Gespräch mit Horst Seehofer:"Ich will nicht Gefangener von Angst und Vorsicht werden"

Der Bundesminister über seine Kandidatur für den CSU-Vorsitz, die Reform seiner Partei und die Gegenkandidaten Pauli und Huber.

S. Beck, P. Fahrenholz, B. Kruse und K. Stroh

SZ: Herr Seehofer, Sie machen seit einiger Zeit einen recht entspannten Eindruck. Haben Sie sich mit einer Niederlage auf dem Parteitag bereits abgefunden?

Horst Seehofer, ddp

Horst Seehofer: Ich möchte auch weiterhin in meinem Job ein Stück Fröhlichkeit, Leichtigkeit, Humor.

(Foto: Foto: ddp)

Horst Seehofer: Die Anspannung vor der Sommerpause hatte andere Gründe als die Politik. In der Frage der CSU-Kandidatur war ich im Januar so entspannt wie heute.

SZ: Glauben Sie immer noch, Sie können gewinnen?

Seehofer: Ja. Entschieden ist, wenn ausgezählt ist. Es gibt einen Favoriten, und der heißt Erwin Huber. Jetzt schauen wir mal, wie der Parteitag läuft.

SZ: Gelassenheit wird nicht reichen, um zu gewinnen.

Seehofer: Ja, aber es ist eine Voraussetzung für vernünftiges Handeln.

SZ: Wollen Sie denn überhaupt gewinnen? Oder geht es nur noch darum, durchgehalten zu haben?

Seehofer: Natürlich will ich gewinnen.

SZ: Sie haben immer angekündigt, mit einem Team antreten zu wollen. Wo ist denn Ihr Team? Wann stellen Sie es vor?

Seehofer: Ich habe gesagt, dass ich da unentschieden bin: Ob man sich erst die Legitimation auf dem Parteitag holt und dann Namen vorstellt. Oder ob man sich mit personellen Vorstellungen zur Wahl stellt. Ich habe einige Namen im Kopf.

SZ: Haben Sie mit denen auch schon gesprochen?

Seehofer: Ich neige im Moment dazu, dass man erst die Legitimation des Parteitages braucht.

SZ: Wer soll denn Ihr Generalsekretär werden?

Seehofer: Über einen Generalsekretär spekuliert man nicht, man präsentiert ihn. Und dazu brauchen sie die Legitimation als Parteivorsitzender.

SZ: Steht Ihr Team denn wenigstens in Ihrem Kopf oder treten Sie auf dem Parteitag wieder als Einzelkämpfer auf?

Seehofer: Wie kommen Sie darauf, dass ich Einzelkämpfer bin?

SZ: Das wird in der CSU immer wieder über Sie gesagt.

Seehofer: Gesagt wird unheimlich viel, deshalb muss es nicht zutreffen. Ich bin Teamspieler und kämpfe immer mit offenem Visier. Ich finde, wir haben bis jetzt einen vorzüglichen und fairen Wahlkampf geführt und sollten das bis zum Parteitag beibehalten. Und dann wird es einen Gewinner geben (macht eine Kunstpause) - die CSU.

SZ: Bisher sind Ihre programmatischen Vorstellungen reichlich nebulös geblieben. Ein bisschen Verjüngung, ein bisschen mehr Transparenz. Was müsste sich denn wirklich ändern in der CSU?

Seehofer: Wenn Sie mal alles schreiben würden, was ich mir vorstelle, würden Sie so eine Frage nicht mehr stellen.

SZ: Sie dürfen jetzt aber ein bisschen was sagen.

Seehofer: Ich will die CSU in den nächsten zwei, drei Jahren auf allen Führungsebenen deutlich verjüngen. In allen Politikbereichen möchte ich ein kompetentes Bayern-Team, das weit über Bayern hinaus Reputation besitzt. Außerdem will ich einen offenen Stil pflegen. Meine Devise ist: Mitdenken, mitreden, mitentscheiden.

SZ: Wurde in der CSU unter Stoiber zu wenig mitgedacht, mitgeredet und mitentschieden?

Seehofer: Jeder Vorsitzende hat seinen Stil. Das ist keine Kritik an der Vergangenheit. Wir hatten ja große Erfolge, die CSU steht blendend da!

SZ: Aber Sie wären ein weniger monomanischer Parteichef als Stoiber?

Seehofer: Ich glaube, die Kluft zwischen Bevölkerung, Mitgliedern und Parteiführung kann auch durch Transparenz und Offenheit überwunden werden. Vieles hat sich bewährt, das sollten wir weiter pflegen. Aber es gibt auch Nachholbedarf. Etwa das Thema Umwelt, bei dem uns nicht die gleiche Kompetenz zugemessen wird wie anderen Parteien. Auch erwarten die Jüngeren zu Recht, dass wir die Schuldenspirale beenden. Ich bin dafür: Erst neue Schulden weg, dann Steuern senken. Wer weiter Schulden macht, wird nie die Steuern senken können, da die Zinslast weiter wächst. Und ich unterstütze auch das Anliegen der Jüngeren, in den Sozialsystemen mehr private Vorsorge zu verankern.

SZ: Aber darüber hat die CSU nicht diskutiert, es ging nur um die Frage: Wann entscheidet sich Seehofer, mit welcher Frau er zusammenleben möchte?

Seehofer: Das ist vorbei, dazu habe ich genug gesagt. Ich glaube, dass wir uns auf die Programmatik stürzen müssen - vor dem Hintergrund dessen, dass vier Wahlen auf uns warten.

SZ: Was Sie sagen, unterschreibt jeder Kandidat. Auch Huber setzt ja nicht auf inkompetente, abgehalfterte Politiker oder will den Altersschnitt weiter heben.

Seehofer: Es ist doch klar, dass zwischen Führungskräften einer Partei mehr Übereinstimmung besteht als Differenz. Bei einzelnen Punkten aber werden wir immer diskutieren. Zuletzt hatten wir eine große Debatte über das Wahlprogramm 2005. Da hatte ich andere Schwerpunkte als Erwin Huber. Und das Wahlergebnis hat ja gezeigt, wie die Bevölkerung darüber denkt. Oder die Frage: Schulden abbauen oder Steuern senken? Auch da haben wir durchaus unterschiedliche Akzente. Und dann gibt es noch die großen strategischen Fragen. Ich widerspreche allen, die sagen: Hauptsache, wir haben in Bayern die Geschicke in der Hand. Wir haben nur Erfolg, wenn alle Ebenen, von den Kommunen bis zur EU, eng zusammenspielen.

SZ: Drei Unterschiede also. Müssen Sie die nicht viel pointierter darstellen?

Seehofer: Ich muss eine Kontroverse doch nicht personalisieren. Ich stelle einfach klar, wofür ich stehe. Wir wären von allen guten Geistern verlassen, würden wir unser patriotisches Markenzeichen, die CSU ist Bayern und Bayern ist die CSU, nicht weiter pflegen. Aber niemand kann bestreiten, dass die CSU beim Altersmix Verbesserungsbedarf hat und dass wir die Bevölkerung stärker einbinden müssen. Die Debatte Ende letzten Jahres kam nur ins Rollen, weil es da Defizite gab. Zur CSU gehört ein Wirtschaftsflügel, ein Sozialflügel - und ein Cockpit in der Mitte, wo die Führung sitzt. Und wir bleiben konservativ: Wir bewahren, was den Menschen nutzt, und verändern, was die Menschen belastet.

(Lesen Sie, wie Seehofer heute zu den Medien steht und ob er noch allen Parteifreunden in die Augen blicken kann.)

"Ich will nicht Gefangener von Angst und Vorsicht werden“

SZ: Können Sie eigentlich noch jedem aus Ihrer Partei in die Augen blicken?

Horst Seehofer, ddp

Horst Seehofer: Es hat den jeweiligen Parteien immer geschadet, wenn sie Menschen ausgegrenzt haben.

(Foto: Foto: ddp)

Seehofer: Ja, da habe ich keine Probleme. Ich weiß, wie das in Parteien so abläuft - als so schrecklich habe ich das nicht empfunden. Das waren ganz wenige, wie bei den Medien auch.

SZ: Aber die waren recht intrigant.

Seehofer: Ach, ich möchte das nicht kritisieren. Auch bei den Journalisten war das nicht mal eine Handvoll, die neben der Spur liefen ...

SZ: ... im CSU-Vorstand wären es wahrscheinlich zwei Hände voll.

Seehofer: Nein, Sie übertreiben.

SZ: Es wurde immer diskutiert: Warum braucht der Seehofer so lange, bis er sich entscheidet? Sie selber haben anfangs gesagt: Lasst mir zwei bis drei Wochen Zeit. Daraus wurden fünf Monate.

Seehofer: Erstens können Sie so eine Frage nicht aus politischem Kalkül entscheiden. Zweitens ist dazu alles gesagt. Und drittens: Wenn das für manche das wirkliche Handicap war, für mich zu votieren, dann ist es ja jetzt beseitigt.

SZ: Fühlen Sie sich eher als Opfer einer Medienkampagne oder einer Kampagne von Parteifreunden?

Seehofer: Auch das ist Vergangenheit. Das ist verarbeitet, vorbei. Was man nicht ändern kann, muss man akzeptieren, abhaken und in die Zukunft schauen. So einfach ist das. Ich kann die letzten sieben Monate doch nicht mehr neu schreiben und mein ganzes restliches Leben mit einer Betrachtung der ersten Hälfte des Jahres 2007 verbringen.

SZ: Welche Fehler haben Sie denn in den sieben Monaten selber gemacht?

Seehofer: Keine großen.

SZ: Hat sich Ihr Verhalten gegenüber den Medien verändert?

Seehofer: Bei manchen haben Auflagen und Einschaltquoten einen höheren Stellenwert als alles andere. Aber das sind im Kern vielleicht zwei oder drei Medien. Deswegen werde ich jetzt nicht zu einem neuen Seehofer mutieren, der jeden Satz, den er sagt, fünffach absichert. Ich möchte auch weiterhin in meinem Job ein Stück Fröhlichkeit, Leichtigkeit, Humor. Ich will nicht Gefangener von Angst und Vorsicht werden. Selbst wenn ich Ende September verlieren sollte, bleibt das Leben schön.

(Lesen Sie, was Seehofer über die Kandidatur von Gabriele Pauli denkt und welche Gründe für Erwin Huber als künftigen Parteichef sprechen.)

"Ich will nicht Gefangener von Angst und Vorsicht werden“

SZ: Wenn Sie verlieren sollten, bei wie viel Prozent liegt Ihre Schmerzgrenze?

Seehofer: Ich habe keine Schmerzgrenze. Ich bin mir sicher, dass die vier oder fünf Punkte, die für den Erfolg der CSU auch in Zukunft wichtig sind, im Laufe der Zeit Realität werden. Das ist meine Motivation. Ob ich jetzt Vorsitzender bin oder nicht: Ich werde für diese Positionen weiterkämpfen.

SZ: Was den strategischen Weitblick anlangt: Wäre die CSU mit dem großen Horst also besser dran als mit dem kleinen Erwin?

Seehofer: Wir stehen vor zwei kolossal schwierigen Jahren. Einerseits sind wir zum Erfolg verdammt. Andererseits müssen wir die Erneuerung durchführen, die wir in den letzten Jahren versäumt haben. Dafür bin ich auch mitverantwortlich. Die personelle Erneuerung kann doch nicht bis zur übernächsten Landtagswahl verschoben werden, wie es einige schon wieder erwägen. Ich werbe dafür, über die Bedingungen des Erfolgs nachzudenken, und nicht nur darüber, wie man den Erfolg verteilen kann.

SZ: Glauben Sie, dass Gabriele Pauli in der CSU noch eine Zukunft hat?

Seehofer: Ich bin gegen Ausgrenzungen. Es widerspräche unseren Grundsätzen diametral, wenn die Bereitschaft zu einer Kandidatur die Beendigung einer politischen Laufbahn bedeutete.

SZ: Aber Pauli kostet Sie Stimmen.

Seehofer: Das ist wahr. Aber ich kann doch Wahlen nicht nur dann für demokratische Normalität halten, wenn Kandidaten antreten, die mir nicht schaden.

SZ: Glauben Sie, dass Frau Pauli im nächsten CSU-Vorstand sitzt?

Seehofer: Das ist schwer einzuschätzen. Ich kann nur von meiner Erfahrung ausgehen, und die sagt mir, dass es den jeweiligen Parteien immer geschadet hat, wenn sie Menschen ausgegrenzt haben.

SZ: Sie wollten ja nur noch gut über Huber reden. Also: Warum wäre Erwin Huber der bessere Parteivorsitzende?

Seehofer: Ich kann Ihnen nur sagen, was ich gut an ihm finde. Er gehört in der CSU zu den großen, kompetenten Politikern. Das zeigt ja schon die Vielzahl an Funktionen, die er alle gut erfüllt hat. Zweitens stimmen wir in vielen Punkten inhaltlich überein. Und drittens ist das der faire Umgang zwischen uns in den vergangenen Monaten. Darauf bin ich stolz - obwohl Sie pausenlos versuchen, ein Feuerchen anzuzünden. Am Ende werden objektive Betrachter über uns sagen: Hund sans scho. Auch das haben sie wieder hingebracht.

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