Geschichte der Blasphemie:Als der "Lattengustl" im Fernsehsessel lümmelte

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In Bayern sind die Rufe nach einem Blasphemie-Paragraphen nichts Neues. Schon Ludwig Thoma, Herbert Achternbusch, Udo Lindenberg und der bayerische SPD-Chef Florian Pronold sorgten mit flapsigen Äußerungen für Empörung - bei Kirchenmännern, Politikern und auch beim Bayerischen Rundfunk.

Hans Holzhaider

1905: Ludwig Thoma wird wegen Gotteslästerung zu sechs Wochen Haft verurteilt. Er hatte sich im Simplicissimus über die "Herren Licentiaten" und "Jeremiae Jünger" lustig gemacht, die sich mit ihrem "Pastoren-Kaninchentriebe" als "gottesselige Bettbesteuger" betätigten.

Erzürnte das bayerische Justizministerium: die TV-Serie "Popetown". (Foto: BBC +++(c) dpa - Bildfunk+++)

1948: Der bayerische Kultusminister Alois Hundhammer erzwingt die Absetzung des Ballets "Abraxas" von Werner Egk vom Spielplan der Staatsoper. In dem Stück wird ein Koitus zwischen Satan und einer Frau in einer Art schwarzer Messe pantomimisch dargestellt.

1982: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Herbert Achternbusch wegen dessen Film "Das Gespenst", in dem Jesus um "ein bisschen Scheiße für die Polizei" bettelt. Der Landtagsabgeordnete Richard Hundhammer (Sohn des Alois H.) fordert von Ministerpräsident Franz Josef Strauß eine Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen.

1984: Der Bayerische Rundfunk feuert einen Abteilungsleiter, weil er einen Sketch von Udo Lindenberg passieren ließ, in dem die Weihnachtsgeschichte persifliert wird.

1995: Der Regensburger Generalvikar Wilhelm Gegenfurtner erstattet Anzeige gegen den Karikaturisten Walter Moers, dessen Comic-Figur "Das kleine Arschloch" eine Anleitung zur Hostienschändung gibt. Die bayerische Staatsregierung fordert die Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen.

1996: Wilhelm Gegenfurtner erstattet Anzeige gegen den Juso-Vorsitzenden Florian Pronold, der Jesus als "Lattengustl" tituliert hatte.

1997: Eine Regensburger Plattenfirma wirbt mit dem Bild eines an ein Kreuz genagelten Schweinchens. Bischof Manfred Müller fordert eine Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen.

2007: In einer Werbung für die TV-Serie "Popetown" lümmelt der vom Kreuz herabgestiegene Jesus in einem Fernsehsessel. Unterzeile: "Lachen statt rumhängen." Die bayerische Justizministerin Beate Merk fordert eine Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen.

2012: Das Satire-Magazin Titanic zeigt den Papst mit einem gelben Fleck auf der Soutane. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick fordert eine Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen.

© SZ vom 04.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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