Gesundheit:Freistaat will bei Zukunft der Kliniken mitmischen

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Der Erhalt von Krankenhäusern – vor allem auf dem Land – gilt als höchst emotionales Thema in der Bevölkerung. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Finanzielle Not, medizinischer Wandel und politische Reformen: Die Krankenhäuser in Bayern müssen sich neu aufstellen. Gesundheitsministerin Judith Gerlach will diesen Prozess jetzt aktiver begleiten und zumindest Daten liefern, wohin die Reise gehen könnte. Retten kann sie die Kliniken nicht.

Von Nina von Hardenberg, Johann Osel

Die Staatsregierung will den Wandel der bayerischen Krankenhauslandschaft aktiver begleiten – also letztlich auch stärker mitreden bei der Frage, welche Kliniken im Freistaat auf Dauer erhalten werden, was für Behandlungen sie anbieten und welche Häuser schließen müssen. Das Kabinett verabschiedete dazu einen Sieben-Punkte-Plan, den Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) im Anschluss präsentierte. Der Freistaat stehe „den Kliniken bei den notwendigen Strukturveränderungen als enger Partner zur Seite“ und biete den Trägern „Stabilität und Hilfestellung“, sagte Gerlach. Und man wolle, wenn schmerzliche Entscheidungen in den Regionen anstehen, dort in der Rolle eines Moderators auftreten.

Kernstück des Plans ist die Bereitstellung von Datengrundlagen zur künftigen Ausgestaltung der bayerischen Kliniklandschaft. Viele Kliniken müssen sich neu aufstellen. Finanzielle Nöte, Veränderungen in der Medizin und die bereits vom Bundestag beschlossene Krankenhausreform zwingen sie dazu. Die Daten sollen ihnen bei diesem Prozess helfen. Am Donnerstag will Gerlach ihre Pläne bei einer Regierungserklärung auch dem Landtag vorstellen.

Der Erhalt von Krankenhäusern gilt als höchst emotionales Thema in der Bevölkerung. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nannte die Krankenhausversorgung am Dienstag eine „Kernerwartung“ der Bürgerinnen und Bürger an den Staat. Es sei also „eines der politischen Schlüsselthemen unserer Zeit“. Gerade kleinere und mittlere Häuser auf dem Land sind indes nicht rentabel und ausgelastet oder übernehmen – wenig sinnvoll – ein volles Portfolio an Leistungen, ohne die entsprechende Spezialisierung. Ministerpräsident Markus Söder hatte bereits bei der CSU-Klausur in Banz kürzlich angekündigt, man wolle in dem Prozess eine aktivere Rolle einnehmen.

Die Betriebskosten von Krankenhäusern werden über den Bund finanziert. Diese erhalten derzeit pro Behandlung einen festen Satz. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant mit seiner Reform, dass Kliniken künftig eine feste Vorhaltepauschale bekommen, egal, wie viele Eingriffe sie abrechnen. Diese Pauschale ist allerdings an strenge Vorgaben geknüpft, wie viel Personal und welches Gerät eine Klinik vorhalten muss. So soll es zu Spezialisierungen kommen. Für kleinere Kliniken bleibt die Option, sich auf die Basisversorgung der älter werdenden Bevölkerung zu konzentrieren. Als sicher gilt, dass es zu Schließungen kommen wird.

Auch der Freistaat sieht die Notwendigkeit von Veränderungen, unterstützt die Reform im eigentlichen Anliegen. Dies hatte Gerlach bereits im August im Interview mit der SZ betont, viele Aufgaben und Umbrüche stünden an – „Du gehst da nicht als Gewinner raus.“ Am Dienstag kritisierte die Gesundheitsministerin allerdings, dass auf wichtige Einwände der Bundesländer nicht gehört worden sei, dies wolle man im Bundesrat noch mal einbringen.

Was plant die Staatsregierung? Auf Basis von Selbstauskünften der Kliniken, die schon seit einigen Monaten eingeholt werden, soll es eine landesweite Datengrundlage geben, über das in jeder Region künftig zu erwartende medizinische Leistungsangebot samt Notfallversorgung. Ebenso soll es Klarheit über die prognostizierten Patientenzahlen geben. Die Staatsregierung gibt hierzu ein bayernweites Gutachten in Auftrag, das die Bevölkerungsentwicklung je nach Region berücksichtigen soll, aber auch der Trend, dass immer mehr medizinische Leistungen ambulant stattfinden. „Damit wird eine einheitliche Basis für die Zukunftsüberlegungen der Krankenhausträger und ihre Vorgehensweise vor Ort geschaffen“, hieß es.

Krankenhausgesellschaft: Ministerium soll Schiedsrichter spielen

Der Freistaat finanziert zudem regionale Gutachten zur Anpassung von Versorgungsstrukturen. Außerdem soll definiert werden, wie viele Geburtstationen oder Notaufnahmen eine Region überhaupt benötigt. Gerlachs Haus will auch aktiv auf Träger und kommunale Gremien zugehen und diese auffordern, ihre künftige Kliniklandschaft über Regionalkonferenzen auszuarbeiten – sofern die verantwortlichen Krankenhausträger nicht bereits Überlegungen dazu anstellen. Das bedeutet also Druck, das Ministerium bietet dabei aber an, diesen Dialogprozess durch einen externen Moderator zu organisieren. Der Freistaat will Krankenhausträger bei der Rückzahlung von Landes-Fördermitteln, die noch nicht abgeschrieben sind, entlasten.

Heißt unterm Strich: Der Freistaat begibt sich nicht selbst in die unrühmliche Rolle, die Schließung oder Fusion von Kliniken zu veranlassen – er gibt Trägern und Kommunen dafür aber Entscheidungshilfen mit den nötigen Daten. Und Gerlach will sich zumindest symbolisch hinter die Landräte und Bürgermeister stellen: Wenn etwa Krankenhaus schließen muss, soll dies auch im Kabinett diskutiert und bestätigt werden.

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft zeigte sich vorsichtig zufrieden mit den Plänen der Ministerin. Erwartungen setzt man in die geplanten Regionalkonferenzen, in denen Kliniken ihr Behandlungsangebot künftig stärker abstimmen sollen. Wo zu viele Kliniken etwa Hüftoperationen anbieten, entstehe eine ungute Konkurrenz um Ärzte und Patienten, sagte Geschäftsführer Roland Engehausen. Man erwarte, dass das Gesundheitsministerium hier künftig stärker als „Schiedsrichter“ auftrete.

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