Gesammelte Exponate:Von König Ludwigs Lieblingsparfüm zum Transrapid-Modell

Leuchtelement / Lichtwerbeanlage „Löwe“ vom Garagendach der alten CSU-Landesleitung in der Nymphenburger Str. 64, 80807 
München

Der "Löwe" vom Garagendach der alten CSU-Landesleitung in der Nymphenburger Str. 64.

(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Das neue Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg soll die vergangenen 200 Jahre umfassend dokumentieren. Die Exponate lagern aber noch in Augsburg, der Eröffnungstermin ist unklar.

Von Hans Kratzer

Stattlich ist die Zahl jener bayerischen Politiker, die aus einem besonderen Holz geschnitzt sind. In einem Depot in einer alten Augsburger Fabrikhalle wird ein Krug aufbewahrt, der diese Aussage treffend unterstreicht. Das Trinkgefäß gehörte einst dem Arzt und Bauernbündler Albert Gäch (1852-1926). In seinem Schwarzacher Stammwirtshaus (Kreis Straubing-Bogen) ließ er sich sein Bier stets in diesem Gefäß servieren, das auf den ersten Blick wie ein echter Totenkopf aussieht. So schaurig das auch klingen mag, dieses Objekt passte ganz gut zu Gäch, einem Agitator vor dem Herrn, der von 1899 bis 1904 dem Landtag angehörte, und zwar als Vertreter des radikalen Flügels des Bayerischen Bauernbundes.

Noch heute erzählt man sich, er habe sich immer einen Schnitt einschenken lassen, damit das Bier nicht so schnell lack wurde. Der halb volle Krug hatte in der Wirtsstube bald seinen eigenen Namen: Doktor-Hoiwe. Für Gäch hatte der Krug vor allem eine strategische Bedeutung: Mit dem Totenkopf demonstrierte er den dickschädeligen Bauern, dass sie sich vor ihm in Acht nehmen sollten. Solche Geschichten kennt Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, zuhauf. In dem Depotraum, den sein Haus angemietet hat, lagern neben Gächs Totenkopfkrug gut 1500 weitere Objekte, die künftig das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg füllen werden. Es sind einzigartige Relikte, quasi Reliquien der Geschichte Bayerns aus den vergangenen 200 Jahren.

So manche Ecke des Lagerraums ist aus konservatorischen Gründen in dämmriges Licht getaucht. Was Wunder, dass sich die Gesichtszüge des Depotleiters Tobias Erne in Falten legen, als Richard Loibl einen weiteren irdenen Bierkrug von der Anhöhe eines Industrieregals herunterklaubt und dabei ausdauernd gestikuliert. Loibl muss sich ganz schön strecken, um das Objekt zu greifen, allzu leicht kommt man in dieser Haltung ins Straucheln. Wenn der Krug jetzt bloß nicht auf den Boden fällt. Erne malt sich vermutlich bereits die Apokalypse aus. Aber der erfahrene Museumsmann Loibl beweist auch hier eine sichere Hand. Umso eindrucksvoller glänzt diese Rarität aus der Münchner Biergeschichte in Loibls Händen.

Anno 1889 war dieser Masskrug bei der Weltausstellung in Paris zu bestaunen, auch hierzu erzählt Loibl eine aufschlussreiche Geschichte: Die Brauer waren ja die ersten, die es verstanden haben, den Mythos Bayern weltweit zu vermarkten, sei es mit kunstvoll gestalteten Masskrügen, mit Werbeschildern oder mit Bierfilzln. Dafür ließen sie sich nicht lumpen, sogar Malerfürsten wie Kaulbach und Lenbach wurden für die Ausgestaltung der Werbemittel engagiert. Zurecht werden diese Ikonen der Biergeschichte im Museum der Bayerischen Geschichte zu bewundern sein, das im November 2018 eröffnet werden sollte.

Leider hat es auf der dortigen Baustelle vor Monaten in einem Nebengebäude gebrannt. Das Feuer hat einen Millionenschaden verursacht und alle Pläne über den Haufen geworfen. Die Schäden sind laut Loibl so verheerend, dass an eine Eröffnung im kommenden Jahr nicht zu denken ist. Nun herrscht bei allen Beteiligten große Besorgnis. Das Museum ist ein millionenschweres Leuchtturmprojekt, auf den Weg gebracht von Ministerpräsident Horst Seehofer in seiner Regierungserklärung von 2008.

Die Umsetzung obliegt dem Haus der Bayerischen Geschichte und seinem in Museumsplanungen versierten Direktor Loibl. Der hat durch erfolgreiche Landesausstellungen und den Aufbau des Augsburger Textilmuseums bewiesen, dass er jederzeit imstande ist, solche Herausforderungen zu stemmen. Insofern ist das Museum in Regensburg Loibls Paradeprojekt, das durchaus auch emotional die Frage klären soll, was den Kern und den Mythos Bayern ausmacht und wie sich die gängigen Bayern-Klischees zur Wirklichkeit verhalten.

Das Haus der Bayerischen Geschichte sammelt seit 2014 gezielt Exponate für das Museum, in dessen Mittelpunkt die gewaltige, aber noch in keinem bisherigen Museum umfassend dokumentierte Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts stehen soll. Die meisten Objekte lagern bis jetzt unter konservatorisch idealen Bedingungen in diesem fensterlosen Fabrikgebäude in Augsburg. Am kommenden Mittwoch wird sich der Ministerrat mit dem Museum in Regensburg beschäftigen. Die Brandursache ist nach wie vor ungeklärt, trotzdem sollen die Bauarbeiten so schnell wie möglich vollendet werden.

Was alles zu sehen sein wird

Fast jedes Objekt im Depot hat die jüngere Geschichte Bayerns mitgeprägt oder legt zumindest ein packendes Zeugnis vom Lauf der Historie ab. Wie jener Pin-up-Koffer aus dem Jahr 1945, den ein amerikanischer GI nach Bayern brachte. Lieutenant C.G. Collins hat ihn auf dem Hof der Familie Träger in Rudendorf (Kreis Haßberge) hinterlassen. Beim Aufklappen kam eine weichgezeichnete Schönheit zum Vorschein, die der Infanterist wehmütig in den Deckel gemalt hatte.

Ähnlich erging es dem Kriegsgefangenen Paul Lintner, der in Scheppach eine neue Heimat fand. Von ihm stammt ein kürzlich ins Depot gelangter Holzkoffer aus den 1940er-Jahren. Auf der Innenfläche des Deckels prangt ein koloriertes, handgemaltes Bild. Es zeigt eine blonde Frau im hellblauen Negligé, der Oberkörper ist entblößt. Darüber die Aufschrift: "Wovon kann der Landser denn schon träumen. . .?" Der Koffer gibt einen seltenen privaten Einblick in das Seelen- und Gefühlsleben eines Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft.

Weitaus heiterer wirkt das mit Relikten von den Olympischen Spielen 1972 gefüllte Regal. Das Maskottchen Dackel Waldi wird dort verwahrt, ein Prototyp des Merchandising. Eine damalige Hostess hat gar ihre Kleidung aufgehoben. Einige grüne, von Otl Aicher entworfene Originalsitze aus dem Olympiastadion erinnern an jene bis zum Attentat so unbeschwerten Tage. Einen farblichen Kontrast setzt die rote Lederhose, die Stofferl Well 1986 beim Anti-Wackersdorf-Konzert in Burglengenfeld getragen hatte. "Von den Widerstandskreisen gegen die Wiederaufbereitungsanlage haben wir viele Objekte bekommen", sagt Loibl: "WAA Nein!" ist auf einem Tuch mit weiß-blauem Rautenmuster zu lesen.

Das Haus der Bayerischen Geschichte nimmt aber nicht jede Leihgabe an. Schreibtische werden abgelehnt, "sonst würden im Museum bald nur noch Schreibtische stehen", befürchtet Loibl. Wichtig ist es ihm, dass die Objekte eine Geschichte erzählen, die auch dokumentiert ist. Eine große Geschichte tradieren natürlich die alten Möbel des Landtags, die beinahe entsorgt worden wären, und das CSU-Logo aus der alten Parteizentrale in der Nymphenburger Straße, das im Depot weitaus mehr strahlt als zuletzt die Partei nach der Wahlschlappe vom Sonntag.

Das Depot, das für Besucher nicht zugänglich ist, lässt erahnen, dass dieses Museum ein Volltreffer werden könnte. Loibl jedenfalls ist überzeugt davon. Allein die Dauerausstellung wird bayerische Geschichte mit allen Mitteln moderner Technik auf 30 Bühnen bespielen, von der Architektur bis zum Sport, von der Kunst bis zur Sprache, vom Glauben bis zur Politik wird kein Thema vernachlässigt. Die Gitarre des Gstanzlsängers Roider Jackl, das Transrapid-Modell, das Edmund Stoiber vorstellte, das Lieblingsparfüm Ludwigs II. - Bayern soll auf eine emotionale und medial hochmoderne Weise erzählt und erlebt werden, für die es bisher kein Vorbild gibt.

Allerdings befürchten Kritiker, in Regensburg könnte ein CSU-lastiges Museum entstehen. "So ein Schmarrn!", kontert Loibl. Nicht nur, dass dem einzigen SPD-Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner breiter Raum gewidmet wird - auch die Revolution und die Räterepublik in den Jahren 1918/19 sollen im Museum groß inszeniert werden. "Das wird dann alles stark in Rot gehalten sein", sagt Loibl beim Verlassen des Depots.

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