Geschäfte mit Gammelfleisch:Stadt Coburg schließt Schlachthof

Tierschutzprobleme auf Schlachthöfen

Über viele Jahre hinweg soll in Coburg ungeeignetes Rindfleisch in den Handel gelangt sein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fleisch der Kategorie 3 muss eigentlich verbrannt oder zumindest gekennzeichnet werden. Ein Betrieb am Coburger Schlachthof steht nun im Verdacht, das Gammelfleisch zum Verzehr weiterverkauft zu haben - und das vermutlich seit mehr als zehn Jahren.

Von Katja Riedel

Verbrennen, kennzeichnen, zu Tierfutter verarbeiten. Das sind geeignete Wege, um mit Fleisch umzugehen, das der Mensch lieber nicht essen sollte. Im oberfränkischen Coburg besteht ein ungeheuerlicher Verdacht: Fleisch der Kategorie 3, das der Volksmund gern Ekel- oder Gammelfleisch nennt, soll am dortigen Städtischen Schlachthof eben nicht oder nicht gänzlich eingefärbt und vernichtet worden sein.

Über Jahre hinweg soll solches Rindfleisch auf Tellern gelandet sein, als Bratenstücke, Rouladen, in Wurst oder Leberkäs. Verkauft in Metzgereien, serviert in Gaststätten. Das jedenfalls behaupten Zeugen, die all dies Journalisten des Bayerischen Rundfunks vor der Kamera sagten und dazu eidesstattliche Erklärungen abgaben.

Gerade einmal vier Wochen ist es her, dass die Reporter der Sendung "quer" jenen Skandal aufgedeckt haben, der sich zu einem der größeren bayerischen Fleischskandale auswachsen könnte. Die Aussagen der Zeugen scheinen so glaubhaft zu sein, dass die Staatsanwaltschaft Coburg ein Ermittlungsverfahren gegen bisher zwei Beschuldigte eingeleitet hat: Weil sie ungeeignete Lebensmittel in den Verkehr gebracht haben sollen, aber auch wegen Betruges.

Der Leitende Oberstaatsanwalt Anton Lohneis erwartet ein komplexes und langwieriges Ermittlungsverfahren. Offenbar wurden umfangreiche Unterlagen beschlagnahmt, die nun ausgewertet werden müssen. Lohneis will derzeit nicht ausschließen, dass sich das Verfahren auf weitere Beschuldigte ausweiten könnte. Solche, die am Schlachthof arbeiten und möglicherweise mitverdient haben. Aber auch Abnehmer, die das eigentlich wertlose und teuer zu entsorgende Fleisch günstig gekauft und damit Gewinne erzielt haben.

In einer Pressemitteilung Ende Juni hatte die Staatsanwaltschaft den Zerlegebetrieb Dellert als ausschließlichen Verkäufer bezeichnet. Im Vergleich zum Gesamtumsatz gehe es um geringe Mengen K 3-Fleisch. Zu den Großkunden von Dellert gehört der Fleischverwerter OSI, der wiederum McDonald's-Restaurants beliefert. Man bezog von Dellert nur ganze Rinder-Vorderviertel, wie ein McDonald's-Sprecher sagte. Das Unternehmen könne darum "ausschließen, dass kategorisierte Fleischabfälle (K 3) in unsere Lieferkette gelangt sind."

Brauchbare Stücke aus schlechtem Fleisch geschnitten

Dellert hat den Betrieb derzeit eingestellt, 17 Mitarbeiter entlassen und die EU-Zulassung zurückgegeben. Dies sei kein Schuldeingeständnis, betonte Ludwig Dellerts Anwalt Horst Koller, ein Fachmann für Lebensmittelrecht. Inhaber Dellert selbst hatte bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe all diese bestritten, das Unternehmen erstattete seinerseits Anzeige gegen Unbekannt.

Denn dass im Coburger Schlachthof aus schlechtem Fleisch brauchbare Stücke herausgeschnitten und in neue Kisten gepackt wurden, lässt sich schwerlich von der Hand weisen. Dies zeigen Fernsehaufnahmen mit versteckter Kamera. Anwalt Koller will sich zwar derzeit nicht zum aktuellen Stand des Verfahrens äußern, kündigte jedoch an, dass sehr bald Bewegung in das Verfahren kommen werde. Schließlich arbeite man eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen an der Aufklärung.

Auch die Stadt Coburg hat aufgrund der Ermittlungen bereits harte Konsequenzen gezogen: Sie hat den Schlachthof, in dem die betroffene Firma Dellert für mehr als 50 Prozent der Umsätze gesorgt hatte, geschlossen, bis auf Weiteres. Am 18. Juli soll der Stadtrat entscheiden, ob es dabei bleibt. "Aus meiner Sicht ist die Wiederaufnahme des Schlachtbetriebs ohne die Firma Dellert wirtschaftlich nicht vertretbar", meldete sich der Coburger Oberbürgermeister Norbert Kastner (SPD) in einer Pressemitteilung zu Wort.

Die Stadt und das Büro des OB äußerten sich bis Redaktionsschluss nicht, wann, wie oft und mit welchem Ergebnis Kontrolleure des Veterinäramtes im Schlachthof zu Routine- oder Verdachtsprüfungen vor Ort waren. Auch ob bereits früher Buß- oder Zwangsgelder verhängt wurden, bleibt unklar. Auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) darf sich derzeit aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens zu möglichen Kontrollen im Coburger Schlachthof und Meldungen an andere Behörden nicht äußern.

Das LGL hatte im Zuge des Gammelfleischskandals 2007 und 2008 Schwerpunktkontrollen in der Fleischwirtschaft veranlasst. Ob damals auch Dellert Fleisch und andere Betriebe des Coburger Schlachthofes kontrolliert wurden, blieb unklar. Mitarbeiter sprachen davon, dass K 3-Fleisch in Coburg seit mehr als einem Jahrzehnt umdeklariert worden sei. Strafrechtlich relevant sind nur die zurückliegenden fünf Jahre.

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