Nationalsozialismus:Hitlers frühester Widersacher

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Franz Xaver Schweyer (1868-1935) büßte seinen Widerstand gegen die Nazis mit dem Tod. (Foto: Th.Hilsdorf/Stadtmuseum München)
  • Schon 1922 sah der damalige bayerische Innenminister die Gefahr der Nationalsozialisten.
  • Franz Xaver Schweyer versuchte Hitler zu bekämpfen - scheiterte aber.
  • Anlässlich seines 80. Todestages erscheint Schweyers Biographie.

Von Hans Kratzer, München

Adolf Hitler hatte häufig mehr Glück als Verstand. Die Geschichtsbücher listen eine lange Reihe von gescheiterten Attentaten auf ihn auf. Weder der Schreiner Georg Elser (1939) noch der Graf von Stauffenberg (1944) konnten Hitler mit Bombenanschlägen ausschalten. Auch weiteren Attentatsversuchen entging Hitler mit unglaublicher Fügung.

Gleichwohl hätte er schon 1922 ganz ohne Gewalt gestoppt werden können. Der damalige bayerische Innenminister Franz Xaver Schweyer (1868-1935) hätte nur ein wenig mehr Unterstützung gebraucht, um die Geschichte des 20. Jahrhunderts in eine friedlichere Richtung zu steuern.

Schweyer ahnte die Gefahr

Der in Oberzell bei Kaufbeuren geborene Politiker war im März 1922 fest entschlossen, den Unruhestifter Hitler des Landes zu verweisen. Er hatte die Gefahr, die vom Nationalsozialismus ausging, schon früh erkannt, wie einem seiner Berichte zu entnehmen ist: "Mit der Erstarkung seiner Gefolgschaft, mit dem Wachstum seiner äußeren Macht wuchs auch sein Selbstbewusstsein bis zum Größenwahn . . ."

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Schweyer ahnte den Hitlerputsch von 1923 voraus: "Die national-sozialistische Bewegung gibt zu ernsten Sorgen Anlaß", unkte der Innenminister. Wie er angesichts radikaler Umtriebe und schwerer Inflationswirren die soziale Ordnung zu bewahren versuchte, ist jetzt einer anlässlich seines 80. Todestags erschienenen Biografie zu entnehmen, die Schweyers unerschrockenem Wirken endlich die verdiente Aufmerksamkeit zukommen lässt.

Im März 1922 versuchte Schweyer die Parteiführer der bayerischen Landtagsfraktionen von der Ausweisung Hitlers zu überzeugen. Unter anderem, weil "das Bandenunwesen, das Hitler auf den Münchner Straßen organisiere, allmählich unerträglich zu werden beginne". Hitler sprenge Versammlungen, klagte Schweyer, er belästige die Bürger, hetze die jungen Leute auf.

Warum Hitler nicht ausgewiesen wurde

Alle stimmen ihm zu - bis auf den SPD-Parteiführer Erhard Auer, der demokratische und freiheitliche Grundsätze ins Feld führte und damit fatalerweise einen Beschluss verhinderte. Schweyers Biograf Peter Christoph Düren führt dessen kurz darauf erfolgte Distanzierung von einer Ausweisung Hitlers aber auch auf den scharfen Widerstand der nationalen Rechten zurück.

Wäre Schweyers Plan realisiert worden, wäre die Weltgeschichte danach gewiss anders verlaufen, lautet Dürens Schlussfolgerung: "Vermutlich hätte es keine Nazi-Diktatur gegeben, keinen Zweiten Weltkrieg und keinen Holocaust." So sicher, wie Düren dies formuliert, ist das freilich nicht.

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Die Geschichtswissenschaft weist weltpolitische Entwicklungen nicht zwingend dem Wirken einzelner Personen zu. Mit anderen Worten: Es ist durchaus möglich, dass die Nationalsozialisten auch ohne Hitler an die Macht gekommen und ihr Zerstörungswerk umgesetzt hätten. Die Wirren nach dem Ersten Weltkrieg bedingten fast zwangsläufig eine neue Katastrophe. Der Radikalismus trieb heftige Blüten, die antisemitische und rassistische Grundstimmung war im Volk längst vorhanden.

Wie gegen Schweyer vorgegangen wurde

Von 1923 stieg die Spannung zwischen Hitler und dem der Bayerischen Volkspartei angehörigen Schweyer immer mehr. Nachdem Schweyer im Mai 1923 wegen Landfriedensbruchs Strafantrag gegen Hitler gestellt hatte, hintertrieben Ministerpräsident von Knilling und Justizminister Gürtner die Eröffnung des Verfahrens.

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Gegen Schweyer setzte eine maßlose Hetze ein. In der Zeit des Hitlerputschs (November 1923) und des Hitlerprozesses (1924) ging Schweyer als einer der wenigen energisch gegen die Nazis vor. "Dem antisemitischen Menschenhass setzte Schweyer das christliche Menschenbild entgegen, der Vergötzung von Volk und Führer das christliche Gottesbild", bilanziert Düren.

Im Juli 1924 wurde der aufrechte Demokrat Schweyer aus dem Amt des Innenministers entlassen. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde Schweyer sofort verhaftet. Im Gefängnis erlitt er einen Schlaganfall, dazu überzog man ihn mit an den Haaren herbeigezogenen Prozessen. Vor 80 Jahren, am 10. November 1935, starb der mutige Politiker an den Folgen der Haft. Noch Jahre nach seinem Tod goss Hitler Spott und Hohn über Schweyer aus. Das Bistum Augsburg reihte ihn in den Kreis der Märtyrer ein.

Peter Christoph Düren, Minister und Märtyrer. Der bayerische Innenminister Franz Xaver Schweyer (1868-1935), Dominus-Verlag Augsburg. 96 Seiten, 12,50 Euro.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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