Gesetz zur Sicherungsverwahrung:Kleine Freiheit hinter Gittern

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Haftstrafe verbüßt, und doch nicht in Freiheit: Erstmals wurde in Deutschland die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach einer Jugendstrafe angeordnet. Nun legt der Täter Beschwerde ein. (Foto: dpa/Roland Weihrauch)

Baustelle Gefängnis: Bis Ende Mai muss in Straubing der Neubau für Sicherungsverwahrte fertig sein. Denn auch der Freistaat Bayern muss Sicherungsverwahrte künftig von normalen Häftlingen trennen.

Von Dietrich Mittler

Noch genau 107 Tage, dann muss der Neubau für die Sicherungsverwahrten in Straubing schlüsselfertig übergeben sein. Doch Matthias Konopka, der Leiter der Justizvollzugsanstalt Straubing, ist zuversichtlich, dass alle Zeitpläne eingehalten werden: "Der Innenausbau ist bereits voll im Gang." In Spitzenzeiten seien bis zu 150 Handwerker zugange, um die gut 270 Räume termingerecht auszustatten. Konopka ist schon gespannt auf die Außenwirkung des Gebäudes in einem Ockerton mit weiß abgesetzten Fenstern. "Das schaut bestimmt ganz toll aus", sagt er.

Spätestens am 31. Mai, so verlangt es der Bundesgesetzgeber, muss die räumliche Trennung zwischen normalen Strafgefangenen und jenen Straftätern gegeben sein, die nach verbüßter Haft zum Schutz der Allgemeinheit auch weiterhin festgehalten werden.

Während die Hardware in Form des Gebäudes in Straubing allmählich der Vollendung zustrebt, wird derzeit in München an der Software - einem Landesgesetz zum Vollzug der Sicherungsverwahrung - bis zur zweiten Lesung im Landtag Mitte Mai noch kräftig gefeilt. Konopka selbst war kürzlich auf einer Landtagsanhörung. Die Experten sind sich zwar weitgehend darin einig, dass der Entwurf im Grunde den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts standhält.

Einige, wie der niedersächsische Kriminologe Tillmann Bartsch, sehen im Entwurf der Staatsregierung sogar "viel Lobenswertes", warnen aber im gleichen Atemzug, dass in Einzelpunkten des insgesamt 62 Seiten starken Gesetzentwurfs verfassungsrechtlich Bedenken angebracht sind.

Bartsch hält es zum Beispiel für kritisch, dass ein Anstaltsleiter die Rechte von Sicherungsverwahrten bereits dann einschränken kann, wenn "eine Gefahr für die Ordnung der Anstalt" droht, wozu auch relativ kleine Verstöße gehören. In anderen Ländergesetzen werden solche eingreifenden Maßnahmen nur zugelassen, wenn dies für die Sicherheit der Einrichtung notwendig ist.

Aus Sicht der Praktiker im Strafvollzug sind die schärferen bayerischen Regeln gerechtfertigt: "Das sind keine Hühnerdiebe, die hier sitzen", sagt Johann Endres vom Kriminologischen Dienst des bayerischen Justizvollzugs in Erlangen. Alkoholkonsum etwa könne gravierende Folgen haben: "Wir haben es mit Menschen zu tun, deren Impulskontrolle bereits im nüchternen Zustand kritisch ist", betont er. Aber auch kleinere Ordnungsverstöße könnten schnell eskalieren - hin zur "Respektlosigkeit".

Der bayerische Entwurf, darin besteht Konsens, ist restriktiver als alle Gesetze im Bundesvergleich. "Was kein Nachteil sein muss", wie es am Mittwoch aus dem Justizministerium in München hieß. Aus dem Mund der Justizministerin Beate Merk (CSU) hört sich das so an: "Wir gewähren den Sicherungsverwahrten Freiheit nach innen. Und wir kümmern uns intensiv um Therapie und Resozialisierung, soweit das möglich ist. Aber wir garantieren zugleich eine höchstmögliche Sicherheit nach außen." Schließlich handele es sich hier um extrem gefährliche Täter.

Nicht nur Jörg Kinzig, der Dekan der Juristischen Fakultät an der Universität Tübingen, fragt sich indes, warum den Straftätern innerhalb der Mauern in Bayern keine unüberwachten Langzeitbesuche gestattet werden sollen, die auch Intimkontakte zu den Lebenspartnerinnen zulassen würden. In anderen Bundesländern gebe es dafür etwa extra eingerichtete Container. Gerade für Sexualtäter sei es vorteilhaft, wenn sie bereits in der Verwahranstalt Erfahrungen in einem guten Umgang mit dem anderen Geschlecht sammeln könnten.

"In keinem anderen Bundesland werden solche Sicherheitsverwahrte so gefährlich wieder in die Freiheit entlassen wie in Bayern", kritisierte Kinzig. Hier aber hat das Justizministerium eine ganz andere Meinung: Wenn Sicherungsverwahrte, die sich bewährt hätten, im Rahmen einer Vollzugslockerung rauskämen, so hätten sie "eine viel angemessenere und würdigere Gelegenheit, intime Kontakte zu pflegen." Und die, die nicht rauskämen, seien so gefährlich, dass man sie auch drinnen nicht mit Besuchern allein lassen könne.

Generelle Kritik am Gesetzentwurf kommt indes von den Grünen. "Wir müssen uns von einer Denke verabschieden, die die Sicherungsverwahrung als verlängerten Strafvollzug sieht", sagte die Rechtsexpertin Christine Stahl. So sei es doch sehr fraglich, ob Sicherheitsverwahrte tatsächlich einem Arbeitszwang unterliegen dürften - auch wenn dieser mit einer Therapie verknüpft ist.

Nach Ansicht des SPD-Rechtsexperten Franz Schindler handelt es sich zwar um "kein ganz schlechtes Gesetz". Die SPD setze sich aber dafür ein, dass etwa Fragen der Kleidung oder der Ausstattung mit Handy und Computer nicht "im Ermessen der Anstaltsleitungen" liegen dürfen.

© SZ vom 14.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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