Genuss:Das Bohei um die Bohne

Genuss: In kleinen Röstereien dürfen die Bohnen sich Zeit lassen zum Braunwerden. Die langsame Röstung ist schonender und besser für den Geschmack, dafür ist der Gewichtsverlust größer. Auch das macht den Kaffee teurer.

In kleinen Röstereien dürfen die Bohnen sich Zeit lassen zum Braunwerden. Die langsame Röstung ist schonender und besser für den Geschmack, dafür ist der Gewichtsverlust größer. Auch das macht den Kaffee teurer.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

In ganz Bayern nimmt die Zahl der kleinen Kaffeeröstereien rasant zu. An diesem Wochenende gibt es in Garmisch sogar eine eigene Messe für die Hersteller aus dem Freistaat

Von Franz Kotteder

Bayerns Infrastruktur mag in mancherlei Hinsicht verbesserungswürdig sein. In einigen Bereichen aber sind Land und Menschen nahezu bestens versorgt. So dürfte es kaum noch einen Postleitzahlenbezirk im Freistaat geben, der nicht seinen eigenen Regionalkrimi samt Ermittler, seinen eigenen Gin, seinen eigenen Craft-Beer-Brauer und selbstverständlich auch seine eigene Kaffeerösterei hat. Letztere trägt manchmal sogar den Ort der Herstellung im Namen, fast als ob die Kaffeebohnen auf dem heimischen Acker geerntet würden. So gibt es zum Beispiel eine Murnauer Kaffeerösterei, sie ist sogar eine der Trendsetter gewesen und wurde schon vor zehn Jahren gegründet. Die meisten anderen lokalen Röstereien sind jünger.

Nun hat der ganze Bohei um die braune Bohne auch seine eigene Messe. "Melasch - Kaffee, Genuss und Lifestyle" nennt der Garmischer Veranstalter Marco Wanke das Treffen im Garmischer Kongresshaus, das an diesem Wochenende stattfindet und zu dem gut 30 Kaffeeröster aus Bayern und dem benachbarten Österreich erwartet werden. So kommen aus München etwa die Röstereien Fausto und Vogelmaier, aus Nürnberg die Rösttrommel. Es geht zwar auch um Wein, Whisky, Gin, Reisen und andere Genüsse - aber im Mittelpunkt steht schon der Kaffee. Die Röster werden den Olympiasaal mit ihren Präsentationen füllen, dort kann man auch diverse Kaffeemaschinen kennenlernen, man hofft auf ein breites Publikum. "Wir wollen nicht nur den Endverbraucher erreichen", sagt Patrick Festerling, "sondern auch Gastronomen, die sich informieren wollen, was es auf dem Markt so gibt."

Festerling arbeitet beim örtlichen Garmischer Röster Wildkaffee, dem Kooperationspartner von Wanke für die "Melasch"-Messe. Die Firma wurde 2010 von Leonhard und Stefanie Wild gegründet, der ehemalige Eishockey-Profi musste seinen Sport nach einer schweren Verletzung aufgeben. Zusammen mit seiner Frau, als Skifahrerin ebenfalls Leistungssportlerin, machte er seine private Neigung als Kaffeegenießer schließlich zum Hauptberuf. Heute beschäftigt Wildkaffee sieben Mitarbeiter und betreibt in der Garmischer Bahnhofsstraße ein eigenes Kaffeehaus und neuerdings sogar eine Showrösterei, damit die Gäste nicht nur Kaffee trinken können, sondern auch etwas zum Anschauen haben. Denn das Handwerk des Röstens ist den Kunden fast am Wichtigsten. Es ergibt den eigenen Geschmack.

Darauf kommt es den Liebhabern der kleinen Kaffeemischungen natürlich besonders an, der Preis hingegen scheint sie nicht die Bohne zu interessieren - ein Kilo Kaffee aus der Heimat kostet schon mal zwischen 25 und 30 Euro. In Großstädten, wo man deutlich höhere Nebenkosten, zum Beispiel in Form von Gewerbemieten, hat, sind die Preise noch deutlich höher. "In Berlin werden teilweise bis 50 Euro fürs Kilo verlangt", weiß Festerling.

Die Röster verlangen diese Preise nicht nur, weil's halt geht: Ein ordentlicher Kaffee, der sehr gut schmeckt, hat anders als in der Industrie einen aufwendigen Arbeitsprozess hinter sich. Die marktführenden Handelsmarken mit ihren Großröstereien machen es sich nämlich leicht: Sie rösten die Bohnen drei bis vier Minuten lang in Öfen, die zwischen 600 und 800 Grad heiß werden. Besonders schonend ist das nicht. Und weil die Bohnen beim Rösten ihre natürliche Feuchtigkeit verlieren, was bis zu 20 Prozent vom Einkaufsgewicht ausmacht, behandeln die Großen ihre Bohnen während des Röstens mit heißem Wasserdampf. Der Gewichtsverlust wird so einigermaßen ausgeglichen, die Qualität wird aber nicht besser.

Kleine Röstereien arbeiten hingegen mit Öfen, die für Temperaturen zwischen 140 und 210 Grad ausgerichtet sind und eine langsame Röstung ermöglichen. Wie lange die Bohnen in der rotierenden Trommel bleiben, hängt von der Sorte ab und vom Fingerspitzengefühl des Rösters. Meistens sind es zwischen zehn und 15 Minuten. Sollen die Bohnen besonders dunkel werden für die sogenannte Französische Röstung, dann bleiben sie etwa 20 Minuten bei 210 Grad in der Trommel.

Im Grunde ist die neue Liebe der Bayern zur kleinen Rösterei vor der Haustür gar kein Zeitgeisttrend, sondern eine Wiederentdeckung. Die großen Röstereien entstanden erst durch die industrialisierte Lebensmittelerzeugung. Davor wurde meist nur geröstet, wenn man Kaffeebohnen brauchte - was auch seinen Sinn hat, denn das braune Gebräu schmeckt um so besser, je frischer der Kaffee geröstet und gemahlen wurde. Die Billigproduktion machte den kleinen Röstereien dann aber vielerorts den Garaus. Manche haben aber auch bis heute überlebt, etwa die Kaffee-Rösterei Saerve in Eichstätt. Der Urgroßvater der heutigen Eigentümerin Carolin Saerve hatte 1895 in seinem Kolonialwarenladen in der barocken Marktgasse mit dem Kaffeerösten begonnen. Noch heute gibt es in dem hübschen Bürgerhaus aus dem Jahr 1640 täglich frisch gleich mehrere verschiedene Kaffeesorten.

Die Saerves beziehen ihren Rohkaffee seit jeher über Hamburger Importeure, viele Röstereien gehen direkt zum Erzeuger. So auch die Wilds. Sie kaufen ihren Kaffee in Guatemala, Brasilien, El Salvador und Panama, zum Teil auch in Burundi und Ruanda. Viele kleine Erzeuger wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Und legen auch Wert auf fairen Handel. Oft mussten Farmen aufgeben, weil sie mit den Preisen, die von den Großen der Branche gezahlt werden, nicht mehr leben können.

So hat das Phänomen "Bohnen aus Bayern" durchaus was Gutes für die Bauern in Zentralamerika und Afrika. Auch wenn sich die vermutlich totlachen würden über eine Messe wie die "Melasch" und manches, was es dort zu sehen gibt. Etwa über den "Latte Jam" am Samstag. Da treten Baristai, wie man in Italien die Espresso-Zubereiter nennt, in verschiedenen Disziplinen von Klassik bis Freestyle gegeneinander an. Sieger ist, wer die schönste Grafik in den Milchschaum zaubert.

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