von 600. Im Schnitt lag sie bayernweit bei 189.

Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte: "Aktuell spitzt sich die Lage in den Krankenhäusern zu, das muss man so deutlich sagen." In einigen Regionen kämen die Intensivstationen bereits an ihre Belastungsgrenze. Rund 3300 Corona-Patienten werden nach Angaben Humls derzeit auf Normal- und Allgemeinstationen behandelt, 663 in Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit - deutlich mehr als noch vor einigen Wochen.

Eine härtere Gangart schlägt die Regierung auch bei der Maskenpflicht an. Klarsichtmasken aus Kunststoff werden nicht mehr als ausreichender Schutz angesehen. Die durchsichtigen Masken gelten damit nicht mehr als ausreichende Mund-Nasen-Bedeckung, etwa an Orten, an denen Maskenpflicht herrscht, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Donnerstag in München mit.

Der Geschäftsführer der Vertreiberfirma der Masken, Christian Bär, zeigte sich fassungslos angesichts der Entscheidung. Es seien weit über eine Million Masken im Umlauf. Vermutlich würden nun bis zu 100 Mitarbeiter ihren Job verlieren, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Zuvor war eine Studie der Hochschule München öffentlich geworden, die den Nutzen von Klarsichtmasken stark in Frage stellte. Tests hätten ergeben, dass Aerosole unter den Klarsichtmasken austreten und sich dann unkontrolliert ausbreiten können. Dies bedeute ein hohes Ansteckungsrisiko, sagte der Leiter der Studie, der Münchner Professor Christian Schwarzbauer.

Die oft nach unten und zur Seite offenen Klarsichtmasken sind seit einigen Monaten auf dem Markt und von Anfang an umstritten. Befürworter halten sie für günstiger, weil sie das Erkennen von Mimik um die Mundpartie des Trägers erlauben. Einige Schulen und andere Einrichtungen hatten die Masken sogar zeitweise ausdrücklich empfohlen.

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