Süddeutsche Zeitung

Georgensgmünd:Das erste Bratwursthotel der Welt hat eröffnet

Fleischfreunde kommen bei Claus Böbel in Georgensgmünd voll auf ihre Kosten - denn im Hotel gibt es sogar eine Bratwursterlebniswelt. Doch was witzig klingt, hat einen ernsten Hintergrund.

Von Johann Osel, Georgensgmünd

Da wacht man morgens auf, unterm Kopf das Nackenkissen in Wurstoptik, hinter einem an der Wand die Silhouette eines grünen Saukopfs, der Blick gen Zimmerdecke bietet Bilder von Würsten aller Art. So ungefähr darf man es sich vorstellen, als Gast im kleinen Hotel von Claus Böbel in Georgensgmünd südlich von Nürnberg den Tag zu begrüßen.

Das mag für manche der fleischgewordene Horroranblick sein, für andere ein Wohlgenuss. Letztere hat der Metzger im Visier mit seiner neuen Geschäftsidee. Denn kürzlich hat er seine Bratwursterlebniswelt mit dem ersten Bratwusthotel der Welt eröffnet. Die erste Woche, berichtet Böbel, war "komplett ausgebucht".

Bei der Vermarktung von Fleischwaren hat sich der Franke seit Jahren einen Namen in der Szene der Fleischfreunde gemacht. Zum Beispiel mit einer Bratwurst-Erlebnis-Küche, mit Fachvorträgen oder Events rund um die fränkische Spezialität; man kann sich bei ihm in der Wurstherstellung versuchen - "Knochen auslösen, Fleisch schneiden, Gewürz wiegen, Wurst füllen. Sie werden sehen: Es macht Spaß, ist aber gar nicht so einfach". Vom Fachmann können sich Kunden ihre individuelle Wurst füllen lassen, eine Privatwurst sozusagen, Böbel wirbt mit mehr als 200 Millionen Kombinationsmöglichkeiten; er betreibt unter anderem auch ein "Wurst-Taxi" als Lieferservice sowie einen weltweiten Wurst-Online-Shop.

Und jetzt eben den Beherbergungsbetrieb. Den in die Jahrzehnte gekommenen Gasthof hat er für 700 000 Euro saniert. Kein Investment scheute er, musste vor allem Geld in die Haustechnik und Leitungen stecken. Sieben Wurstzimmer werden offeriert, zudem Seminarräume - Firmen könnten sich einbuchen, hofft der Metzgermeister, ein "Event-Angebot für Mitarbeiter oder internationale Kunden". Mal was anderes, Geschäftsleute könnten sich "inspirieren lassen", Wurst machen, essen, zelebrieren. "Wir wollen die fränkische Bratwurst erlebbar machen und mit der ganzen Welt verknüpfen", sagt der 48-Jährige, der vor zehn Jahren den Familienbetrieb übernommen hat.

Was das alles soll? Vielleicht ist ein wenig Spinnerei dabei, Böbel sagt über sich selbst, dass er "immer ein bisschen verrückter" war als andere, und "08/15" sei generell nicht sein Ding. Der Anlass aber ist durchaus ernst. Er will das Schicksal, das vergleichbare Landmetzgereien ereilt hat, abwenden: die Schließung. In Bayern gibt es immer weniger handwerkliche Metzgereien, Hunderte Geschäfte machten laut Staatsregierung in den vergangenen Jahren dicht - weil der Beruf als unattraktiv gilt oder der Betriebsnachfolger fehlt; aber auch wegen der Konkurrenz von Supermärkten oder Discountern. In Rittersbach, Ortsteil von Georgensgmünd, zählt man 300 Einwohner, es ist keine Lauflage, es gibt keine Autobahnabfahrt, sagt der Metzger. Da müssen viele Kunden also eigens kommen. Ohne seine Ideen wäre er "längst tot - und dem Dorf würde ein Stück Lebensqualität fehlen".

Längere Öffnungszeiten, Online-Verkauf, 24-Stunden-Warenautomaten, Spezialitäten-Schwerpunkte, Extra-Angebote oder einfach bessere Markenbildung - viele Metzgermeister merken, dass sie Zusätzliches bieten müssen, um zu überleben. Wenngleich es da kaum einer so weit treibt wie Claus Böbel.

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SZ vom 01.10.2018/vewo
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