Gesundheit:Erschreckend viele Kinder haben Probleme mit ihren Füßen

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Fehlstellungen von Kinderfüßen können sich in späteren Jahren zu ernsthaften Beschwerden entwickeln. (Foto: Catherina Hess)
  • Zahlreiche Kinder haben Fehlstellungen der Füße, die zu größeren Problemen führen können.
  • Fast 70 Prozent der Kinder tragen zu kleine, zu große oder zu enge Schuhe.
  • Ein Grund dafür ist, dass sich Kinder heute weniger bewegen als früher.

Von Dietrich Mittler, München

Nein, lautlos geht das nicht ab, wenn die Buben und Mädchen im Kinderkreis Sendling über Steine, Tannenzapfen und ein dickes Tau balancieren. Jeder Schritt wird kommentiert, sei er nun zaghaft oder kühn. Am Montag stellten Bayerns Betriebskrankenkassen (BKK) in München ihren Abschlussbericht vor, als Resümee einer Studienreise durch Kindergärten von Hof bis Berchtesgaden.

Dabei ging es einzig um gesunde Kinderfüße, und die Ergebnisse sind alarmierend. Fast 70 Prozent der Kinder tragen zu kleine, zu große oder zu enge Schuhe. Und fast die Hälfte der etwas mehr als tausend untersuchten Kinder war "orthopädisch auffällig".

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Flexible Knick-Senk-Füße, so lautete die Hauptdiagnose. Verwächst sich die Fehlstellung nicht in späteren Jahren, so können sich im mittleren Alter ernstere Beschwerden einstellen. Die Orthopäden und Sportpädagogen stießen bei ihrer Untersuchung aber auch auf Sichelfüße, Spreiz- oder Spitzfüße. Oft wird über derlei Fußleiden hinweggelächelt. Doch das ist falsch. "Der Fuß ist das Erste, was aus dem Ruder läuft", sagt Joachim Lauen. Er ist der Leitende Arzt für rekonstruktive Kinderorthopädie an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau.

Im Laufe der Jahre habe er beobachtet, so sagt Lauen, dass ernstere Fußbeschwerden bei Kindern stetig zugenommen haben. "Immer mehr Kinder müssen am Fuß operiert werden. Das war vor mehr als 30 Jahren, als ich angefangen habe, noch eine Seltenheit." Auch Sigrid König, die Chefin des BKK-Landesverbandes Bayern, findet es sehr bedenklich, dass den Füßen zu wenig Beachtung geschenkt wird. "Viele chronische Folgeerkrankungen wie Knie-, Hüft- und Rückenbeschwerden, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen haben ihren Ursprung in Fußfehlstellungen in den ersten Lebensjahren", sagt sie.

Nach Ansicht von Joachim Lauen steht alles miteinander im Verhältnis: Hätten nämlich Kinder Beschwerden am Fuß, so bewegten sie sich weniger und legten dann oft erheblich an Gewicht zu. "Welches Kind kommt denn noch zu Fuß zum Kindergarten?", fragt er. "Und welche Eltern erlauben ihren Kindern noch das Barfußlaufen auf unebenem Gelände?", setzt er nach. "Die Kinder bewegen sich heute weniger als noch vor 20 Jahren", sagt auch der Sportwissenschaftler Mark Nitschky, der an der aktuellen Studie beteiligt war.

"Mangelnde körperliche Koordinationsfähigkeit ist die Folge", warnt der Kinderorthopäde Lauen. Natürliche Bewegung indes habe einen Effekt, den nur wenige Eltern im Auge hätten: "Wenn ich mich viel bewege, dann wirkt sich das auch positiv auf die Gehirnleistung aus." Seilspringen etwa bewirke einiges an Verknüpfungen im Gehirn, ist sich auch BKK-Chefin Sigrid König sicher. Das legt durchaus nahe: Ein kluger Kopf hat auch etwas mit gesunden Füßen zu tun.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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