Germering:Rauschzustände in der CSU

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Joachim Herrmann bedankt sich auf dem Listenparteitag der CSU in Germering für lang anhaltenden Applaus nach seiner Begrüßung. (Foto: dpa)
  • 75 Kandidaten hat die CSU für die Bundestagsliste am 24. September nominiert. Auf Platz eins steht Joachim Herrmann, gefolgt von Alexander Dobrindt, Dorothee Bär, Andreas Scheuer und Gerd Müller.
  • Nach monatelangem Streit in der CSU gerät die Kür von Herrmann zur großen Versöhnungsveranstaltung.
  • Das Ergebnis passt, der Parteichef motiviert und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt verdrückt schon vor dem Abschied ein paar Tränen.

Von Wolfgang Wittl, Germering

Der CSU-Generalsekretär zeigt sich angemessen verzweifelt, aber er weiß: So ist das nun mal bei Krönungsmessen. Nicht immer verhält sich das Stimmvolk so, wie es die Planer ersonnen hatten. Schuld ist ausgerechnet der Spitzenkandidat. Schon der Einmarsch von Joachim Herrmann in die Germeringer Stadthalle gerät am Samstag zum Triumphzug, die Delegierten klatschen und klatschen, als sei ihnen Freibier versprochen worden. Doch die CSU berauscht sich allein an sich selbst.

Erst als Herrmann zur Ruhe bittet, kommt Generalsekretär Andreas Scheuer endlich zu Wort. Er wolle ja nur den organisatorischen Hinweis machen, dass Herrmann erst noch gewählt werden müsse.

Die CSU hat sich viel gestritten in den vergangenen Monaten. Nun, da es darauf ankommt, beweist sie eine erstaunliche Geschlossenheit. Der Kampf um die Listenplätze zur Bundestagswahl endet, bevor er überhaupt begonnen hat. Herrmann wird mit starken 98,4 Prozent ausgestattet. Alle Redner erhalten mal freundlichen Applaus, mal welchen im Stehen. Und Parteichef Horst Seehofer startet sogar eine Charmeoffensive Richtung Landtagsfraktion, mit der er sich zuletzt heftig gefetzt hatte. Er dankt Fraktionschef Thomas Kreuzer als einzigem Anwesenden, dass er es trotz privater Termine dennoch nach Germering geschafft habe. "Haben wir doch alles gut hinbekommen", schwärmt CSU-Vize Barbara Stamm, die heimliche Harmoniebeauftragte der Partei.

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In manchen Momenten ist die CSU so ergriffen von sich selbst, dass sogar Tränen fließen. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die im September nicht mehr für den Bundestag antreten wird, zieht offiziell zwar eine Bilanz der vergangenen vier Regierungsjahre ("wir haben wirklich alle Versprechen eingehalten"), ein klein wenig aber auch ihrer drei Jahrzehnte im Parlament. Die CSU könne stolz auf das Erreichte sein, sagt Hasselfeldt.

Als Seehofer ihr einen Blumenstrauß überreicht und die Delegierten sich erheben, wischt Hasselfeldt sich zweimal mit der Hand über die Wange - ohne Gefühle geht der nahende Abschied offenbar auch an einem Polit-Profi nicht vorüber. Seehofer, mit dem sie nicht immer einer Meinung war, dankt Hasselfeldt mit den Worten: "Du darfst für Dich in Anspruch nehmen, dass Du zu den ganz großen Vorsitzenden in der Geschichte unserer Landesgruppe gehörst."

In seiner halbstündigen Rede skizziert Seehofer den Fahrplan bis zur Bundestagswahl. Die CSU werde erneut nichts versprechen, was sie nicht halten könne. Was genau, will sie in einer Vorstandsklausur am 18./19. Mai in der Oberpfalz diskutieren. Anfang Juli werde man das gemeinsame Programm mit der CDU verabschieden, wenig später dann den Bayernplan mit Positionen, die über die der Schwesterpartei hinausgehen. Der Erfolg der Bundestagswahl werde bereits maßgeblich über die Landtagswahl 2018 entscheiden, sagt Seehofer und verhängt gar eine Art Urlaubssperre. "Gebt noch mal Gas die nächsten fünf Monate", ruft er den 260 Delegierten zu: "Urlaub sollte es dieses Jahr nicht geben."

Für den Spitzenkandidaten Joachim Herrmann wirbt Seehofer mit bemerkenswerten Worten. Nicht nur die Kompetenz, sondern mehr noch die menschlichen Qualitäten stellt er in den Vordergrund. Neun Jahre arbeite er mit Herrmann im Kabinett zusammen, noch nie habe er einen "Anflug von Unzuverlässigkeit oder Intrige erlebt". Wer wollte, konnte das als Spitze gegen andere Kabinettsmitglieder verstehen.

Herrmann gelingt es in seiner Rede, anders noch als am Aschermittwoch, die Delegierten in den Bann zu ziehen. Gleich zu Beginn attackiert er den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Sicherheit sei für die Menschen das wichtigste Thema, das zeigten alle Umfragen, doch Schulz habe bislang nur Antworten auf Fragen gegeben, "die keiner gestellt hat". Herrmann erklärt, wofür er steht: für einen starken Staat, für Sicherheit und Kontrollen an den Grenzen, aber nicht für "Multi-Kulti". Und ja, die CSU kämpfe um die Regierung, er selbst werde jeden Wahlkreis mindestens einmal besuchen. Aber "wir kämpfen auch dafür, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt".

Nicht jeder in der CSU hatte Begeisterung erkennen lassen, für Merkel in den Wahlkampf zu ziehen. Auch Herrmann weiß das - und beweist nach seiner Wahl eine hübsche Schlitzohrigkeit. Ach ja, was er vergessen habe zu sagen: "Jeder, der mich wählt, ist strengstens verpflichtet mitzukämpfen." Herrmann, finden Delegierte, sei schnell angekommen in seiner neuen Rolle. Nur beim Applaus muss er noch üben. Als Seehofer ihm die Bühne überlassen will, geht er ihm einfach hinterher, anstatt den Jubel allein auszukosten.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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