Kirchenzeitung mit Tradition:Botschaft für den frommen Rest

Das Altöttinger Gnadenbild, der Kapellplatz, die Neuöttinger Pfarrkirche â€" der erste Titel zeigte die Verbundenheit zum Gnadenort.

Das Altöttinger Gnadenbild, der Kapellplatz, die Neuöttinger Pfarrkirche - der erste Titel zeigte die Verbundenheit zum Gnadenort.

(Foto: Altöttinger Liebfrauenbote)

Der "Altöttinger Liebfrauenbote" besteht sein 125 Jahren - derzeit hat er aber nur noch wenige tausend Abonnenten. Das Heft hat turbulente Zeiten überstanden - und womöglich gar die Kirchengeschichte beeinflusst.

Von Hans Kratzer, Altötting

Obwohl er nie zu den großen politischen Leitmedien des Landes zählte, hat es der Altöttinger Liebfrauenbote geschafft, die globale Kirchengeschichte des 21. Jahrhunderts nachhaltig zu beeinflussen. Den Beleg dafür brachte vor gut 15 Jahren eine Recherche ans Licht. Dabei kam heraus, dass der Liebfrauenbote oder "Bote", wie ihn viele nennen, im Juli 1920 eine Annonce veröffentlichte, die der Gendarm Joseph Ratzinger (1877-1959) aufgegeben hatte. Dieser suchte nämlich zwecks Eheschließung ein "katholisches Mädchen, das kochen und nähen kann". Es antwortete die Köchin Maria Peintner (1884-1963), woraufhin sich alles aufs Beste fügte und am 9. November 1920 geheiratet wurde.

Eines der Kinder, die aus der Ehe hervorgingen, war Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., der bis heute zu den eifrigen Lesern des Liebfrauenboten zählt. Untröstlich darüber, dass das katholische Wochenblatt oft in den Weiten des vatikanischen Bürobetriebs versandete, hatte Ratzinger vor Jahr und Tag seinen Sekretär Georg Gänswein beauftragt, dafür Sorge zu tragen, dass ihm der "Bote" regelmäßig zugestellt werde. Gänswein bat daraufhin den damaligen Chefredakteur Peter Becker, man möge das Blatt der Zustellsicherheit halber an Gänswein direkt schicken.

Gerade im Jahr seines 125-jährigen Bestehens gäbe es noch Myriaden von Geschichten zu erzählen, die sich um den "Boten" ranken. Das Blatt ist aus der katholischen Glaubenswelt nicht wegzudenken, auch wenn sich das in der aktuellen Auflage von 7350 Exemplaren nicht widerspiegelt. Als die SZ vor 25 Jahren den 100. Geburtstag des Blattes würdigte, konnten noch 40 000 Abonnenten gemeldet werden. Man ersieht daraus, wie rapide die Erosion der frommen Glaubenswelt, von der die Generation Ratzinger geprägt wurde, voranschreitet.

Als der Liebfrauenbote im Januar 1895 ins Leben gerufen wurde, war die Lage der Kirche aber auch nicht kommod. Blätter wie er resultierten aus Bismarcks Kulturkampf. Der Konflikt zwischen dem Deutschen Kaiserreich und der katholischen Kirche war zwar 1887 beigelegt worden, doch zeugen Artikel im "Boten" des Jahres 1895 vom noch immer ramponierten Vertrauensverhältnis. Über Bismarck schrieb der "Bote", "zu einer besonderen Ehrung hat weder ein guter Katholik noch ein guter Bayer einen Grund", schließlich habe er nicht nur die Kirche "vernichten" wollen, sondern auch die Selbständigkeit Bayerns.

Vor diesem Hintergrund wagte es der Kooperator Franz Xaver Konrad, eine katholische Sonntagszeitung zu publizieren. Ein Stich mit dem Altöttinger Gnadenbild, Kapellplatz und der Neuöttinger Pfarrkirche schmückt die Titel der ersten Ausgaben. Ein klarer Hinweis auf die katholische Ausrichtung des Blatts sowie auf seine Verbundenheit zum Gnadenort Altötting.

Herausgeber Konrad wurde später Stadtpfarrer in Altötting. Unvergessen ist seine Flucht mit dem Gnadenbild im Revolutionsjahr 1919, als er in Passau Schutz vor den anrückenden roten Garden suchte. Damals geriet der "Bote" erstmals in das Kraftfeld der politischen Zensur. Berichtete er anfangs vor allem über Altötting, so weitete sich sein Blick letztlich auf die ganze Welt. Reportagen, Interviews und Nachrichten prägen den Inhalt ebenso wie Erzählungen, Rätsel und Fortsetzungsromane. Und wenn es sich ergibt, trägt der "Bote" auch zur Erheiterung der Leserschaft bei, manchmal sogar unfreiwillig. Wie die SZ vor 25 Jahren festhielt, ging die Verlagsangestellte Maria Kammerlehner mit einem Manne namens Selbst die Ehe ein. Und das Ende vom Lied: "Wenn sie sich unter ihrem neuen Namen Maria Selbst am Telefon meldete, dann konnte es unterlaufen, dass ganz fromme Kunden erheblich irritiert waren."

Dem Gründungsvater Konrad lag viel daran, dass der "Bote" im Dienste der Gottesmutter und der Wallfahrt agieren sollte. Dieser Umstand bot Kritikern von Kirche und Glaube immer wieder Anlass, die Sache ins Lächerliche zu ziehen. Richtig gefährlich aber wurde es in der Nazizeit, als der Benefiziat Karl Vogl als scharfzüngiger Autor eisern das Grundprinzip des "Boten" beherzigte, sich nicht von Extremisten vereinnahmen zu lassen. 1933 wurde der Liebfrauenbote als eine der ersten Zeitungen zunächst verboten und dann zensiert.

Von solcher Pein schon lange befreit, urteilt die jetzige Redaktion über ihr Blatt, es sei für seine Leserinnen und Leser Woche für Woche "ein Grundnahrungsmittel für Geist und Seele, gerade in herausfordernden Zeiten wie jetzt". In diesem Sinne hält in der neuen Ausgabe ein Zisterziensermönch Ratschläge zur positiven Erhellung der Stimmung parat. Als Vorbild wird überdies eine starke Frau vorgestellt, die alleinerziehende Mutter Aliah aus dem Westjordanland, die der Unbill des Lebens Tatkraft entgegensetzt. Abgerundet wird die Lektüre wie immer mit einer die Schwere dieser Zeiten sanft brechenden Prise leichten Humors. "Was passiert, wenn man eines der zehn Gebote bricht?", fragt der Lehrer im aktuellen Heft. Bub Maxl sagt: "Na ja, ich fürchte, dann sind's nur noch neun."

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