Geschichte:Kaderschmiede für den Freistaat

Löwenstatue im Schutt, 1945

Der bayerische Löwe wirkt immer stolz - selbst in den Trümmern des Zweiten Weltkrieges.

(Foto: Gisela/Timeline Images)

Das Institut für Bayerische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität wurde vor 70 Jahren gegründet. Dort wird das geistige und kulturelle Fundament Bayerns geschaffen. Eine Aufgabe, die heute immer wichtiger wird

Von Hans Kratzer

Wenn die Frage nach dem ältesten Staat Europas gestellt wird, dann fällt als Antwort oft der Name Bayern. Immerhin können die Bayern ihr Dasein bis ins 6. Jahrhundert zurückdatieren. Mit dieser stolzen Vergangenheit geht auch eine große Tradition der Geschichtsschreibung einher, deren Elan bis heute nicht nachgelassen hat. Einen modernen Grundpfeiler markiert etwa das an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität angesiedelte Institut für Bayerische Geschichte, das in diesen Tagen 70 Jahre alt wird. Am Mittwochabend wurde dieses Jubiläum mit einer Festveranstaltung im Bayerischen Hauptstaatsarchiv gewürdigt.

Bei dieser Gelegenheit wurden grundlegende Fragen zum kulturellen Erbe Bayerns im 21. Jahrhundert erörtert, nicht zu Unrecht, wie sich herausstellte. Denn dieses Erbe ist in seinem Bestand massiv gefährdet, mag es auch, was gerne verdrängt wird, von der Geschichte und von den Traditionen Europas zutiefst geprägt sein.

Das 1947 gegründete Institut für Bayerische Geschichte ging aus einer Initiative des Historikers Max Spindler (1894 - 1986) sowie des Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (1887 - 1980) hervor. Es sollte mittels Erforschung der bayerischen Geschichte und durch die Ausbildung von Nachwuchskräften ein geistiges und kulturelles Fundament für den neuen Freistaat schaffen. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) nannte diese Gründung einen "zutiefst staatspolitischen Akt", gerade weil er den in den größten Zivilisationsbruch mündenden Missbrauch der Geschichte in der NS-Zeit künftig verhindern helfen sollte.

Relativ schnell hat sich das Institut zu einer Art Kaderschmiede für den Freistaat entwickelt, wie es ein Historiker einmal formulierte. Aus dem Institut gingen Scharen von Professoren, Lehrern, Generaldirektoren, Ministern und Staatssekretären, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Archiven, Museen, Bibliotheken sowie in Medien, Wirtschaft und Verwaltung hervor. Lehre und Forschung am Institut mündeten in mehr als 400 Dissertationen, deren Themen von der Herkunft der Bajuwaren bis hin zur NS-Bewegung in München reichen. Standardwerke wie das sechsbändige Handbuch der bayerischen Geschichte gingen aus dem Institut genauso hervor wie der Anstoß für die Gründung des Hauses der Bayerischen Geschichte und für das neue Museum für Bayerische Geschichte, das derzeit in Regensburg entsteht.

Albert Scharf, der ehemalige Intendant des Bayerischen Rundfunks, spannte in seiner Rede den Bogen nach Europa, dessen geistigen und politischen Bewegungen "Bayern zu allen Zeiten besonders ausgesetzt war". Scharf äußerte allerdings seine Sorge, durch die Maßlosigkeit der global ausufernden Welt werde aufs Spiel gesetzt, was in all den Jahrhunderten vorher entstanden und in langen historischen Prozessen geläutert worden sei. Er listete eine ganze Litanei des Verlusts von historischem und kulturellem Erbe auf. Sie reichte von der Zerstörung der Landschaft über die Krise des Christentums und der Kultursprache Deutsch, die nach Scharfs Wahrnehmung "an der Deutung der Welt nicht mehr teilnimmt", nicht einmal mehr an den bayerischen Universitäten, an denen mehr und mehr das Englische dominiere.

Ferdinand Kramer, der Leiter des Instituts, hob die Bedeutung des kulturellen Erbes als "Zement für die Identität" hervor. Die Landschaft nannte er einen Hauptidentifikationsfaktor für die Menschen, noch vor Wirtschaft, Geschichte und Kultur sowie Religion. Minister Spaenle gestand ein, dass sich die Politik gerade beim Thema Landschaftsverbrauch in einem Zielkonflikt befinde, dass Verlustgefahr immer bestehe. Quasi zum Trost versprach er, sich für die Stärkung der Landesgeschichte einzusetzen, auch trug er an den Bayerischen Rundfunk den von Publikum sehr goutierten Wunsch heran, er solle wieder eine klassische Redaktion für Geschichte schaffen.

Dass Bayern im Strom der europäischen kulturellen Vereinheitlichung immer noch ein Solitär sei, verdeutlichte Spaenle an einem kuriosen Fall aus der Kultusministerkonferenz. Die Länder schöpfen demnach ihre Vorschlagslisten für das immaterielle Kulturerbe bei Weitem nicht aus, weshalb die Lücken bisher von Bayern gefüllt wurden. Nachdem zuletzt 26 Vorschläge aus Bayern kamen, merkte der Hamburger Kollege laut Spaenle an, da bewege sich doch manches an der Grenze zur Albernheit. Künftig dürfen die Bayern nur noch maximal zwölf Vorschläge einbringen.

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