Geschäft mit Risikopapieren:Stadtsparkasse soll Kunden betrogen haben

GERMANY-BANK-LOGO

Kunden der Augsburger Stadtsparkasse werfen dem öffentlich-rechtlichen Institut vor, ihnen wissentlich Risikopapiere verkauft zu haben.

(Foto: AFP)
  • Die Stadtsparkasse Augsburg hat ein hochspekulatives Papier der Schweizer Bank Credit Suisse verkauft.
  • Mehrere Kunden haben damit Geld verloren und berichten, nicht über das hohe Risiko aufgeklärt worden zu sein.
  • Der Anwalt Bernd Paschek spricht von Betrug und bereitet eine Anzeige vor.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Ingrid Schäfer war seit ihrer Kindheit Kundin der Stadtsparkasse Augsburg. Jetzt ist die 61-jährige Lehrerin auf das öffentlich-rechtliche Geldinstitut alles andere als gut zu sprechen: "Dieses Verhalten ist so unanständig, wo ist hier die Moral?", fragt sie. "Dass die überhaupt noch in den Spiegel schauen können."

Ingrid Schäfer ist eine von mehreren Kunden, die bei einer Geldanlage mindestens fünfstellige Beträge verloren haben und deshalb scharfe Kritik an der Sparkasse üben. "Anfangs habe ich mich geschämt", sagt Schäfer, "inzwischen glaube ich, dass mich mein Berater wissentlich über den Tisch gezogen hat."

Anwalt spricht von "zielgerichteter Fehlinformation"

Ihr Anwalt Bernd Paschek drückt sich noch drastischer aus: "Das ist meiner Meinung nach ein besonders schwerer Fall des Betrugs." Er bereitet derzeit eine Strafanzeige vor und begründet dies so: "Hier fand meiner Ansicht nach eine zielgerichtete Fehlinformation durch Unterdrückung von Tatsachen statt."

Der Streit dreht sich um ein sogenanntes "Express-Zertifikat", das die Schweizer Bank Credit Suisse im Jahr 2008 emittiert hat. Die Sparkasse verkaufte dieses hochspekulative Papier mit dem wohlklingenden Beinamen "Ein Korb voller Chancen". Das Zertifikat hatte es in sich: Es versprach eine Rendite von bis zu 14,19 Prozent. Entsprechend hoch war das Risiko. "Das war das giftigste Papier, das ich je kennengelernt habe", sagt Anwalt Paschek. "Und das mit zahlreichen kapitallastigen Papieren wie Commerzbank und HRE, obwohl die Finanzkrise schon absehbar war."

Auf dem Flyer der Sparkasse fehlen Informationen

Es drohte sogar der Totalverlust, und auf diesen habe die Sparkasse in den Beratungsgesprächen nicht hingewiesen, kritisiert der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Während die emittierende Bank Credit Suisse in ihrem Infoblatt diese Gefahr sehr wohl betont habe, sei dies auf dem Flyer der Sparkasse komplett verschwiegen worden. Paschek legt beide Schriftstücke nebeneinander auf den Tisch. "Alle meine fünf Mandanten wollten definitiv nicht zocken", sagt er, "es deutet viel darauf hin, dass die Berater das Vertrauen der Kunden missbraucht haben."

Das glaubt auch Ingrid Schäfer: "Warum schreibt die Sparkasse überhaupt ein neues Papier", sagt sie und deutet auf die Kopfzeile der Flyer, "wenn es schon ein Original gibt und auf diesem sogar schon Sparkasse drauf steht?" Sie gibt sich die Antwort selbst: "Das ist keine Information, sondern reine Werbung." Die 61-Jährige aus Zusmarshausen ist Oberstudienrätin für Mathematik und Physik, also in Sachen Zinsrechnung reichlich fit. Sie sagt: "Ich habe den Berater so verstanden, dass ich nach drei Jahren schlimmstenfalls mit null Zinsen Gewinn meine Investition wieder zurückbekomme."

So war es aber nicht. Es war keinerlei Kapitalschutz vorgesehen. Deshalb gingen ihr die eingesetzten 20 000 Euro fast komplett verloren. Nach der Finanzkrise verkaufte sie ihren "Korb voller Chancen" für mickrige 294,05 Euro. "Das Wort Kapitalschutz habe ich erstmals gehört, als ich nach dem Absturz zu einer Finanzberaterin gegangen bin", beteuert Ingrid Schäfer, "das ärgert mich sehr." Sie zog all ihre Konten und anderen Anlagen von der Sparkasse ab. Um ihre Altersvorsorge muss sie sich trotz des Reinfalls keine Sorge machen, sie hat noch anderweitige Mittel.

Rentnerin verlor ihr gesamtes Vermögen

Ganz im Gegensatz zu einer 81-jährigen Rentnerin, die durch den "Korb voller Chancen" 130 000 Euro verloren hat - und damit ihr gesamtes Vermögen. Sie hatte bereits die Sparkasse zivilrechtlich auf Schadenersatz verklagt. Das Landgericht Augsburg gab ihr in erster Instanz Recht. Doch das Oberlandesgericht München kassierte das Urteil und wies die Klage ab. Auch weil ein Berater ausgesagt hatte, er habe die Frau anhand des Informationsblattes der Credit Suisse beraten und auf das Totalverlust-Risiko hingewiesen.

Diese Aussage wertet Anwalt Paschek wiederum als "uneidliche Falschaussage". Immerhin beteuerten alle seine Mandanten, das Info-Papier der Credit Suisse vor Vertragsunterzeichnung nie gesehen zu haben. Paschek: "Ich erwäge deshalb eine Anzeige wegen Prozessbetrugs."

Was die Stadtsparkasse zu den Vorwürfen sagt

Die Stadtsparkasse weist alle Vorwürfe zurück: "Die Sparkasse legt allerhöchsten Wert auf eine umfassende Beratung", sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Walter Eschle, "in unseren Beratungsgesprächen werden damals wie heute die Chancen und Risiken entsprechend den gesetzlichen Vorschriften umfänglich dargelegt." Diese Art von Zertifikaten sei damals "ein durchaus übliches Produkt" gewesen, welches von zahlreichen Emittenten und Kreditinstituten angeboten wurde.

Bei der Bewertung des Geschehens müsse man sich ins Jahr 2007 zurückversetzen, sagt Eschle: "Damals konnte sich noch niemand vorstellen, dass die Hypo Real Estate zu einem Totalausfall werden würde." Man darf gespannt sein, ob die Staatsanwaltschaft das Vorgehen genauso bewerten wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: