Georgensgmünd:Hätte der Verfassungsschutz früher gegen "Reichsbürger" handeln müssen?

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Der SPD-Politiker Florian Ritter (links) und CSU-Innenminister Joachim Herrmann. (Foto: Johannes Simon, Niels P. Jørgensen)
  • Bayerische Politiker reagieren auf den Tod eines Polizisten in Georgensgmünd, der von einem "Reichsbürger" erschossen wurde.
  • "Unser Ziel ist es, allen ,Reichsbürgern', die legal eine Waffe besitzen, ihre Waffenerlaubnis zu entziehen", sagt Innenminister Herrmann.
  • Grüne und SPD kritisieren, der bayerische Verfassungsschutz habe die "Reichsbürger" unterschätzt.

Von Lisa Schnell, München

"Verachtenswert" nennt Ministerpräsident Horst Seehofer die Tat von Wolfgang P., dem "Reichsbürger", der den Staat ablehnt. Am Mittwoch hat der 49-Jährige im mittelfränkischen Georgensgmünd bei einer Razzia in seiner Wohnung auf Polizisten geschossen. Drei wurden verletzt, einer starb in der Nacht zum Donnerstag. Der Tod des jungen Polizisten mache ihn "fassungslos", sagte Seehofer. "Ganz Bayern trauert." Den Angehörigen und Freunden des Opfers sprach er seine "tief empfundene Anteilnahme aus".

"Das ist eine schwere Stunde für die bayerische Polizei und ein schrecklicher Verlust", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die bayerische Polizei werde bis zur Beerdigung des Polizisten an allen Fahrzeugen Trauerflor tragen. "Tiefe Bestürzung" und Erschütterung auch bei Grünen, SPD und den Freien Wählern (FW). Nach der Bestürzung kommen die Fragen.

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Hätten die Behörden schon früher auf Wolfgang P. aufmerksam werden können oder gar müssen? Kann eine solche Tat überhaupt verhindert werden? Und wenn ja, wie? Die Antwort von Innenminister Herrmann ist eine stärkere Überwachung der "Reichsbürger"-Szene. "Unser Ziel ist es, allen ,Reichsbürgern', die legal eine Waffe besitzen, ihre Waffenerlaubnis zu entziehen", sagte er am Donnerstag. Wer die deutsche Rechtsordnung ablehne, biete keine Gewähr für einen Waffenschein.

Unterstützung bekommt er von den Freien Wählern. "Reichsbürger" könne man nun keineswegs mehr als "lästige Querulanten abtun", sagte Eva Gottstein. Eine Beobachtung dieser Gruppe durch den Verfassungsschutz sei nun "unbedingt angezeigt".

Sie hätte schon viel früher einsetzen müssen, heißt es von den Grünen und der SPD. Der bayerische Verfassungsschutz habe die "Reichsbürger"-Bewegung unterschätzt, weil er "auf dem rechten Auge blind" sei, sagte Florian Ritter (SPD). Der Verfassungsschutz spreche bislang davon, dass es den "Reichsbürgern" in der Regel an einer extremistischen Zielrichtung fehle. Es handle sich überwiegend um Spinner. "Was für eine Fehleinschätzung!", sagte Ritter. Die Zugehörigkeit zur "Reichsbürger"-Szene werde von den Behörden bis jetzt überhaupt nicht erfasst. Das zeige eine Anfrage, die er Anfang 2016 gestellt habe.

"Die Zeiten sind zu ernst"

Auch Katharina Schulze (Grüne) wollte von der Staatsregierung mehr über die Aktivitäten und Gesetzesverstöße von "Reichsbürgern" wissen. Eine Antwort bekam sie nicht, da dies einen "unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand" bedeuten würde, wie die Staatsregierung ihr antwortete. Die Verbindungen zwischen der rechten Szene und den "Reichsbürgern" hätte schon viel früher besser beobachtet werden müssen, sagte sie. Die CSU aber wolle den Anstieg von Rassismus in der Bevölkerung nicht sehen. "Die Zeiten sind zu ernst, als dass sich die CSU weiter in ihrer Ideologiesuppe suhlen kann", sagte sie und fordert von der Staatsregierung mehr Unterstützung für staatliche Stellen im Umgang mit "Reichsbürgern".

"Der bayerische Verfassungsschutz hat die rechtsextreme Szene direkt im Blick", heißt es aus dem Innenministerium. Wenn "Reichsbürger" sich in der rechtsextremen Szene aufhielten, fielen sie dem Verfassungsschutz auf. Manchmal könne das Ministerium keine exakten Angaben machen, da die Gruppe "zahlenmäßig schwer zu fassen" sei. Die einen wollten einfach keine Steuern zahlen und leugneten den Staat deshalb, andere lebten in ihrer Fantasiewelt mit eigenen Dokumenten. Es gebe darunter auch eine "große Anzahl von Spinnern", auch wenn die Gefahr nicht unterschätzt werden dürfe.

Der Kreis derer, die sich den "Reichsbürgern" irgendwie zugehörig fühlen, sei in den letzten Jahren gewachsen, heißt es vom Verfassungsschutz. Es seien nicht alle in der Szene rechtsextremistisch, die "große ideologische Nähe zum Rechtsextremismus" sei aber "offensichtlich". Zwischen 30 und 40 Personen aus der "Reichsbürger"-Szene könnten direkt dem Rechtsextremismus zugerechnet werden. Der Blick des Verfassungsschutzes sei aber nicht auf extremistische Strömungen beschränkt, er nehme auch deren Umfeld ins Visier, unter anderem auch die "Reichsbürger". In letzter Zeit sei die Arbeit sogar noch intensiviert worden, heißt es. Auch das Bundesinnenministerium teilte am Donnerstag per Twitter mit, dass es den Verfassungsschutz gebeten habe, "sich des Themas anzunehmen und die bisherigen Bewertungen zu überprüfen".

"Reichsbürger"-Debatte, "Reichsbürger", die nicht rechts sind, gibt es nicht (Video: Süddeutsche Zeitung)
© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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