Geschichte - Dachau:Stellenstreit in Dachau: Mahnung zu Lösung in Dialog

Bayern
Das Eingangstor mit der Inschrift "Arbeit macht frei" ist an der Gedenkstätte des KZ Dachau zu sehen. Foto: Sven Hoppe/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Dachau (dpa/lby) - Der Streit um die Nachbesetzung einer wichtigen Leitungsstelle an der KZ-Gedenkstätte Dachau schürt zunehmend Sorgen um den Ruf des Erinnerungsortes für die NS-Verbrechen. "In diesen Streit bringen einige unangemessen scharfe Töne hinein, die das Ansehen der Gedenkstätte schädigen könnten", mahnte der 92-Jährige KZ-Überlebende Abba Naor am Mittwoch.

Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, wollte seine Büroleiterin Erika Tesar - eine Nachfahrin von Holocaust-Opfern - zur Chefin der Bildungsabteilung in der Gedenkstätte machen. Er hatte argumentiert, eine Ausschreibung habe keinen entsprechenden Erfolg gebracht. Sein Anliegen sei zudem gewesen, Nachfahren von Verfolgten auch in die Bildungs- und Erinnerungsarbeit einzubinden, sofern sie den entsprechenden professionellen Hintergrund haben. Das sei bei Tesar der Fall.

Darum gibt es nun eine seit etwa zwei Wochen auch öffentlich geführte Auseinandersetzung mit dem Personalrat, der am Mittwoch erneut eine Neuausschreibung verlangte. Die Mitarbeitervertretung sei nicht ausreichend in das Verfahren einbezogen worden. Nur mit einer neuen Ausschreibung in einem ordentlichen Bewerbungsverfahren könne das beschädigte Vertrauen in Stiftungsleitung und in Entscheidungen über die Stellenbesetzungen an der Gedenkstätte wieder hergestellt werden.

Freller schloss nicht aus, dass es am Ende zu einer Neuausschreibung kommen könne. Er betonte aber, nun müsse "in Frieden" diskutiert werden. "Dachau ist von so großer Bedeutung, dass es unbedingt gelingen muss, das Ganze zu beruhigen und zu befrieden, weil sonst der Ruf Dachaus beschäftigt wird", sagte Freller.

"Es ist die große Verantwortung aller Beteiligten, zu versuchen, im Dialog die Probleme zu lösen. Es ist wichtig, dass man jetzt zusammenfindet." Das sei auch eine große Verantwortung gegenüber den Überlebenden und der nachfolgenden Generation, sagte Freller.

Die Lagergemeinschaft Dachau hatte bereits vor Tagen gemahnt, den Konflikt nicht öffentlich zu besprechen, sondern intern zu lösen.

"Ich habe gezögert, mich einzumischen", schreibt nun Abba Naor, der selbst Mitglied des Stiftungsrates der Bayerischen Gedenkstätten ist. "Dieser Konflikt hat jedoch ein Ausmaß angenommen, das mich zwingt, als Holocaust-Überlebender und Sprecher der Vereinigung der Überlebenden der KZ-Außenlager Kaufering/Landsberg nun auch meine Stimme zu erheben." Ihm fehle in dem Streit die Perspektive der Überlebenden und ihrer Nachfahren.

Tesar stammt aus einer Familie, von der Mitglieder in Auschwitz und in Kaufering ermordet wurden. Es sei nicht ganz unverständlich, dass die Stiftung sie einsetzen wolle, schreibt Naor. "Tagtäglich ereignen sich in Deutschland, auch in Bayern, antisemitische Übergriffe. Sollte nicht auch eine Gedenkstätte als Lern- und Erinnerungsort dagegen Stellung beziehen? Und gerade dazu wäre eben auch eine Stimme einer Nachfahrin von Holocaust-Opfern unverzichtbar."

Der Personalrat kritisiert hingegen, der persönliche Hintergrund könne in dem gefragten Tätigkeitsbereich nützlich sein, sei aber nicht Teil der Stellenbeschreibung. Er sieht es von der anderen Seite: "Dass Menschen, die keine Verfolgten in der Familie haben, somit für eine Führungsposition in der Bildungsarbeit einer Gedenkstätte, weniger geeignet sein sollen, entwertet die jahrelange, fundierte und wissenschaftliche Arbeit der Menschen, die sich engagiert in der Gedenkstätte Dachau einbringen."

© dpa-infocom, dpa:210303-99-674681/3

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