Süddeutsche Zeitung

Gespräch mit Mollath:"Man fühlt sich wie der letzte Dreck"

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Wird dem gerade beantragten Wiederaufnahmeantrag stattgegeben, käme Gustl Mollath tatsächlich umgehend frei. Mit der SZ hat er über diese neue Situation und seine Erfahrungen in der Psychiatrie gesprochen. Wie geht er damit um, niemals ungestört telefonieren zu können, Nacht für Nacht mehrmals geweckt zu werden und sein Wahlrecht verloren zu haben?

Von Olaf Przybilla

Gustl Mollath, 56, sitzt seit sieben Jahren in der Psychiatrie. In der vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft Regensburg einen Wiederaufnahmeantrag gestellt. Würde das Regensburger Landgericht diesem stattgeben, dann käme Mollath umgehend frei. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte Mollath jetzt, er sei dankbar für diese Entwicklung. Immerhin sei jetzt eine Situation erreicht, in der manches aus seinem Fall öffentlich geworden sei.

Durch die Medienberichterstattung sei dokumentiert, dass vieles in seiner Sache "belegbar falsch gelaufen" sei. Insofern sei seine Lage nun deutlich positiver, als sie noch vor geraumer Zeit gewesen sei. Es habe Momente gegeben, in denen er die Möglichkeit, noch einmal rauszukommen aus der psychiatrischen Anstalt, als nahezu nicht existent betrachtet habe.

Als Gründe dafür nennt Mollath, dass sowohl Erstgutachten als auch rechtskräftige Gerichtsurteile üblicherweise wie ein "Gebetbuch" behandelt würden: "Daran wird nicht mehr gerüttelt." Egal wie auffällig unter Umständen Dinge, die darin dargestellt seien, offenkundig falsch seien. Betroffene, die auf mögliche Falschdarstellungen in Gutachten oder Urteilen hinwiesen, würden zu Querulanten erklärt.

In seinem Fall, erklärt Mollath, habe das Rechtssystem "katastrophal versagt". Es sei leicht gewesen für die Ermittlungsbehörden, auf die richtige Fährte zu kommen. Es seien frühzeitig entscheidende Hinweise, die für ihn gesprochen hätten, einfach ausgeblendet worden. Überdies habe man ihn etwa zu seinen Anzeigen persönlich nie gefragt.

Psychopharmaka habe er in den sieben Jahren seiner Zwangseinweisung stets kategorisch abgelehnt. Er habe zahlreiche Beispiele miterleben müssen, welche schlimmen Folgen die Nebenwirkungen dieser Medikamente bewirken könnten.

"Absolut unerträglich"

Mollath beschreibt in dem SZ-Gespräch, dass er in der geschlossenen Abteilung nur auf dem Gang telefonieren dürfe, in Hörweite zum Personal. Das Krankenhaus biete ihm lediglich eine "Pseudoprivatsphäre". Auch dass er höchstens vier Mal am Tag 20 Minuten lang telefonieren dürfe, beschreibt der 56-Jährige. Auch werde er in der Nacht vom Personal bei Kontrollgängen mehrfach geweckt - zu seiner eigenen Sicherheit, wie es heiße.

Wo er im Fall seiner Freilassung unterkommen würde, wisse er konkret noch nicht. Es gebe Wohnangebote, inzwischen auch von Menschen, die er gar nicht kenne. In sein Elternhaus könne er dagegen nicht mehr zurück. Dieses sei während seiner Einweisung zwangsversteigert worden. Sämtliche privaten Dinge von ihm seien deshalb womöglich verloren.

Vor allem diese Situation sei "absolut unerträglich" für ihn. Ob er jemals wieder als Maschinenbauer arbeiten könne, sei unter diesen Umständen höchst fragwürdig: Immerhin seien sämtliche Unterlagen und Dokumente von ihm vermutlich nicht mehr vorhanden.

Auch wählen dürfe Mollath seit der Zwangseinweisung im Jahr 2006 nicht mehr. Das sei eine der schlimmsten Erfahrungen gewesen: Plötzlich zu registrieren, keine Wahlkarte mehr zu bekommen. "Dieses Recht einem zu nehmen - da fühlt man sich wie der letzte Dreck", sagt Mollath.

Das ganze Interview lesen Sie an diesem Donnerstag im Bayernteil der Süddeutschen Zeitung

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