Geschichte:Das Unehrengrab von Partenkirchen

Geschichte: Das Grab des Ehrenbürgers am Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen wurde notdürftig gesichert. Die Platte zerbrach kürzlich beim Anheben.

Das Grab des Ehrenbürgers am Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen wurde notdürftig gesichert. Die Platte zerbrach kürzlich beim Anheben.

(Foto: Sebastian Beck/oh)
  • Der Jude Hermann Levi war einst gefeierter Dirigent und Ehrenbürger der Gemeinde Partenkirchen. Er starb im Jahr 1900.
  • Die Nazis verwüsteten sein Mausoleum.
  • Die Lokalpolitik kümmerte sich bisher nicht um sein Andenken, nun soll er nach München umgebettet werden.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Was die Partenkirchner an Hermann Levi hatten, das wusste die Lokalzeitung damals durchaus zu würdigen, schließlich "hat der genannte Herr in hochherziger Weise einen beträchtlichen Theil seines Vermögens hier zur Besteuerung angemeldet". Diese Meldung, der zufolge der Königliche Hofkapellmeister a. D. wieder seinen Sommeraufenthalt in seiner Villa am Riedberg angetreten habe, endet mit den Worten "Hut ab!" - und kurz darauf, im Jahr 1900, mussten die Partenkirchner tatsächlich ihre Hüte ziehen und ihrem Ehrenbürger Levi auch die letzte Ehre erweisen, denn er war mit 60 Jahren gestorben.

Die heutige Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen hat Levi als Ehrenbürger vom einst selbständigen Partenkirchen gleichsam geerbt, aber sie hat nie zu einem würdigen Umgang mit diesem Erbe gefunden. Jetzt soll Levis Leichnam nach München umgebettet werden.

Dass Levis Gebeine wirklich unter der Grabplatte auf einem Privatgrundstück in Partenkirchen liegen, hat sich erst vor einigen Wochen erwiesen, als Vertreter der Gemeinde und ein Rabbiner aus München in die Gruft gestiegen sind und den Zinnsarg geöffnet haben. Der laut alten Akten "konfessionslos" bestattete Levi war jüdischer Herkunft und 1839 als Sohn eines Rabbiners in Gießen geboren. Kennern gilt er als einer der ersten Dirigenten moderner Prägung, unter anderem leitete er 1882 die Uraufführung von Wagners "Parsifal" in Bayreuth.

Auch den jungen Richard Strauss, an den man sich in Garmisch gern erinnert, hat er gefördert. 1896 zog sich Levi nach Partenkirchen zurück, wo er sich nach Entwürfen Adolf von Hildebrands eine Villa auf den Riedberg bauen ließ. Am Rand des heute geteilten Grundstücks ließ ihm seine Witwe ebenfalls von Hildebrand ein Mausoleum errichten, in dem Levi seine letzte Ruhe finden sollte. Die Gemeinde nannte die schmale Straße am Mausoleum später "Hermann-Levi-Weg", doch den Nazis war Theodor Fritsch als Namensgeber lieber, ein Verleger antisemitischer Hetzschriften.

1945 war dieser Fritsch nicht mehr opportun, aber die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen entschied sich nicht etwa wieder für Levi, sondern für den heutigen Namen "Karwendelstraße". Die Reste des Mausoleums, das die Nazis nach ihrer "Machtergreifung" verwüstet hatten, fielen in den 1950er Jahren einer Verbreiterung dieser Karwendelstraße zum Opfer. Über der Gruft existiert seither nur noch die heute denkmalgeschützte Grabplatte - und selbst die verschwand zuletzt zeitweise zwischen abgelagerten Dachziegeln, Baumaterial, Holz und Gerümpel.

Nur wenige Menschen haben sich um Levis Andenken bemüht

Im Ort erinnerte man sich erst wieder wirklich an den Ehrenbürger, als es 2012 um die Hindenburgstraße ging. Der Generalfeldmarschall hatte Hitler einst ins Amt geholfen, nun sollte ein Teil der Hindenburgstraße nach einem verstorbenen Bürgermeister und der andere nach Levi benannt werden. Unter dem Druck der öffentlichen Aufmerksamkeit entschieden sich die Räte mit breiter Mehrheit dafür, doch 2013 kam es zu einem Bürgerentscheid, bei dem fast 90 Prozent für Hindenburg stimmten.

Bis dahin hatten sich nur wenige Menschen um die Erinnerung an Levi bemüht, darunter Anthony Morris, der im Musikgeschäft tätig ist und nach eigenen Angaben Dirigenten wie Kent Nagano, Zubin Metha, Simon Rattle und Daniel Barenboim als Unterstützer gewonnen hat, auch das Staatstheater Karlsruhe, wo Levi ebenfalls Hofkapellmeister war, hatte Interesse signalisiert. Mehr als ideelle Unterstützung war aber kaum möglich, denn Morris' erstmals vor vielen Jahren unternommene Versuche, das Grab über eine Stiftung zu kaufen, verliefen im Sand.

Geschichte: So sah das Mausoleum für Hermann Levi vor seiner Zerstörung durch die Nazis aus.

So sah das Mausoleum für Hermann Levi vor seiner Zerstörung durch die Nazis aus.

(Foto: Sebastian Beck/oh)

Morris wirft dem Grundeigentümer, dem früheren Gemeinderat Ecko Eichler, vor, eine Lösung immer blockiert zu haben. Eichler wiederum sagt, Morris habe nach zwei Treffen nichts mehr hören lassen. Als er selbst das Grundstück vor 30 Jahren gekauft habe, sei ihm nicht klar gewesen, was es mit dem kaum sichtbaren Grab auf sich habe. Eichler hat eine Abdeckung konstruiert, um die Reste vor weiterem Verfall zu bewahren. Für ein würdiges Umfeld haben all die Jahre aber weder er noch die Gemeinde gesorgt.

Charlotte Knobloch hat die Entscheidung übernommen

2017 fuhr Eichler mit Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer zu Charlotte Knobloch nach München. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde sollte als Ratgeberin kraft der Autorität ihrer Person und ihres Amtes für die Garmischer entscheiden, und laut ihrem Ratschluss soll Levi nun auf den Neuen Israelitischen Friedhof in München umgebettet werden. Eine Umbettung, von der laut Knoblochs Sprecher eine Ausnahme vom religiösen Gebot der ewigen Grabesruhe möglich ist.

Ecko Eichler ist da nach eigenen Worten "völlig leidenschaftslos", und im Rathaus zeigt man sich erleichtert, dass Knobloch die Entscheidung auf sich genommen hat. Man werde wohl für das neue Grab mitzahlen, heißt es. Doch Anthony Morris ist mit seiner Kritik am Umgang mit Levi nicht allein.

So wäre etwa auch der Lokalhistoriker Alois Schwarzmüller, ein früherer Geschichtslehrer und Gemeinderat, "sehr dafür gewesen, dass man das Grab in Partenkirchen erhält". Er sieht im damals wie heute ignoranten Umgang mit Levi eine Blamage für seinen geschichtsvergessenen Heimatort. Schwarzmüller hat 2008 vorgeschlagen, den einstigen Partenkirchner Kurpark, an dem das Richard-Strauss-Institut liegt, "Hermann-Levi-Park" zu nennen. Ende Juli soll der Hauptausschuss des Gemeinderats erstmals darüber beraten.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Textes wurde Paul von Hindenburg als Reichsmarschall bezeichnet, tatsächlich lautete sein Dienstgrad aber Generalfeldmarschall. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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