Gentechnik in Bayern:Mais, der Angst macht

Stefansberg: WAS WÄCHST DENN DA?! TEIL 2 - Junge Maispflanzen

Ein zartes Maispflänzchen. Die Kritiker der Agrar-Gentechnik befürchten aber, dass durch Genmais Schaden in der Natur entsteht.

(Foto: Johannes Simon)

Aus Berlin kommen nur Floskeln, von europäischer Ebene droht Gefahr: Gentechnik-Gegner warnen vor der Zulassung der neuen Mais-Sorte 1507 durch die EU-Kommission. Sie vergleichen die Agrar-Gentechnik mit der Atomkraft - aber ernten dafür auch Widerspruch

Von Christian Sebald

Da war Anneliese Blümel vielleicht stolz, als der damalige Umweltminister Markus Söder (CSU) dem Landkreis Miesbach das Gütesiegel "Gentechnikanbaufreie Kommune" verlieh. Die Schlierseerin und ihre Mitstreiter im Netzwerk Zivilcourage setzen sich dafür ein, dass Bayerns Felder für gentechnisch manipulierte Nutzpflanzen tabu bleiben. "Keiner weiß, ob sie nicht doch schlimme Folgen für die Natur und uns Menschen haben. Und die Bauern brauchen sie nicht für bessere Erträge", sagt Blümel. "Deshalb wollen wir das nicht."

So wie Blümel sieht das wohl auch die Mehrheit der Bayern. Dem Netzwerk Zivilcourage, das überall im Freistaat Gruppen hat, gehören nicht nur Naturschützer, Verbraucher und Bauern an. Sondern auch Trachtler, Gartler, Feuerwehrler, Pfarrgemeinderäte und alle möglichen anderen Leute vom Land bis weit ins CSU-Lager hinein. Es waren denn auch die vielen Zivilcourage-Gruppen, die Horst Seehofer und die CSU so unter Druck setzten, dass sich die Partei von der Agrar-Gentechnik abwandte.

Die große Furcht

Jetzt treibt Blümel und andere Verbraucher, aber auch die Umweltverbände, die Bauern, die Imker, und die Biobranche erneut eine große Furcht um. "Die Agro-Gentechnik könnte doch noch Einzug bei uns halten", sagt Blümel, "und zwar bald." Der Grund: Der EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg hat unlängst die EU-Staaten aufgefordert, die Genmaissorte 1507 des US-Agrarkonzerns DuPont-Pioneer für den Anbau in Europa zuzulassen. Kommt im Dezember keine qualifizierte Mehrheit der Umweltminister der Mitgliedsstaaten dafür zustande, dann wird die EU-Kommission von sich aus die Sorte freigeben.

Doch das ist nicht das einzige, was das Bündnis umtreibt. "In den aktuellen Koalitionsverhandlungen in Berlin könnte Seehofer ein für alle Mal ein Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Nutzpflanzen durchsetzen", sagt Richard Mergner, der Landesbeauftragte des Bundes Naturschutz (BN). "Doch das, was Union und SPD bis jetzt ausgehandelt haben, sind Floskeln, die auf keinen Fall ausreichen."

Wie andere gentechnisch manipulierten Maissorten ist auch der Genmais 1507 resistent gegen den Maiszünsler und andere Schädlinge. Dadurch können nach Überzeugung seiner Befürworter die Bauern höhere Erträge erzielen, außerdem können sie beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sparen. Die Gentechnik-Kritiker befürchten nicht nur eine Diktatur einiger weniger Agrarkonzerne über die Bauern, wenn die Agrar-Gentechnik in Deutschland und in Bayern Einzug hält. Ihrer festen Überzeugung nach sind die Risiken der Agrar-Gentechnik nicht geringer als die der Atomenergie - ob es nun um gesundheitliche Spätfolgen geht oder Auswirkungen auf die Natur und die Artenvielfalt. "Das Schlimmste ist, dass man Genpflanzen nicht mehr zurückholen kann, wenn man sie einmal ausgebracht hat in die Natur", sagt Kritiker wie Blümel. "Sie werden sich immer weiter ausbreiten, auch wenn man sie später nicht mehr haben will."

Biobranche fürchtet um ihre Zukunft

Aus diesem Grund fürchtet auch die Biobranche um ihre Zukunft - ob das nun Biobauern wie Stephan Kreppold aus Aichach oder Ökobäcker wie die Münchner Hofpfisterei, Biobetriebe wie die Hermannsdorfer Landwerkstätten oder Ökometzger sind. "Ein Nebeneinander zwischen herkömmlicher Landwirtschaft und der Agro-Gentechnik gibt es nicht", sagt Nicole Stocker von der Hofpfisterei. "Wenn Genpflanzen in Bayern angebaut werden, dann können unsere Bauern, aber auch wir als Verarbeiter, niemals hundertprozentig ausschließen, dass die Zutaten für unsere Biobrote kontaminiert sind."

Von der Bundesregierung erwartet das Bündnis deshalb einen strikten Kurs gegen die Agrar-Gentechnik. "Union und SPD sind bisher aber nicht über die altbekannten, unverbindlichen Formulierungen hinausgekommen", sagt der BN-Mann Richard Mergner. "Und selbst die sind noch strittig." In den bisherigen Papieren heißt es, dass die Koalitionäre die Agrar-Gentechnik "im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ablehnen". Das Bündnis verlangt nicht nur, dass sich die neue Koalition sehr viel klarer zu einer Ablehnung bekennt. "Sie muss sich auch für ein Verbot der Zulassung neuer Genpflanzen durch die EU aussprechen", sagt Mergner

Außerdem fordert der BN-Mann ein nationales Verbot der Agrar-Gentechnik. "Dafür muss Seehofer jetzt eintreten", sagt Mergner. "Die EU-Kommission schlägt das schon seit geraumer Zeit vor." Tatsächlich will Gesundheitskommissar Borg den Mitgliedsstaaten ermöglichen, den Anbau von Genpflanzen national zu verbieten. "Bisher hat sich die Bundesregierung dazu sehr indifferent verhalten", sagt Mergner. "Wenn es der CSU ernst ist mit ihrem Anti-Gentechnik-Kurs, muss Seehofer jetzt auf ein solches Verbot drängen. Und zwar mit dem gleichen Engagement, wie er das für die Pkw-Maut für Ausländer tut."

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